26.02.2013 Aufrufe

Lues im Mund - Zm-online

Lues im Mund - Zm-online

Lues im Mund - Zm-online

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sparen ohne<br />

Ende<br />

„Der Reichtum gleicht dem Seewasser. Je<br />

mehr man davon trinkt, desto durstiger<br />

wird man.“ Passt diese Erkenntnis von<br />

Arthur Schopenhauer nicht auch auf<br />

die Situation der gesetzlichen Kranken-<br />

kassen? Deren Überschüsse dürften sich<br />

bis Jahresende inklusive der Überschüsse<br />

<strong>im</strong> Gesundheitsfonds auf rund 25 Milliarden<br />

Euro summiert haben. Eigentlich eine kom-<br />

fortable Situation, in der man lang disku-<br />

tierte Fortschritte in der Versorgung endlich<br />

angehen könnte. Stattdessen verteidigen<br />

die Kassen – allen voran ihr GKV Spitzen<br />

-verband – auf allen Fronten<br />

ihre vermeintlichen Pfründe.<br />

Die erste Abwehrschlacht<br />

scheint gewonnen, nachdem<br />

sich die Gesundheitsminister-<br />

konferenz nicht zu einer ge-<br />

meinsamen Linie zur Abschaf-<br />

fung der uneffektiven Praxis-<br />

gebühr durchringen konnte.<br />

Wer so auf der Erfolgswelle<br />

reitet, muss sich wohl stärken:<br />

So gönnte sich die Spitze<br />

des GKV SV dann auch eine<br />

vorzeitige Verlängerung ihrer<br />

Foto: privat<br />

Verträge um sechs Jahre, versüßt jeweils<br />

noch um eine Gehalterhöhung von 10 000<br />

Euro – Nachschlag 2014 verhandelbar. Doch<br />

erst einmal gilt es, das „Sparschwein“ gegen<br />

diverse Hämmerchen zu verteidigen. Da<br />

wäre zunächst die Gesetzeslage, nach der<br />

Kassen nur begrenzt Überschüsse erwirt-<br />

schaften dürfen. Selbst arm rechnen hilft<br />

hier nicht mehr – Gesundheitsminister Da-<br />

niel Bahr (FDP) hat bereits mehrmals dazu<br />

aufgefordert, dass die einzelnen Kassen nun<br />

Prämien an ihre Versicherten auszuschütten<br />

hätten. Aber das Klingeln <strong>im</strong> Geldbeutel der<br />

Versicherten kam noch nicht an. Stattdessen<br />

scheinen die Kassen recht erfolgreich in der<br />

Strategie voranzukommen, die gesetzlichen<br />

Voraussetzungen zur Erhöhung ihrer Rückla-<br />

gen zu schaffen. Der Bürger wird wieder leer<br />

ausgehen: Geld weg, Gegenleistung null.<br />

Wie kann es überhaupt zu diesem Szenario<br />

kommen? Offenbar haben die rein finanz-<br />

Statt mit den satten<br />

Überschüssen endlich<br />

Fortschritte in der Versorgung<br />

anzustreben,<br />

setzen die GKVen an<br />

allen Fronten auf einen<br />

destruktiven Sparkurs,<br />

meint Thomas Grünert,<br />

Chefredakteur von Vincentz<br />

Network, Berlin.<br />

technisch motivierten Gesundheitsreformen<br />

der letzten Jahre den Fokus von einer guten,<br />

zukunftsfähigen Versorgung auf reine Finan-<br />

zierungsfragen reduziert. Auch die über<br />

Jahrzehnte gut funktionierende Selbstver-<br />

waltung scheint vielfach in Prozeduren er-<br />

starrt zu sein, die Innovationen und eine<br />

patientennahe individuelle Versorgung <strong>im</strong>-<br />

mer weniger berücksichtigt. Bürokratische<br />

Mechanismen erdrücken zunehmend die<br />

gerade am deutschen Gesundheitswesen<br />

ehemals so gelobte Innovationsfreude.<br />

Irgendwie liegt es dann in der Konsequenz<br />

eines bürokratischen Systems, dass es sich<br />

Gastkommentar<br />

gegen die Kostenverursacher wendet. Das<br />

heißt gegen Leistungsanbieter wie Pharma-<br />

und Medizintechnikindustrie sowie gegen<br />

Leistungserbringer wie Krankenhäuser und<br />

Ärzte. Die frühe Nutzenbewertung für inno-<br />

vative neue Arzne<strong>im</strong>ittel und die Folgen für<br />

die Preisgestaltung haben bereits dazu ge-<br />

führt, dass Unternehmen neue Medikamente<br />

gar nicht erst anbieten, um sich auf dem eu-<br />

ropäischen Markt keine schlechte Referenz-<br />

preise zu schaffen. Bei den Kliniken will man<br />

die Tarifsteigerungen nicht voll ausgleichen<br />

und sieht sich auch nicht in der Rolle, not-<br />

wendige Investitionen stärker mitzufinanzie-<br />

ren. Das sollen gefälligst die Länder machen.<br />

Schließlich geht’s um ärztliche Honorar-<br />

anpassung. Planungsgrundlagen werden an-<br />

gezweifelt, Überversorgung angeprangert,<br />

die Bedarfsplanung infrage gestellt und die<br />

neu eingeführten regionalen Verhandlungen<br />

als kostentreibendes Instrument verteufelt.<br />

Und überhaupt wollen die Kassen künftig<br />

mit Leistungserbringern lieber Selektivver-<br />

träge mit elektiven Leistungen abschließen.<br />

Das aus Kassensicht erfolgreiche Arznei-<br />

mittel-Rabattvertragsmodell also auch auf<br />

die Ärzte- und Zahnärzteschaft übertragen?<br />

Schwer vorstellbar, dass so akzeptable<br />

Rahmenbedingungen für eine patienten-<br />

gerechte Versorgung aussehen könnten.<br />

Doch wer ein funktionierendes System krank<br />

sparen will, dürfte auch auf den Widerstand<br />

derjenigen stoßen, die Versorgungsqualität<br />

über Kostenmanagement stellen. Und diese<br />

Messe ist noch nicht gelesen. ■<br />

zm 102, Nr. 14 A, B, 16.7.2012, (991)<br />

7<br />

Foto: F1<strong>online</strong><br />

Gastkommentare entsprechen nicht <strong>im</strong>mer der Ansicht der Herausgeber.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!