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Der Mythos vom Geld

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7 SCHOLASTIKER UND REFORMATOREN 145<br />

von China, Indien, Babylon, Hellas, Rom, Florenz bis in die Gegenwart<br />

verbreiteten Kapitalismus der Wucherer, Kriegslieferanten,<br />

Amts- und Steuerpächter, großen Handelsunternehmer und Finanzmagnaten«,<br />

34 der »kapitalistischen Abenteurer», die es »in aller Welt<br />

gegeben hat«, 35 auf der andern Seite. Gegenstand von Webers Untersuchung<br />

ist bloß der erste Typ; wenn er <strong>vom</strong> »Geist des modernen Kapitalismus«<br />

spricht, so hat er damit jene Gesinnung vor Augen, »welche<br />

berufsmäßig systematisch und rational legitimen Gewinn ... erstrebt«.<br />

36<br />

Anders als Sombart sieht er also einen Gegensatz zwischen puritanischem<br />

und jüdischem Kapitalismus: »In der Tat läßt sich der Gegensatz<br />

im ganzen, mit den stets unvermeidlichen Vorbehalten, wohl<br />

so formulieren: daß der jüdische Kapitalismus spekulativer Paria-<br />

Kapitalismus war, der puritanische: bürgerliche Arbeitsorganisation.«<br />

37 Mit dieser Unterscheidung hat Weber irrationales Handeln<br />

per definitionem aus dem von ihm untersuchten abendländischen Kapitalismus<br />

ausgeschieden.<br />

Weber war zweifellos ein um Objektivität bemühter Beobachter,<br />

ein sorgfältiger Wissenschaftler und ein Vermittler wertvoller Erkenntnisse;<br />

aber die Ereignisse seit seinem Tod haben die Vorstellung<br />

eines rationalen Kapitalismus zu einem schönen Trugbild gemacht.<br />

Hätte Weber die »wilden« zwanziger Jahre, den großen Börsensturz<br />

von 1929 und die anschließende Depression (siehe Kapitel 20) noch<br />

erlebt, so hätte er wohl zugegeben, daß es sich hier nicht um vereinzelte<br />

Unglücksfälle handelte, sondern daß das ganze kapitalistische<br />

Wirtschaftssystem vieler Nationen darin verwickelt war. Hätte er weiter<br />

die Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges erlebt, so hätte er erkannt,<br />

daß Vertreter dieses alten abendländischen Kapitalismus auch<br />

hier die Fäden zogen. Und hätte er heute die Möglichkeit zu sehen,<br />

wie internationale Organisationen als verlängerter Arm privater Kreditgeber<br />

handeln oder wie der »Kasinokapitalismus« und die unkontrollierten<br />

Spekulationen der neunziger Jahre traditionsreiche Banken<br />

zerstören, ganze Volkswirtschaften in den Abgrund ziehen und<br />

die Weltwirtschaft aufs höchste gefährden – Weber hätte seine These<br />

wohl anders formuliert oder mindestens die Gewichte anders gelegt.<br />

<strong>Der</strong> Kapitalismus, den wir kennengelernt haben, trägt ein anderes<br />

Gesicht als die von Weber beschriebene rationale Organisation der<br />

Arbeit. Weber hat nicht vorausgesehen, daß der unkontrollierte (»de-

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