Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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mit solchen, für die man Verständnis bei den<br />
Kindern schon fand oder im Laufe der Zeit<br />
leicht wecken konnte. Zum Teil gaben sich die<br />
Kinder selber ihre ,Gesetze’, meistens auf Grund<br />
irgendwelcher als störend empfundenen<br />
Vorkommnisse oder Übergriffe.” (69)<br />
“Manchmal spielten wir auf der <strong>Walkemühle</strong><br />
Theater. Die Erwachsenen für die Kinder oder<br />
die Kinder für die Erwachsenen - Kinder verkleiden<br />
sich ja sehr gern - oder alle spielten<br />
zusammen.<br />
Ich weiß noch von einem Stück, da musste der<br />
Peter Nemenyi (laut Willi Schaper der Halbbruder<br />
des Schachweltmeisters Bobby Fischer,<br />
R.G.) ein Baby spielen und musste dazu in der<br />
Wiege liegen, und der Junge war nicht aufzufinden;<br />
irgendwo hatte er sich verkrochen,<br />
nicht weil er Angst gehabt hätte, sondern aus<br />
Neugier war der irgendwo hin gelaufen; da<br />
riefen alle: ,Peter! Peter! Du musst doch...!’ - da<br />
kam er endlich in seinen kleinen Höschen und<br />
wurde dann in die Wiege gelegt.<br />
Die Kinder spielten sehr viel. Früher wurde ja<br />
überhaupt viel mehr gespielt als heute, heute<br />
ist ja das Fernsehen da. Puppen, Bälle, Bären -<br />
das fing damals gerade an, dass man Bären<br />
hatte, Fahrräder, Bauklötze. Ich weiß noch wie<br />
wir immer vor Weihnachten die vielen Bauklötze,<br />
die in der Tischlerei geschnitten worden<br />
waren, zusammen anmalten - aber kein<br />
Kriegsspielzeug.” (Hedwig Urbann)<br />
Schülerinnen und Schüler, die als Kinder auf der<br />
<strong>Walkemühle</strong> zur Schule gegangen sind, schildern<br />
diese Zeit übereinstimmend als unheimlich<br />
glückliche Zeit, als die<br />
schönsten Kindheitsjahre.<br />
Dabei wird betont, dass ja<br />
die strengen Forderungen<br />
der Schule an die Erwachsenen<br />
bei den Kindern<br />
noch nicht angewandt<br />
wurden.<br />
In den Protokollen der Schulaufsichtsbehörden<br />
des Jahres 1928 ist über den Unterricht der<br />
Kinder folgendes nachzulesen:<br />
Der Schulrat von Melsungen:<br />
76<br />
“Die fünf Schulpflichtigen sind unter zehn Jahren<br />
alt, arbeiten also die Lehraufgaben der<br />
Grundschule durch unter Leitung der Oberlehrerin<br />
Fräulein Pohlmann. Der Unterricht ist<br />
Gesamtunterricht. Das heimatliche Erleben,<br />
angeregt und vertieft durch den starken Zusammenhang<br />
mit der Natur, durch fast tägliche<br />
Beobachtungs- und Erkundungsgänge,<br />
durch ganzwöchige Wanderungen in die<br />
weitere Umgebung zum Vertrautwerden mit<br />
dem Heimatkreis, seiner Natur und seinen<br />
Menschen und Verhältnissen, sichert starke,<br />
grundlegende heimatliche Vorstellungen.<br />
Darüber werden freilich die durch die Richtlinien<br />
geforderten Fertigkeiten, z.B. Lesen,<br />
Schreiben, auch Rechnen, etwas stark zurückgedrängt,<br />
so dass die besseren Landschulen<br />
des Kreises trotzdem sie vielmehr<br />
Schüler und diese oft in fünf Abteilungen unterrichten<br />
müssen, günstigere Ergebnisse aufzuweisen<br />
haben. Doch dafür ist der Blick dieser<br />
Schüler mehr geöffnet und ihr Verständnis<br />
größer für die Umweltverhältnisse.” (70)<br />
Der Regierungsdirektor aus Kassel<br />
“...bestätigt das Urteil des Schulrats über die<br />
Fertigkeiten der grundschulpflichtigen Kinder.<br />
Im Rechnen war die Fertigkeit des 3. und 4.<br />
Schuljahrs im Zahlenlesen recht gering; auch<br />
einfache Aufgaben aus den vier Grundrechnungsarten<br />
wurden nur langsam und unsicher<br />
gelöst. Besser waren die Leistungen im selbständigen<br />
Aufschreiben. Dagegen schien die<br />
Sprechlust der Kinder wenig entwickelt.”<br />
Wie man zum Beispiel als Kind auf die <strong>Walkemühle</strong><br />
kam<br />
Die Mutter einer Schülerin berichtet:<br />
“Längst ehe unser Kind geboren war, hatten<br />
wir Eltern beschlossen, es in diese Schule zu<br />
geben, über deren Geist und Erziehung wir<br />
durch Minna Specht und Leonard Nelson gehört<br />
hatten. Aber unsere Vorstellungen von<br />
dem Ganzen waren doch recht unklar: Wir