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Walkemühle - Rudolf Giesselmann

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Der theoretische Unterricht begann nach etwa<br />

einem halben Jahr.<br />

Ein ehemaliger Schüler schreibt dazu:<br />

“Nachdem diese Periode (der praktischen<br />

Arbeit) abgeschlossen war, wurde unsere romantische<br />

jugendliche Begeisterung für ein<br />

Leben im Dienst der sozialistischen Revolution<br />

abgelöst durch die praktische Überzeugung<br />

von der Notwendigkeit geduldiger Arbeit ohne<br />

jeden Glorienschein. (...) In dieser Geisteshaltung<br />

gingen wir an unsere theoretische Arbeit<br />

heran. Auch da erwartete uns eine Überraschung:<br />

Ehe wir uns auseinander setzten mit<br />

dem historischen Materialismus, mit der<br />

Mehrwerttheorie, mit den Begriffen der Freiheit<br />

und der Gerechtigkeit und dem Sinn der<br />

Menschenwürde, mussten wir uns im logischen<br />

Denken üben. Aus diesem Grunde widmeten<br />

wir uns sechs Monate lang der Mathematik,<br />

aber nicht wie in der Schule, in der wir daran<br />

gewöhnt waren, die Beweise von Lehrsätzen<br />

auswendig zu lernen. Hier wurden wir angeleitet,<br />

die Lösungen selber zu finden. Der Vormittag<br />

war sokratischen Diskussionen gewidmet;<br />

nach und nach erwarben wir Kenntnisse<br />

und empfanden dabei die Freude und die<br />

innere Befriedigung, der Kraft unseres Verstandes<br />

und des Vermögens unserer Vernunft<br />

bewusst zu werden.<br />

Am Nachmittag wurden<br />

Protokolle über die Diskussionen<br />

geschrieben,<br />

die dahin führen sollten,<br />

die Ausgangspunkte für<br />

die Arbeit des nächsten<br />

Tages zu finden. Diese<br />

geistige Konzentration<br />

auf eine strenge und<br />

unerbittliche Methode<br />

hat ein gesundes<br />

Selbstvertrauen in uns<br />

geweckt: die Probleme<br />

schreckten uns nicht<br />

mehr, wir hatten gelernt,<br />

mit einem Werkzeug<br />

umzugehen, mit dem<br />

wir Argumente und Theorien<br />

sezieren konnten.<br />

Nach der gleichen Methode<br />

studierten wir<br />

später Philosophie,<br />

Nationalökonomie und<br />

die Geschichte der<br />

Arbeiterbewegung.” (38)<br />

31<br />

terbewegung.” (38)<br />

Ein Lehrer erinnert sich:<br />

“Mit einer Schülergruppe, mit der ich ein halbes<br />

Jahr praktisch zusammen-gearbeitet hatte,<br />

habe ich dann das Winterhalbjahr mit sokratischem<br />

Mathematikunterricht angefangen.<br />

Soviel ich mich erinnere, ging das immer im<br />

Drei-Wochen-Zyklus: Eine Gruppe hatte drei<br />

Wochen Mathematikunterricht bei mir, dann<br />

hatte eine andere Gruppe gleichzeitig bei<br />

Rauschenplat Volkswirtschaft; und wenn noch<br />

eine dritte Gruppe da war, hatte die historischen<br />

oder philosophischen Unterricht bei<br />

Minna Specht.<br />

Nachdem die Gruppen drei Wochen in einem<br />

Bereich unterrichtet worden waren, wechselten<br />

die Bereiche. Diejenigen, die z.B. bei mir<br />

Mathematik gehabt hatten, gingen die<br />

nächsten drei Wochen zu Rauschenplat und<br />

wieder drei Wochen darauf zu Minna Specht in<br />

den Unterricht. Kam die Gruppe dann wieder<br />

zu mir, ging es in der Mathematik dort am<br />

gleichen Thema weiter, wo wir gerade aufgehört<br />

hatten.

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