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Walkemühle - Rudolf Giesselmann

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Ich habe mal in einem Aufsatz über Minna<br />

Specht als Leiterin folgendes geschrieben:<br />

,Wenn Konflikte zwischen Minna Specht<br />

und ihren Mitarbeitern auftraten, so entsprangen<br />

sie vielfach dem Umstand, dass<br />

Minna Specht in der Schau des Ziels und des<br />

Weges ihren Mitarbeitern in der Regel voraus<br />

war. Welche Geduld musste sie bei ihrer Hingabe<br />

an die uns verbindende Aufgabe aufbringen,<br />

wenn in solchen Konflikten die gewaltfreie<br />

Lösung erreicht werden sollte! Das<br />

gelang nicht immer. Dann konnte Minna<br />

Specht durch ungeduldige Eingriffe einem<br />

Mitarbeiter die Möglichkeit, an seinem Teil<br />

selbsttätig in der Bewältigung der Aufgaben<br />

vorwärts zu schreiten, stören. Wenn aber jemand<br />

sie angriff, wegen der Gewalt, die sie<br />

ausübte, dann konnte es zwar geschehen,<br />

dass sie sich zunächst abschloss. Bald aber<br />

sprach sie den, der sie angegriffen hatte, an,<br />

nahm seine Kritik ernst und änderte ihr Verhalten.(...)<br />

Die Aufgabe, die Nelson ihr hinterlassen hatte,<br />

als er 1927 starb, stand immerfort gewaltig vor<br />

ihr, und ihre gelegentliche Ungeduld mit den<br />

Mitarbeitern war mit dem Gefühl der eigenen<br />

Unzulänglichkeit gegenüber der Aufgabe<br />

verbunden.’ (34)<br />

Es war eine Lebens- und Kampfgemeinschaft<br />

von großer Strenge, spartanischer Einfachheit<br />

und sehr konzentrierter ernster Arbeit. So etwas<br />

wie Muße kannten wir da nicht. Im Tagesablauf<br />

gab es wohl eine etwas längere Mittagspause,<br />

da bin ich z. B. viel im Garten gewesen beim<br />

alten Gärtner Schwer; und dann konnte man<br />

auch schon mal für ein paar Tage weg, - richtige<br />

festgesetzte Ferien wie auf der Schule gab<br />

es ja auf der <strong>Walkemühle</strong> nicht - ; doch auch<br />

an diesen wenigen Tagen nahm man sich<br />

noch was vor. Z.B. bin ich einmal über Ostern<br />

nach Berlin in den Ortsverein des ISK gefahren,<br />

um den kennen zu lernen, und dann habe ich<br />

auch noch einmal ein Gastspiel über die von<br />

uns praktizierte sokratische Lehrmethode 1930<br />

an der pädagogischen Akademie in Frankfurt<br />

an der Oder gegeben.<br />

Und diese mich faszinierende Aufgabe, sokratisch<br />

philosophisch und mathematisch unterrichten<br />

zu können, überdeckte bei mir die<br />

Härte der Bedingungen auf der <strong>Walkemühle</strong>.”<br />

(Gustav Heckmann )<br />

27<br />

Eine Schülerin:<br />

“Als ich das erste Mal auf die <strong>Walkemühle</strong><br />

gehen wollte, sagte mir ein Genosse aus dem<br />

ISK, der es immer verstanden hatte, nicht<br />

dorthin zu kommen, da er die Versagungen,<br />

die Strenge nicht auf sich nehmen wollte: ,Was,<br />

da willst du hin!? Dann kannst du ja gleich ins<br />

Kloster gehen!’ Das war natürlich etwas übertrieben.<br />

(Emmi Gleinig )<br />

Vierte Geschichte<br />

(Wie man nicht auf die <strong>Walkemühle</strong> kam)<br />

Eine Schülerin:<br />

“Ich weiß, dass Nelson einmal eine seiner<br />

Schülerinnen an der Universität zu Artur Kronfeld,<br />

einem Psychiater geschickt hat und den<br />

gefragt hat, ob er glaubt, dass dieser Mensch<br />

in einer solchen Organisation wie dem ISK<br />

mitarbeiten könnte. Er hat sich ja überlegt,<br />

dass er in den ISK und in die <strong>Walkemühle</strong><br />

Menschen hineinbekam, die das bewältigten.<br />

Da hatte er bei dieser jungen Frau Zweifel und<br />

bat sie, zu einem Psychiater zu gehen. Sie ist<br />

hingegangen, und nach dem Rat von Kronfeld<br />

hat er sich dann verhalten, sie ist keine Schülerin<br />

in der <strong>Walkemühle</strong> und auch kein<br />

ISK-Mitglied geworden. Das waren die Anfänge,<br />

wo Nelson wirklich manchmal dachte:<br />

,Das ist zuviel zugemutet, die schaffen das<br />

nicht.’ ” (Emmi Gleinig)<br />

Nur die fähigsten, geistig und körperlich gesunden<br />

Menschen wurden Schüler auf der<br />

<strong>Walkemühle</strong>. Dieselbe Schülerin der Erwachsenenabteilung<br />

berichtet:<br />

“Als Schüler der <strong>Walkemühle</strong> konnte man sich<br />

nicht aufs hohe Ross setzen, die Anforderungen<br />

der Schule waren einfach zu hoch, da wurde<br />

man schon kleinmütig.” Und angesprochen<br />

darauf, dass bei Nelson die psychologische<br />

Sicht sehr eingeschränkt war, meinte sie: “Die<br />

Seite ist bestimmt bei ihm zu kurz gekommen,<br />

weil er eben alles mit der Ratio machte. Wenn<br />

das Experiment in der <strong>Walkemühle</strong> länger<br />

gedauert hätte, wäre das auch noch gekommen,<br />

denn Minna hatte das.<br />

Nach Nelsons Tod hat man auch revidiert. Bei<br />

mir war das ja noch sehr streng, das war bis

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