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Walkemühle - Rudolf Giesselmann

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Nicht dass Nelson persönlich eine große Distanz<br />

zu Frauen gehabt hätte; er war sehr an Frauen<br />

interessiert.” (Gustav Heckmann)<br />

“Ich kann in aller Ruhe sagen, Beziehungen<br />

zwischen Männern und Frauen waren verboten,<br />

und wenn es bekannt wurde, dann wurde<br />

man von der Mühle verwiesen. Die Regel haben<br />

wir uns selber gegeben, um der Deutlichkeit<br />

halber, um in der Bevölkerung nicht die<br />

Rederei entstehen zu lassen: Mensch, das ist ein<br />

Puff, denn wir waren mehr weibliche Wesen als<br />

männliche Wesen auf der <strong>Walkemühle</strong>.<br />

Es wurde auch rigoros verfahren. Wenn irgendwas<br />

bekannt wurde, musste derjenige die<br />

Mühle verlassen. Aus meiner Zeit kenne ich einen<br />

einzigen Fall: Da gab es noch nicht einmal<br />

Spannungen, ich sah den morgens früh mit<br />

Gepäck aus dem Gebäude kommen, wo<br />

unsere Koffer gestapelt waren. Ich<br />

sprach: ,Was ist denn mir dir los, wo willst du<br />

denn hin?’ Er sprach: ,Ich fahre heim.’ Zack,<br />

weg war er. Da hat auch keiner mehr gefragt<br />

weshalb. Aber wir haben uns auch in dieser<br />

Beziehung alle schwer am Riemen gerissen und<br />

in der Gewalt gehabt.” (Willi Warnke)<br />

“Die sexuelle Frage war für uns tabu, völlig<br />

ausgeklammert, sie wurde einfach totgeschwiegen,<br />

es war selbstverständlich. Ich hab<br />

eine gute Nase und gute Ohren. Zwischen<br />

denen, wo was war, gab es bestimmt keine<br />

sexuellen Beziehungen. Wir lebten so dicht<br />

beieinander, da merkt man das ja. Der eine<br />

hatte zu dem anderen etwas nähere Beziehungen,<br />

wie zur Gesamtheit, da war aber alles<br />

platonisch.” (Helmut Schmalz)<br />

“Einige haben die strengen Forderungen dann<br />

nicht durchgestanden. Bei einer Exkursion auf<br />

das Land ist ein Junge auf dem Bauernhof<br />

geblieben und hat die Tochter des Bauern<br />

geheiratet.” (Emmi Gleinig)<br />

Diese Begebenheit hat sich als Gerücht erwiesen,<br />

aber Bestehen und Wachsen dieses<br />

Gerüchts sind möglicherweise auch Ausdruck<br />

der Gefühle und Phantasien, die man unter<br />

den strengen Bedingungen hatte. Ein Helfer<br />

stellte die tatsächliche Begebenheit dar:<br />

“Der dort Genannte ist nicht wegen der<br />

Tochter des Bauern wieder in das Dorf gegangen,<br />

hat sie auch nicht geheiratet. Ich war<br />

und bin sehr mit ihm befreundet und konnte<br />

auch erst vor einigen Jahren diesen allgemein<br />

verbreiteten Irrtum aufklären. Er wollte Bauer<br />

67<br />

werden und hat dort eine abgeschlossene<br />

Lehre als Landwirt absolviert.” (Willi Schaper)<br />

Eine Mitarbeiterin Nelsons:<br />

“Die Frage der persönlichen Bindungen wurde<br />

als Hindernis für politische Arbeit angesehen.<br />

Ehepaare und gemütliche Kinderstubenatmosphäre<br />

gab es nicht. Wir hatten gesehen,<br />

wohin das führt.<br />

Es gab Leute in der Umgebung, die konnten<br />

sich das gar nicht vorstellen, dass im Dämmerlicht<br />

nicht genau das Gegenteil von dem<br />

getan wurde, was wir öffentlich vertraten. Es<br />

gab sicher auch junge Leute, die verliebt ineinander<br />

waren, die dem aber nicht nachgegeben<br />

haben. Die Schule war frei von<br />

Heuchlern. Manchen wurde es dann auch zu<br />

schwer, die verließen dann die <strong>Walkemühle</strong><br />

wieder und heirateten draußen.<br />

Alles Tun in der <strong>Walkemühle</strong> stand in Verbindung<br />

mit dem Erwerb von Fähigkeiten für die<br />

politische Auseinandersetzung draußen, fähig<br />

zu werden, den drohenden Nazismus abzuwenden.<br />

Hitlers Buch ,Mein Kampf’ war uns<br />

bekannt, wo ja schon genau drin stand, was<br />

alles mit den Juden geschehen sollte.” (Nora<br />

Platiel)

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