Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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Nachdem die Genehmigung erteilt war, kam<br />
es zum Streit zwischen Wunder und Nelson.<br />
Wunder verließ daraufhin die <strong>Walkemühle</strong> am<br />
27. November 1924.<br />
Ein Dorfbewohner erinnert sich: “Ich war in der<br />
Eingangshalle des alten Fachwerkgebäudes.<br />
Da hat der Ludwig Wunder den Ofen so angeheizt,<br />
dass der rotglühend war. Ich habe<br />
gesagt: ,Ludwig, du steckst ja die ganze Mühle<br />
an!’ da hatte der schon Streit mit Specht und<br />
Nelson und sagt: ,Reg du dich nicht auf!’ Ich<br />
dachte mir, da stimmt doch was nicht, der will<br />
die alte Mühle noch anstecken. Und dann war<br />
er plötzlich weg.” (Johann Eckhardt )<br />
Der Landrat von Melsungen meldete die Gerüchte<br />
um den Weggang Wunders nach Kassel,<br />
nachdem er den Ländjäger (Polizisten auf dem<br />
Lande, wegen ihrer Uniform “die Grünen”<br />
genannt) beauftragt hatte, “Feststellungen zu<br />
treffen”. Der meldete, dass Wunder nach<br />
Aussage von Fräulein Specht, die jetzt Leiterin<br />
der Anstalt <strong>Walkemühle</strong> wurde , nicht wieder<br />
zurückkommt. Wunder reiste zuerst zu seiner<br />
Schwester nach Nürnberg, später gründete er<br />
noch einmal ein Landerziehungsheim in Herrlingen<br />
bei Ulm. Gleichzeitig mit Wunder verließen<br />
auch seine beiden Adoptivkinder sowie<br />
zwei Frauen, eine Lehrerin und ihre Mutter, die<br />
<strong>Walkemühle</strong>. (23)<br />
Im Bericht des Landjägers heißt es: “Der zuständige<br />
Bürgermeister sagt aus, dass ein Gerücht<br />
in Umlauf gewesen sei, Wunder habe sich<br />
mit Nelson überworfen. Nelson sei Wunder in<br />
politischen sowie in kirchlichen Beziehung zu<br />
radikal, er, Wunder, könne dies nicht mit seinem<br />
Gewissen verantworten. Dies sei auch der<br />
Grund für die plötzliche Abreise, etwa am 5.<br />
Dezember, gewesen.<br />
Inwieweit dies Gerücht auf Wahrheit beruht,<br />
muss festgestellt werden.<br />
gez. Fack<br />
Oberlandjäger.” (24)<br />
Wunder hatte also sehr plötzlich die Schule<br />
verlassen und hatte sich auch nicht in Adelshausen<br />
abgemeldet, obwohl er dort sogar als<br />
Gemeindeverordneter gewählt worden war.<br />
Niemand außerhalb der Schule wusste etwas<br />
Genaueres, und die, die es genau wussten, die<br />
in der Schule waren, waren äußerst zurückhaltend<br />
und schwiegen.<br />
20<br />
Das Schreiben des Landrats von Melsungen an<br />
die Regierung in Kassel baute dann allein auf<br />
Gerüchten auf. Es wurden die schon lange<br />
gehegten Bedenken wegen Wunders Persönlichkeit<br />
geäußert. Zu neuen Bedenken gaben<br />
auch die nachgereisten Frauen Anlass, politisch<br />
wurde er jedoch als “gemäßigt und idealdenkend”<br />
angesehen. Angefügt wurden noch<br />
Befürchtungen um die zukünftige Entwicklung<br />
der <strong>Walkemühle</strong>:<br />
“Mit dem Fortgehen von Wunder wird, wie ich<br />
stark befürchte, die Anstalt in ein bedeutend<br />
radikaleres Fahrwasser gelangen. Der Prof.<br />
Nelson ist, wie ich bereits in meinen früheren<br />
Berichten mir auszuführen erlaubt habe, politisch<br />
stark verdächtig gewesen. Ich darf<br />
nochmals meine Bitte vom 12. August 24<br />
wiederholen um Feststellung der politischen<br />
Tätigkeit und Einstellung von Prof. Nelson. Ich<br />
werde weiter die Angelegenheit im Auge<br />
behalten, muss aber betonen, dass jede irgendwie<br />
einwandfreie Feststellung unter den<br />
heutigen Verhältnissen außerordentlich<br />
schwierig ist.” (25)<br />
Ein ehemaliges IJB-Mitglied meint heute rückblickend<br />
dazu: “Es ging um die Leitung der<br />
Schule, und da beide sehr starke Persönlichkeiten<br />
waren, Nelson wie Wunder, hat sich<br />
keiner dem anderen unterordnen können. So<br />
ist einer gegangen: Wunder.” (Erna Blencke)