Lues im Mund - Zm-online
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14 Nachrichten<br />
Symposium Zukunft des Gesundheitswesens<br />
Massive Umwälzungen prognostiziert<br />
Das deutsche Gesundheitswesen<br />
wird sich in den nächsten zehn<br />
Jahren eklatant verändern und<br />
dabei auch vornehmlich an öko-<br />
nomischen Gesichtspunkten aus-<br />
richten. Diese Prognose gaben<br />
Vertreter aus den Bereichen der<br />
Leistungserbringer, der Gesund-<br />
heitsökonomie und der Politik<br />
auf einem Symposium der apo-<br />
Bank und Novartis in Düsseldorf.<br />
Dr. Norbert Hültenschmidt von<br />
der Unternehmensberatung<br />
Bain & Company konstatierte,<br />
dass sich trotz jahrzehntelanger<br />
Diskussionen <strong>im</strong> deutschen Ge-<br />
sundheitswesen kaum etwas<br />
Prinzipielles verändert habe. Erst<br />
der nicht in den Griff zu bekom-<br />
mende Anstieg der Ausgaben <strong>im</strong><br />
Gesundheitsbereich und die<br />
enorme Staatsverschuldung<br />
dienten der Politik als Katalysato-<br />
ren für Anpassungsprozesse des<br />
Krankenversicherungssystems<br />
und dessen Herausforderungen.<br />
Für Hültenschmidt ist die Ge-<br />
sundheitswirtschaft zugleich ein<br />
gutes Beispiel der weltweiten<br />
Verschiebung von Wirtschaftsbe-<br />
reichen, in denen zukünftig Profi-<br />
te zu erzielen sind. Gegenwärtig<br />
würden die falschen Anreize für<br />
die Leistungserbringer das Sys-<br />
tem best<strong>im</strong>men: Nicht an Krank-<br />
heiten müsse man verdienen<br />
können, sondern vielmehr an der<br />
Gesunderhaltung der Menschen.<br />
zm 102, Nr. 14 A, B, 16.7.2012, (998)<br />
Foto: <strong>im</strong>ageshop<br />
Hültenschmidt forderte einen Pa-<br />
radigmenwechsel: Man müsse<br />
von der Krankenbehandlung als<br />
Grundmax<strong>im</strong>e zu einem proakti-<br />
ven Gesundheitsmanagement<br />
gelangen.<br />
Prof. Reinhard Rychlik von der<br />
Ruhr-Universität Bochum nannte<br />
es entscheidend, dass die Basis<br />
derer erweitert wird, die das Sys-<br />
tem finanzierten. Neben dem Ar-<br />
beitslohn müssten auch andere<br />
Einkommensarten bei der Bei-<br />
tragsbemessung herangezogen<br />
werden, „sonst ist das System<br />
nicht länger zu finanzieren“, so<br />
Rychlik. Auch würde man nicht<br />
um höhere Versichertenbeiträge<br />
herum kommen, wolle man den<br />
Status quo des gegenwärtigen<br />
GKV-Leistungskataloges aufrecht<br />
erhalten.<br />
Auf die zunehmende Notlage der<br />
Gesundheitsversorgung in ländli-<br />
chen Gebieten wies der Vor-<br />
standsvorsitzende der Kassen-<br />
ärztlichen Vereinigung Nord-<br />
rhein, Dr. Peter Potthoff, hin.<br />
Schon heute stünde man beson-<br />
ders in ländlichen Gebieten vor<br />
erheblichen logistischen Proble-<br />
men, „dies dürfte sich noch ver-<br />
schärfen“, so Potthoff. Es bräuch-<br />
te viel mehr sektorenübergreifen-<br />
de Versorgungspfade und ver-<br />
netzte Ärztestrukturen, um das<br />
Gesundheitssystem zukunftsfest<br />
zu machen.<br />
Einer verbesserten technischen<br />
Vernetzung der IT-Schnittstellen<br />
st<strong>im</strong>mte auch der parlamentari-<br />
sche Staatssekretär <strong>im</strong> Bundesmi-<br />
nisterium für Bildung und For-<br />
schung, Dr. Helge Braun, zu. „Bei<br />
