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Jahresbericht 2011 (PDF) - Zentrum für Zeithistorische Forschung ...

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DAs zeitlose herrscherporträt<br />

Auch die Lebensgeschichte Erich Honeckers scheint fast völlig mit der Bewährung und<br />

Betätigung in dem Machtapparat zu verschmelzen, als dessen oberster Lenker er über<br />

fast zwei Jahrzehnte fungierte. Nirgendwo wird in seinem politischen Leben eine Spannung<br />

zwischen Mensch und Aufgabe greifbar, und weder nach seinem Sturz noch nach<br />

seinem Tod ist ein schriftliches Zeugnis oder gar ein niedergelegtes Vermächtnis bekannt<br />

geworden, das das Denken und Wollen Honeckers außerhalb der Registraturen des Parteiapparates<br />

überliefert hätte und ihn in einem anderen Licht als dem des unpersönlichen<br />

Funktionärs erscheinen lassen könnte.<br />

Nicht zufällig verbirgt sich Erich Honeckers Lebensbild hinter einem millionenfach<br />

verbreiteten Porträt. Es präsentiert vor ruhigem hellblauem Hintergrund einen grauhaarigen<br />

Mann in korrekter Kleidung ohne markante Züge, dessen durch eine Brille verschatteter<br />

Blick ausdruckslos auf den Betrachter gerichtet ist: das Gesicht der Gesichtslosigkeit<br />

kommunistischer Herrschaft. So hing das Bild fast zwanzig Jahre lang in den<br />

Amtsstuben der Parteistellen, Schulen und der Dienstbehörden des zweiten deutschen<br />

Staates – als zeitloses Porträt einer alterslosen Macht, die sich nicht auf eine in Wahlen<br />

errungene Zustimmung von Wählermassen stützte und auch nicht auf die mitreißende<br />

Begeisterungskraft eines Volkstribunen, sondern allein auf die Stärke der kommunistischen<br />

Partei und ihrer Herrschaft. Das Porträt präsentiert eine selbstgewisse Herrschergestalt,<br />

die zugleich von individuellen Zügen gereinigt ist. Honecker erscheint in<br />

seinen zahllosen Varianten nahezu alterslos und durch Retuschierung aller individualisierenden<br />

Züge so weit beraubt, dass selbst die unverwechselbare Narbe auf der linken<br />

Stirnseite in den öffentlich verbreiteten Porträtfotos nicht mehr zu erkennen war.<br />

Honeckers Herrscherporträt zeigt in seinen zahllosen einzelnen Varianten weder<br />

Emotionen noch ist es räumlich oder zeitlich klar zuzuordnen. Die Botschaft, die es aussendet,<br />

ist abstrakt, und sie arbeitet mit einzelnen Zeichen, die dem Betrachter des Bildes<br />

im SED-Parteiabzeichen an Honeckers Revers die kollektive Kraft der kommunistischen<br />

Partei vorführt, in seiner korrekten Kleidung die staatsmännische Handlungssicherheit<br />

erkennen lässt und im unverwandten Blick die ruhige Selbstgewissheit der Herrschafts-

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