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Walkemühle - Rudolf Giesselmann

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In diesen Kursen, die meist von 14tägiger Dauer<br />

waren, bekamen ISK-Mitglieder oder ihnen<br />

nahestehende politisch Arbeitende Unterstützung<br />

in ihrer praktischen Arbeit (Emmi Gleinig).<br />

Die Kurse fanden getrennt vom übrigen<br />

Schulunterricht im Akademiegebäude statt,<br />

“denn die hatten für sich ihre Probleme.”<br />

(Hedwig Urbann)<br />

Einem Bericht der Gesellschaft der Freunde der<br />

Philosophisch-Politischen Akademie (GFA),<br />

dem Finanzierungsverein der <strong>Walkemühle</strong> ist<br />

dazu folgendes zu entnehmen:<br />

“Kurse:<br />

Vom 18. bis 21. Mai 1932 fand in der <strong>Walkemühle</strong><br />

ein Kurs mit rund 30 Lehrern statt. In der<br />

ersten Hälfte des Kurses wurde die Frage der<br />

Bekämpfung der Wirtschaftskrise unter der<br />

Leitung von Helmut v. Rauschenplat behandelt,<br />

in der zweiten Hälfte Schulfragen unter<br />

der Leitung von <strong>Rudolf</strong> Küchemann.<br />

Ebenfalls in der <strong>Walkemühle</strong> fand die vierte<br />

Pädagogische Woche der ,Freunde der sokratischen<br />

Methode’ statt, und zwar in der Zeit<br />

vom 6. bis 11. Oktober 1932. An der dritten<br />

Woche hatten neunzig Personen teilgenommen;<br />

zur vierten Woche lagen trotz der Krise<br />

erfreulicherweise wesentlich mehr Anmeldungen<br />

vor. Durch Ausladungen gerade solcher<br />

Lehrer, die schon an mehreren Pädagogischen<br />

Wochen teilgenommen hatten, wurde die Zahl<br />

der Teilnehmer auf neunzig begrenzt, die in der<br />

Hauptsache in vier Gruppen arbeiteten. ... Als<br />

Themen standen auf dem Kurs zur Diskussion:<br />

,Religion und Erziehung’ und ,Nation und<br />

Erziehung’. Beide Themen stellen heute jeden<br />

ernsthaften Lehrer vor Entscheidungen; denn<br />

der Kampf um ein Reichsschulgesetz droht. Die<br />

nationalistische Bearbeitung der Jugend wird<br />

von Staats wegen immer stärker erzwungen....<br />

Es gelingt selten, in einem Anfängerkurs in<br />

sokratischer Methode in der Lösung solcher<br />

Probleme wie die der beiden genannten in<br />

wenigen Tagen erheblich vorzudringen; zu<br />

zahlreich sind die Vorurteile, die über solche<br />

Dinge in den Köpfen festsitzen; zu groß die<br />

Verheerungen, die das Schlagwort und die<br />

verständnislose Lektüre unverständlicher Bücher<br />

auf diesen Gebieten angerichtet haben.<br />

Was aber bereits in einem Anfängerkurs gelingt,<br />

ist die Erschütterung der Vorurteile, das<br />

schrittweise Abbauen von Dogmen, das Wecken<br />

des Sinns für Kritik, für gewissenhafte Be-<br />

56<br />

handlung solcher Fragen. So wächst langsam<br />

eine Ahnung davon, dass es möglich ist, kraft<br />

eigenen Denkens hier sicheren Grund zu fassen,<br />

und aus längerer Übung in der sokratischen<br />

Methode erwächst dann die Gewissheit jener<br />

Möglichkeit: das sichere Selbstvertrauen der<br />

Vernunft.<br />

Der Weg dahin ist für die Erwachsenen mit<br />

besonders vielen Mühen gepflastert - wegen<br />

der Menge der Vorurteile, die sie mitbringen. -<br />

Für die Erwachsenen ist die sokratische Methode<br />

zunächst meist eine Schinderei: eine<br />

Schinderei freilich, deren heilsame Wirkung<br />

man bald spürt. Es war wohl auch auf dieser<br />

Woche der ,Freunde der sokratischen Methode’<br />

der stärkste Eindruck, Kinder in sokratischem<br />

Gespräch sehen, bei einem Thema,<br />

das der Erforschung nicht die Schwierigkeiten<br />

entgegensetzt, wie die Fragen der Religion, der<br />

Nation, der Erziehung. Dieses Mal hatten die<br />

Kinder zwei Themen vor: eins aus der Geometrie<br />

und das andere: wie groß die Wurzel aus 2<br />

ist. Ohne die Behinderung durch Vorurteile<br />

hantierten die etwa zwölfjährigen Jungen<br />

miteinander, mit einer Heiterkeit, einer so<br />

wohltuenden Ruhe, einer tiefen Vertraulichkeit<br />

mit den Dingen, die sie erst erforschten; alles<br />

das, ohne dass der Lehrer in das freie Spiel ihrer<br />

Selbsttätigkeit eingriff, indem er sich etwa<br />

selber zu dem Thema geäußert hätte. Es ist<br />

schwer, dies zu schildern, was so beglückend<br />

anzusehen und zu hören war, dass man stundenlang<br />

gespannt hätte zuhören können. Was<br />

hier in solcher Reinheit zum Ausdruck kam,<br />

enthüllte den tiefsten Sinn der sokratischen<br />

Methode: es geht um das heute fast verschüttete<br />

Gut der Geistesfreiheit; das will die<br />

sokratische Methode fassen. Den freien geistigen<br />

Verkehr der Geometrie und Arithmetik<br />

treibenden Kinder dort zu sehen, das zeigt<br />

schlagartig, was durch den Ansturm der kirchlichen<br />

und nationalistischen Reaktion auf die<br />

Schulen vernichtet wird.” (62)<br />

Damit ist das Kapitel über die Erwachsenenabteilung<br />

in der <strong>Walkemühle</strong> zu Ende. Bevor<br />

nun die Schule der Kinder beschrieben wird,<br />

soll dargestellt werden,

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