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Jahresbericht 2011 (PDF) - Zentrum für Zeithistorische Forschung ...

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Nationalstaats und proklamierte polemisch ein »Volk der Staatenlosen« 5 . Ihr Essay<br />

wurde ein zentraler Grundlagentext der historischen Analyse und Theoretisierung von<br />

Staatenlosigkeit in einer philosophischen Kritik staatlicher Souveränität. Begriffsgeschichtlich<br />

markiert er die Wende von einer spezifischen juristischen Semantik im<br />

Flüchtlings- und Völkerrecht zu einem breiteren politischen Verständnis. Durch die Rezeption<br />

ihrer metaphorischen Stilisierung der Staatenlosen zu einer politischen Avantgardefigur<br />

wurde der theoretische Begriff seit den 1990er Jahren in die philosophischpolitologische<br />

Theorie aufgenommen, beispielsweise von Giorgio Agamben. 6 Kürzlich<br />

schlug die Soziologin Magaret Somers vor, den Begriff »statelessness« zur Kritik depravierter<br />

Zugänge zu Rechten und Märkten innerhalb von Gesellschaften zu verwenden,<br />

bei formal bestehender Staatsbürgerschaft. 7<br />

III.<br />

Für eine Geschichte von Staatenlosigkeit, die den Bedeutungswandel von Zugehörigkeitskonzepten<br />

am Ausnahmefall untersucht, sind beide Entwicklungsstränge dieser Semantik<br />

bedeutsam. Es gilt, die Politiken und Erfahrungen von Staatenlosigkeit im Europa der<br />

ersten Jahrhunderthälfte zu verbinden mit der Reflexion zum Ende des Jahrhunderts, die<br />

diese Erfahrung in einem abstrakten Begriff aufnimmt. Die Semantik dient als Sonde<br />

<strong>für</strong> eine politische Problemgeschichte der Verhandlung gefährdeter Zugehörigkeit im<br />

Spannungsfeld zwischen staatlicher Souveränität und individuellen Rechten. Sie erschließt<br />

den paradoxen Prozess der Entrechtlichung als bevölkerungspolitische Herrschaftsstrategie<br />

souveräner Staaten einerseits mit der Verrechtlichung des politischen<br />

Raumes durch die Entwicklung transnationaler Normen und Institutionen. Die sozialen<br />

Erfahrungen staatenloser Individuen und Gruppen, geprägt durch national bezogenes<br />

Staatsangehörigkeitsrecht und Verwaltungshandeln, verdeutlichen das Gewicht von<br />

Zugehörigkeit in der Lebenswelt.<br />

5 Hannah Arendt, Der Niedergang des Nationalstaates und das Ende der Menschenrechte, in: dies., Elemente und<br />

Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, München 2001, S. 559–625.<br />

6 Vgl. Giorgio Agamben, Jenseits der Menschenrechte, in: Mittel zum Zweck. Noten zur Politik, Berlin 2001 (1996),<br />

S. 23–32.<br />

7 Vgl. Magaret R. Somers, Genealogies of Citizenship. Markets, Statelessness and the Right to Have Rights, Cambridge<br />

2008.

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