Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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Und wenn wir ein Paket bekommen hatten,<br />
hängten wir manchmal die Schokolade über<br />
das Bett, auch um unseren Willen zu stärken.<br />
Die Idee mit der Schokolade war zwar von den<br />
Erwachsenen, wir hätten aber dagegen verstoßen<br />
können.”<br />
Eine Helferin erinnert sich an den Unterricht:<br />
“Früher wurde ja in der allgemeinen Schule in<br />
jeder Stunde etwas anderes durchgenommen.<br />
Ich weiß nicht, wie das heute ist. Wir in der<br />
<strong>Walkemühle</strong> machten das jedenfalls anders:<br />
Die Kinder hatten vier bis sechs Wochen lang<br />
nur ein Thema im Unterricht, zum Beispiel<br />
,Afrika’. Da kann man sich fragen: ,Was<br />
haben sie da denn wohl gelernt?’ An diesem<br />
einen Thema lernten sie was aus sämtlichen<br />
Fächern, zum Beispiel Schreiben und Lesen -<br />
natürlich, sie mussten dabei ja schreiben und<br />
lesen; Rechnen - sie berechneten die Bevölkerungszahlen,<br />
den Handel, die Höhe der Berge<br />
und die Entfernungen; dann lernten sie Erdkunde:<br />
Wo fließen die Flüsse ? Wie sehen die<br />
politischen Verhältnisse aus ? Die Königreiche,<br />
die Stämme, die Kolonialmächte, das lernten<br />
sie alles an dem einem Thema ,Afrika’.<br />
Gesamtunterricht hieß das. Und wenn sie dann<br />
dies eine Thema durchhatten, dann hatten sie<br />
es durch.<br />
So wie mit Afrika machten sie das auch mit<br />
Melsungen und Umgebung. Bei ,Afrika’ hatte<br />
man Karten, und bei ,Melsungen’ ging man<br />
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natürlich raus, wanderte:<br />
,Was für Blumen gibt es<br />
da?’ Sie liefen durch Wiese,<br />
Wald und Feld. Der Unterricht<br />
war anschaulich,<br />
anschaulicher konnten sie<br />
es gar nicht mehr machen.”<br />
(Hedwig Urbann)<br />
“Unser Unterricht war sehr<br />
lebendig. Wir untersuchten<br />
möglichst vieles durch eigene<br />
Anschauung. Zum<br />
Beispiel hatten wir mal ein<br />
Vogelskelett gefunden,<br />
das wurde dann im Unterricht<br />
besprochen.<br />
Bei Minna besprachen wir<br />
dann mal ein Pferd im Unterricht. Da wurde<br />
dann nicht so wie in einer normalen Schule ein<br />
Holzpferd oder ein Schaukelpferd vorne hingestellt,<br />
und kaum jemand hatte Interesse, sich<br />
mit dem Ding da zu beschäftigen - in der<br />
<strong>Walkemühle</strong> war das anders: Wir gingen zu<br />
den Bauern in die Pferdeställe.<br />
Einmal war auch ein Inder in der <strong>Walkemühle</strong>,<br />
der erzählte uns was über sein Land. Wir unterstützten<br />
dann den Freiheitskampf der Inder<br />
und ließen eine ganze Zeitlang eine unserer<br />
Mahlzeiten ausfallen.” (Emmi Gleinig)<br />
“Es gibt da eine hübsche Geschichte. Der Tono<br />
hatte also erstens gelernt, dass das Getreide<br />
wächst, und zweitens hatte er gelernt, was ein<br />
Zollstock ist, woraufhin er also den kleinen Berg<br />
hochkletterte.<br />
Da war ein Getreidefeld, er nahm da Maß und<br />
schrieb sich das auf seinen kleinen Block, also<br />
46 cm. Am nächsten Tag ging er wieder hinauf:<br />
52 cm. ,Donnerwetter, das wächst aber<br />
schnell.’ Und dann kam er ganz erschüttert<br />
wieder: ,Das Getreide ist kleiner geworden!!’<br />
Das waren 44 cm, weil er nicht denselben Halm<br />
gemessen hatte.” (Helmut Schmalz)<br />
“Nelsons Forderung, durch größte Zurückhaltung<br />
der Lehrer die Entfaltung der Kräfte der<br />
Kinder zu fördern und ihr Vertrauen in sich<br />
selber zu stärken, bedeutete nicht, dass die<br />
Schüler als hemmungslose Wilde aufwachsen<br />
sollten. Aber man versuchte, mit einem Minimum<br />
an Regeln auszukommen und möglichst