Jahresbericht 2012 (PDF) - Institut für Europäische Geschichte der ...
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58 Umgang mit Differenz in Europa – Forschungstätigkeit <strong>2012</strong><br />
Thomas Weller<br />
Mit <strong>der</strong> Bezugnahme auf die Menschheit als ideelle Personengesamtheit abstrahieren humanitäre<br />
Konzepte und Praktiken einerseits von den genannten Differenzen bzw. versuchen<br />
letztere zu transzendieren. An<strong>der</strong>erseits bringen sie in <strong>der</strong> praktischen Anwendung neue<br />
Unterschiede hervor, etwa durch die Trennung zwischen Helfenden und Hilfsbedürftigen<br />
o<strong>der</strong> durch gewaltsame Mittel humanitärer Intervention. Diesem Grundparadoxon <strong>der</strong> Generierung<br />
von Unterscheidungen durch eine Differenz überspannende Leitidee und den daraus<br />
resultierenden Ambivalenzen <strong>der</strong> zu untersuchenden Humanitätskonzepte und -praktiken gilt<br />
das beson<strong>der</strong>e Augenmerk des Forschungsbereichs.<br />
Im Mittelpunkt steht zum einen die Erforschung innereuropäischer Prozesse, die zum Bedeutungszuwachs<br />
humanitärer Fragen und zur Ausdifferenzierung verschiedener Humanitätsverständnisse<br />
beigetragen haben. Zum an<strong>der</strong>en geht <strong>der</strong> Forschungsbereich <strong>der</strong> Frage nach,<br />
inwiefern sich <strong>der</strong> Diskurs über Humanität in <strong>der</strong> kolonialen Begegnung mit außereuropäischen<br />
Kulturen verän<strong>der</strong>te und welche Faktoren zur Profilierung eines Humanitätsverständnisses<br />
beigetragen haben, das als »typisch« europäisch wahrgenommen wurde.<br />
Im Forschungsbereich sind die folgenden Module und Projekte angesiedelt:<br />
1. Humanität und humanitäre Normen<br />
Das Modul fragt nach <strong>der</strong> ideengeschichtlichen Entstehung humanitärer Normen und ihrer<br />
praktischen Durchsetzung von <strong>der</strong> Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhun<strong>der</strong>t im Spannungsfeld<br />
von Religion, Völkerrecht und Menschenrechten. Über gesellschaftliche Diskurse zu zentralen<br />
Themen wie <strong>der</strong> Sklaverei und dem menschlichen Leid im Krieg, so die zentrale Annahme,<br />
kam es über den Zeitraum von vier Jahrhun<strong>der</strong>ten zur Herausbildung humanitärer Normen,<br />
die im 19. und 20. Jahrhun<strong>der</strong>t durch zivilgesellschaftliche Akteure propagiert und mit Hilfe<br />
militärischer und ziviler Mittel implementiert wurden.<br />
a) Der Antisklavereidiskurs zwischen frühneuzeitlicher Kritik und Abolitionismus<br />
Das Projekt untersucht den Antisklavereidiskurs im Übergang vom Ancien Régime zur Mo<strong>der</strong>ne.<br />
Dabei wird sich <strong>der</strong> Blickwinkel zunächst auf den spanischsprachigen Raum konzentrieren.<br />
Einerseits äußerten spanischsprachige Autoren schon im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t Kritik an Sklavenhandel<br />
und Sklaverei, an<strong>der</strong>erseits verschaffte sich <strong>der</strong> Abolitionismus als politische Bewegung auf<br />
<strong>der</strong> Iberischen Halbinsel erst sehr spät Gehör. Spanien gehörte zu den letzten Kolonialmächten,<br />
die Sklavenhandel und Sklaverei in ihren überseeischen Besitzungen abschafften. Ausgehend<br />
von diesem scheinbar paradoxen Befund verfolgt das Projekt eine doppelte Zielsetzung: Zum<br />
einen soll nach Kontinuitäten und Wandel des Antisklavereidiskurses gefragt werden. Dabei<br />
wird sich das Augenmerk insbeson<strong>der</strong>e auf die Rezeption <strong>der</strong> älteren religiös fundierten Kritik<br />
durch die in Spanien stark säkular geprägte Antisklavereibewegung des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts richten.<br />
Zum an<strong>der</strong>en sollen Transferbeziehungen zwischen dem angloamerikanischen Abolitionis-