Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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In der Tischlerei befinden sich eine Bandsäge, eine<br />
Hobelmaschine, eine Fräsmaschine, eine große Kreissäge,<br />
eine Langlochbohrmaschine, ein Leimofen, drei<br />
Hobelbänke. Die Maschinen werden von drei Elektromotoren<br />
von zusammen elf PS angetrieben. Den Betriebsstrom<br />
liefern zwei Wasserturbinen, welche durch<br />
den Pfieffebach getrieben werden.<br />
Das Physikzimmer im ersten Stock ist zugleich als Lehrzimmer<br />
und als Schülerlaboratorium nach modernen Gesichtspunkten<br />
ausgestattet. Es enthält zwei große<br />
Schalttafeln für hoch- und niedriggespannten Gleichstrom,<br />
Wechselstrom und Drehstrom, sowie für<br />
Schwachstrom einer Akkumulatorenbatterie. Es enthält<br />
ferner eine zweipferdige Generatorenmaschine für Gleich-,<br />
Wechsel- und Drehstrom, zu Schaltungsversuchen der<br />
Schüler eingerichtet. Neun Arbeitsplätze können von<br />
einer besonderen Stromverteilungstafel mit Strömen jeder<br />
Spannung und Stärke einzeln versehen werden. Ein<br />
Lichtbildapparat und ein Spiegelgalvanometer vervollständigen<br />
die elektrische Einrichtung. Dazu kommen<br />
noch die Wasserleitung und die Gasleitung, welche<br />
durch Gasolingas gespeist wird, das in einem besonderen<br />
Gaserzeugungsapparat hergestellt wird. Endlich läuft an<br />
der Decke sämtlicher vier Zimmer des ersten Stockwerks<br />
eine Welle entlang, welche von einem 4-PS-Motor angetrieben<br />
wird und welche in jedem der vier Zimmer<br />
verschiedene Riemenscheiben zum Antrieb physikalischer<br />
und chemischer Apparate und Maschinen trägt.<br />
Im Vorbereitungszimmer des Physikraums befindet sich<br />
in den Schränken eine Anzahl ausgewählter physikalischer<br />
Apparate und Gerätschaften.<br />
Ähnlich, jedoch einfacher ist der chemische Unterrichtsraum<br />
ausgestattet. Die Ausstattung des Biologiezimmers<br />
und des Zeichensaals sind noch nicht vollständig.<br />
III. Lehrkräfte. Für Unterricht und Erziehung stehen jetzt<br />
drei Lehrkräfte zur Verfügung:<br />
1) Die Lehrerin und geprüfte Oberlehrerin Frl. Minna<br />
SPECHT für Mathematik, Geographie und Geschichte.<br />
Sie legte ihre Universitätsstudien und ihre beiden<br />
Lehramtsprüfungen für Mathematik einerseits, für Ge ographie<br />
und Geschichte andererseits in Göttingen ab und<br />
arbeitete dann einige Zeit unter Hermann Lietz im Landerziehungsheim<br />
Haubinda. Schließlich ergänzte sie ihre<br />
Studien durch das Studium der Philosophie und der<br />
sokratischen Unterrichtsmethode bei Prof. Nelson in<br />
Göttingen. Frl. Specht ist in den Kreisen der Landerziehungsheime<br />
und der entschiedenen Schulreformer als<br />
eine der hervorragendsten Lehrerinnen bekannt.<br />
2) Die Lehrerin und geprüfte Oberlehrerin für Mathematik<br />
und Deutsch, Frl. Julie POHLMANN, aus Hannover. Sie<br />
erteilt mit Frl. Specht auf Grund ihres Lehrerinnenex-<br />
15<br />
amens den Unterricht der vorschul- und grundschulpflichtigen<br />
Kinder.<br />
3) Ich selbst, Ludwig WUNDER, geprüfter Oberlehrer für<br />
Naturwissenschaften, erteile den gesamten Unterricht in<br />
den Naturwissenschaften. Ich habe in Erlangen und<br />
München studiert und in München das Maximilianeum<br />
besucht. Meine Lehramtsprüfungen habe ich in München<br />
abgelegt. Ich war ein Jahr lang A ssistent für Chemie<br />
an der Akademie der Wissenschaften in München, zwei<br />
Jahre lang Assistent für den naturwissenschaftlichen<br />
Unterricht an der Realschule in Schweinfurt und kam<br />
dann als naturwissenschaftlicher Lehrer zu Hermann<br />
Lietz nach Haubinda. Als Lehrer und Leiter des Landerziehungsheims<br />
Schloss Bieberstein blieb ich 9,5 Jahre<br />
lang bei Lietz. Nach dem Kriege war ich nochmals kurze<br />
Zeit Leiter von Haubinda und gründete dann hier mein<br />
Erziehungsheim.<br />
IV. Schüler. Wir haben bis jetzt 4 kleine Kinder und 4<br />
große Schüler. Von den kleinen Kindern sind 2 Mädchen<br />
von 2,5 und 7 Jahren und 2 Knaben von 5,5 und 8,5 Jahren.<br />
Von den großen Schülern ist der jüngste 17, der älteste 22<br />
Jahre alt. Die bis jetzt so geringe Zahl der Schüler und die<br />
Lücke in den Altersstufen erklären sich aus der Tatsache,<br />
dass unsere Neubauten und Lehreinrichtungen soeben<br />
erst fertig geworden sind. Wir beabsichtigen, diese Lücke<br />
nun so rasch auszufüllen, als es die immerhin<br />
schwierige Auswahl der Kinder für unseren besonderen<br />
Erziehungszweck erlaubt. Unsere ganze kostspielige<br />
Einrichtung wäre sinnlos, wenn wir nicht die Kontinuität<br />
der Altersstufen herstellen würden.<br />
Die Möglichkeit der Erziehung unserer Kinder nach dem<br />
Erziehungsplan hängt durchaus davon ab, dass wir die<br />
Erlaubnis erhalten, den gesamten Unterricht dieser<br />
Kinder, auch soweit die grundschulpflichtigen Jahre in<br />
Frage kommen, in unserer Hand zu behalten. Würden wir<br />
gezwungen, die grundschulpflichtigen Kinder in die<br />
Grundschule nach Adelshausen zu schicken, so würde<br />
damit die Einheitlichkeit unserer ganzen Erziehung<br />
durchbrochen, und die Kinder selbst würden in<br />
unvermeidliche Konflikte gebracht.<br />
Die Bedenken, welche mit guten Gründen gegen die<br />
Gesuche der Privatschulen um Dispens von der Ve rpflichtung,<br />
ihre Kinder in die Grundschule zu senden,<br />
erhoben werden müssen, dürften bei unserem Erziehungsheim<br />
deshalb hinfällig sein, weil die strenge Organisation<br />
der Schule, ihre finanzielle Unabhängigkeit<br />
und die geringe abgeschlossene Kinderzahl den Eltern<br />
gar keine Möglichkeit bieten, ihre Kinder vor der<br />
Grundschulverpflichtung in unser Erziehungsheim zu<br />
flüchten. Außerdem müssen wir, schon um den Ansprüchen<br />
auszuweichen, welche gutsituierte Eltern im<br />
allgemeinen an die Erzieher ihrer Kinder stellen und<br />
welche uns an der kompromisslosen Durchführung unseres<br />
Planes hindern würden, vorwiegend Kinder armer<br />
Eltern nehmen, welche kein Interesse daran haben, der<br />
Grundschulpflicht auszuweichen.