einer Patientin, die heute mit<br />
Brustkrebs in eine Klinik eingelie-<br />
fert wird, werden die Behand-<br />
lungsdaten in 42 verschiedenen<br />
Datenbanken gesammelt.“ sg<br />
Unikliniken<br />
Zunehmende Finanzprobleme<br />
Nach Angaben des Verbands der<br />
Universitätsklinika Deutschlands<br />
(VUD) stehen den Unikranken-<br />
häusern <strong>im</strong>mer weniger finan-<br />
zielle Mittel zur Verfügung. Dies<br />
werde sich in Zukunft noch ver-<br />
schärfen. „Auch nachgewiesen<br />
leistungsstarke Klinika geraten in<br />
die roten Zahlen. Die Ergebnisse<br />
Foto: aufrecht-photocase.com<br />
verschlechtern sich flächende-<br />
ckend“, erklärte der VUD-Vorsit-<br />
zende Prof. Michael Albrecht auf<br />
dem 8. VUD-Innovationskon-<br />
gress in Berlin. 2012 werde<br />
voraussichtlich nur noch jedes<br />
siebte Uniklinikum ein positives<br />
Betriebsergebnis erwirtschaften.<br />
Albrechts Angaben zufolge ha-<br />
ben die Finanzprobleme mehrere<br />
Ursachen. Zum einen bekämen<br />
die Krankenhäuser keine leis-<br />
tungsgerechten Mittel zur Verfü-<br />
gung gestellt, um die Preissteige-<br />
rungen beispielsweise bei Perso-<br />
nal und Medikamenten auszu-<br />
gleichen. Zum anderen seien die<br />
finanziellen Reserven der Unikli-<br />
niken fast aufgezehrt. eb<br />
Reizthema Beschneidung<br />
Musl<strong>im</strong>e fordern gesetzliche Garantie<br />
Musl<strong>im</strong>ische Organisationen ver-<br />
langen vom Bundestag ein ge-<br />
setzlich garantiertes Recht auf<br />
Beschneidung. Ihr Argument:<br />
Nur so könne nach dem vom<br />
Landgericht Köln verfügten Be-<br />
schneidungsverbot wieder<br />
Rechtssicherheit für Millionen<br />
von musl<strong>im</strong>ischen Familien in<br />
Deutschland geschaffen werden.<br />
„Wir fordern den deutschen Bun-<br />
destag sowie die Politik auf,<br />
schnellstmöglich zu handeln und<br />
eine gesetzlich geschützte Rege-<br />
lung für die Beschneidung von<br />
Jungen zu erlassen“, heißt es in<br />
einer in Köln verbreiteten Erklä-<br />
rung des Koordinationsrates der<br />
Musl<strong>im</strong>e und anderer musl<strong>im</strong>i-<br />
scher Organisationen.<br />
Vor Kurzem hatte das Gericht re-<br />
ligiöse Beschneidungen als straf-<br />
bare Körperverletzung einge-<br />
stuft. Das Recht des Kindes auf<br />
körperliche Unversehrtheit und<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mung wiege in die-<br />
sem Fall schwerer als der Eltern-<br />
wille und die Religionsfreiheit, ur-<br />
teilte das Gericht.<br />
„Die Situation ist die, dass die<br />
musl<strong>im</strong>ischen Eltern vor einem<br />
großen Gewissenskonflikt ste-<br />
hen“, sagte der Sprecher des Ko-<br />
ordinationsrates, Ali Kizilkaya.<br />
„Wir wollen auch keinen Be-<br />
schneidungstourismus ins Aus-<br />
land, das muss der Gesetzgeber<br />
auch bedenken.“<br />
Auf die Frage, ob auch ein Gang<br />
vor das Bundesverfassungsge-<br />
richt denkbar wäre, sagte Kizil-<br />
kaya: „Wir sind noch in der Bera-<br />
tung, wir haben noch keine ab-<br />
schließende Entscheidung ge-<br />
troffen.“ Eigentlich gehe man<br />
fest davon aus, dass dies nicht<br />
nötig sein werde, weil der Bun-<br />
destag eine entsprechende ge-<br />
setzliche Regelung schaffen wer-<br />
de. mg/dpa