Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
Walkemühle - Rudolf Giesselmann
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Sicht von außen<br />
Viele waren arbeitslos in Adelshausen, und die<br />
Unterstützung war meist zu gering, um sich<br />
davon auch nur satt essen zu können. So entstand<br />
die Idee, durch ein Stück Land zu<br />
Selbstversorgern zu werden.<br />
Ein Einwohner aus Adelshausen erzählt:<br />
“Durch das Bekanntwerden mit der <strong>Walkemühle</strong><br />
kam das bei uns in Gang. Wenn einer<br />
was hatte, mit der Arbeitslosenversicherung<br />
oder so, dann ging er zur <strong>Walkemühle</strong>. Das<br />
waren ja ganz ganz hochgestellte Leute da,<br />
die konnten einem schon helfen. Und am<br />
zweiten Weihnachtstag 1924 wurde dann von<br />
8-10 Mann in der <strong>Walkemühle</strong> der Siedlungsverein<br />
gegründet. Die anderen Arbeiten, die<br />
dann nötig waren, das nun in die Tat umzusetzen,<br />
hat dann die <strong>Walkemühle</strong> übernommen.<br />
Minna Specht, Ihlenfeld und Eichler und<br />
wie sie alle hießen. Rechtsanwalt Lewinski hat<br />
uns beim Land Hessen unentgeltlich vertreten,<br />
denn das Land, was wir gepachtet haben,<br />
gehörte zur Domäne, zu einem Staatsgut.<br />
Alleine hätten wir es vielleicht gar nicht geschafft,<br />
denn die in Malsfeld haben das zu der<br />
Zeit auch versucht und haben keinen Erfolg<br />
gehabt.<br />
Die vielen Arbeitslosen zu der Zeit bei uns w aren<br />
froh, dass jeder ein Stückchen Land kriegte. Er<br />
brauchte kein Geld mehr für das Essen auszugeben,<br />
er konnte Kartoffeln anbauen, er<br />
konnte ein Schwein schlachten, da hatte er<br />
Milch - manche hatten auch zwei Kühe. Insgesamt<br />
waren es siebzig Morgen, die von der<br />
Domäne abgetrennt wurden. (4 Morgen = 1 ha,<br />
R.G.)<br />
Es heißt im § 1 der Satzung des Kleinpacht - und<br />
Siedlungsvereins Adelshausen, ,...der den<br />
Zweck hat, seinen Mitgliedern die Pachtung<br />
von fremden und eigenen Äckern und Wiesen<br />
zu angemessenen Preisen zu vermitteln, sonstige<br />
gemeinnützige und soziale Bestrebungen<br />
zu fördern, den Zusammenschluss und die Einigkeit<br />
seiner Mitglieder zu pflegen...’<br />
Die Minna Specht war die ganze Zeit mit im<br />
Vorstand des Siedlungsvereins. 1933 musste sie<br />
dann ausscheiden, jetzt mussten wir doch<br />
gleichgeschaltet werden. Wir mussten in Mel-<br />
50<br />
sungen vor dem Amtsgericht einen neuen<br />
Vorstand bilden, und wir mussten die Garantie<br />
geben, dass da mindestens 52 % nationalistisch<br />
eingestellt waren. Unsere Satzung wurde dabei<br />
auch geändert.<br />
Im letzten Jahr (1975, R.G.) haben wir dann den<br />
Siedlungsverein aufgelöst, es waren keine Interessenten<br />
für das Land mehr da. Ein Teil davon<br />
haben jetzt Bauern gepachtet, den anderen<br />
Teil hat die Stadt Melsungen als Baugelände<br />
vorgesehen.”(Johann Eckhardt)<br />
Ein anderer Dorfbewohner erinnert sich noch<br />
an die <strong>Walkemühle</strong>:<br />
“Das waren ganz andere Menschen als wir, die<br />
stellten keine Mausefallen auf und machten<br />
aus Öl und Kokosfett Schmalz. Manchmal,<br />
machte man hier im Dorf eine Spinnstube, da<br />
sind sie hochgekommen.<br />
Und bei dem Kuchen, der gebacken war,<br />
haben sie immer gefragt, ob da tierische Fette<br />
drin sind. Die haben auch nie mitgetrunken,<br />
aber die Abende waren immer sehr schön.<br />
Die halfen auch manchmal den Bauern. Wenn<br />
jemand auf dem Feld war und hat gearbeitet:<br />
Ohne dass der das gewollt hat, sind sie hingegangen<br />
und haben einfach geholfen. Geld<br />
nahmen die dafür nie, für Geld haben die<br />
nichts gemacht.<br />
Einmal waren so viele Lehrer für vier Wochen zu<br />
einem Kurs in der <strong>Walkemühle</strong>, dass sie dort<br />
nicht alle schlafen konnten, da wohnten dann<br />
welche im Dorf. Zwei hatten wir dann im Haus.<br />
Die hatten aber noch den Klassendünkel und<br />
haben gar nicht verstanden, dass die aus der<br />
<strong>Walkemühle</strong> sich mit uns unterhalten haben.<br />
Bei Minna Spechts Tod vor ein paar Jahren, bin<br />
ich dann noch mit einigen Adelshäusern nach<br />
Bremen zur Beerdigung gefahren, die hatte<br />
nämlich viel für uns getan.” (Justus Eckhardt)<br />
Ganz andere Erinnerungen hatte ein Pfarrer<br />
aus Dagobertshausen, einer Nachbargemeinde<br />
von Adelshausen. Er schrieb mir dazu<br />
folgendes auf: