Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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Dozentin an der <strong>Walkemühle</strong> tätig gewesen<br />
war, zu ihrer Verstärkung der Bruder von Frau<br />
Minna Specht, ein Prof. Specht aus München<br />
und der damalige Rechtsanwalt Dr. Petzold<br />
aus Magdeburg, der später nach dem Kriege<br />
hier Präsident des Verwaltungsgerichtshofes<br />
gewesen ist.<br />
Ich hatte mich nun schon vorher auf den Termin<br />
vorbereitet, und ich war mit dem Regierungspräsidenten<br />
darüber einig geworden,<br />
dass wir ja nun irgendwie diese Beschlagnahme<br />
legalisieren müssten. Da war das einzige,<br />
worauf man sich stützen konnte, eine<br />
Verordnung über Beschlagnahme kommunistischen<br />
Vermögens, die meines Wissens im März<br />
‘33 ergangen war. Ich weiß nicht mehr genau,<br />
ob es eine preußische Verordnung war, dann<br />
ist sie im Preußischen Gesetzblatt 1933 abgedruckt,<br />
oder ob es eine Reichsverordnung war,<br />
dann ist sie im Reichgesetz zu finden.<br />
In dieser Verordnung stand, dass kommunistisches<br />
und ähnliches Vermögen - ich glaube, so<br />
hieß es - zugunsten des Staates beschlagnahmt<br />
werden könnte. Soweit aber für Beteiligte an<br />
dem Vermögen grundbuchliche Rechte eingetragen<br />
wären, müssten diese Rechte durch<br />
eine Entschädigung abgelöst werden. Nun<br />
hatte ich schon festgestellt, dass Frau Minna<br />
Specht in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin<br />
ein lebens-längliches Wohn- und Nutzungsrecht<br />
in der <strong>Walkemühle</strong> besaß, da hatte ich<br />
also schon dem Regierungspräsidenten gesagt:<br />
,Wenn überhaupt die Beschlagnahme<br />
vorgenommen werden kann nach dieser Verordnung,<br />
dann muss mindestens Minna Specht<br />
eine Entschädigung bekommen,’ eine Rente<br />
hieß es in dieser Verordnung. Nun trugen zunächst<br />
die Vertreter der <strong>Walkemühle</strong> ihre Beschwerde<br />
vor, beklagten sich vor allem darüber,<br />
dass man die ganze Bibliothek herausgerissen<br />
und auf dem Marktplatz von Melsungen<br />
öffentlich verbrannt hatte.(98) Nur die<br />
Bibliothek von Nelson befand sich noch in den<br />
Regalen; das haben wir bei dem Termin gesehen.<br />
Es gelang dem Regierungspräsidenten<br />
durch sein Eingreifen, diese Bibliothek zu retten,<br />
so dass sie nicht auch noch beschlagnahmt<br />
und verbrannt wurde.<br />
Nachdem nun die Damen und Herren der<br />
<strong>Walkemühle</strong> ihren Standpunkt vorgetragen<br />
hatten, kam nun die Gegenseite, die Partei, zu<br />
Wort, wo hauptsächlich der Kreisleiter Reinhardt<br />
das Wort ergriff und die <strong>Walkemühle</strong> als<br />
eine Brutstätte des Kommunismus schilderte.<br />
96<br />
Die vielen Neinstimmen, die sie bei der Abstimmung<br />
im März ‘33 gehabt hätten, rührten<br />
alle von der <strong>Walkemühle</strong> her. Die <strong>Walkemühle</strong><br />
müsse also mit Stumpf und Stiel ausgerottet<br />
werden. Dann wurde zum Vortrag des Rechtsstandpunktes<br />
mir das Wort erteilt. Ich<br />
erläuterte dann, wie es war.<br />
Dann zogen sich der Regierungspräsident und<br />
der Gauleiter allein zu einer Besprechung zurück,<br />
kamen nach einer Viertelstunde wieder,<br />
und der Regierungspräsident verkündete, der<br />
Beschwerde könne nicht in vollem Umfang<br />
stattgegeben werden. Es müsse beschlagnahmt<br />
werden aufgrund der Verordnung über<br />
die Beschlagnahme kommunistischen Vermögens,<br />
aber das im Grundbuch eingetragene<br />
Nutzungs-recht der Frau Specht müsse<br />
durch eine Rente - und die wurde damals,<br />
wenn ich mich recht erinnere, auf 200 Mark im<br />
Monat festgesetzt - abgegolten werden. Der<br />
Gauleiter nahm mit großem Missfallen diese<br />
Entscheidung des Regierungspräsidenten auf,<br />
und die Herren von der Partei und von der SA<br />
erhoben großen Protest. Er sagte: ,Wir haben<br />
hier nach Recht und Gesetz zu entscheiden.’<br />
Die Damen und Herren von der <strong>Walkemühle</strong><br />
waren nun erfreut, dass die Sache immerhin so<br />
ausging und dass dann in einer weiteren Besprechung<br />
die Bibliothek von Nelson gerettet<br />
wurde.<br />
Damit war die Sache vorbei, und ich hörte<br />
dann nichts mehr davon. Erst als ich bereits<br />
kommissarischer Landrat in Wolfhagen war, da<br />
erschien eines Tages, vielleicht im Juli ‘33,<br />
Minna Specht bei mir und bat mich um eine<br />
Unterredung unter vier Augen. Ich ging mit ihr<br />
in unseren landrätlichen Garten, und sie sagte<br />
mir, die Rente, die sie anfangs bekommen<br />
hätte, wäre ihr nun entzogen worden, und sie<br />
wolle nun in die Emigration gehen. Bevor sie<br />
aber in die Emigration ginge, bäte sie mich um<br />
eine Bescheinigung, dass es sich bei der Philosophisch-Politischen<br />
Akademie zu Göttingen<br />
nicht um eine kommunistische Organisation<br />
gehandelt hätte, sondern um eine parteilose,<br />
in erster Linie philosophisch-pädagogisch orientierte<br />
Einrichtung. Ich tat das dann auch, ich<br />
stellte ihr diese Bescheinigung aus, obwohl es<br />
für mich damals ein gewisses Risiko war, in ‘33,<br />
als staatlicher Landrat.<br />
Mir persönlich hat die Partei damals mein Auftreten<br />
in der <strong>Walkemühle</strong> ungeheuer übelgenommen.<br />
Als später die <strong>Walkemühle</strong> Schulungsstätte<br />
war, wurde immer von den Par-