Jahresbericht 2011 (PDF) - Zentrum für Zeithistorische Forschung ...
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obwohl sie mit William Morris einmal in Großbritannien ihren Ausgang genommen<br />
habe, seit dem Ersten Weltkrieg in diesem Land verkümmert und habe nur in kontinentaleuropäischen<br />
Ländern, allen voran Deutschland, nennenswerte Fortschritte gemacht.<br />
Damit stieß er auf Ablehnung von Seiten vieler britischer Industrieller, die die gestalterische<br />
Moderne als »ausländischen Stil«, den Pevsner und andere Designreformer der britischen<br />
Industrie überstülpen wollten, abtaten und sogar vermuteten, er sei ein deutscher<br />
Agent. Doch unter britischen Designfachleuten wie Herbert Read oder John Gloag, die<br />
sein Buch begeistert rezensierten, und unter einigen <strong>für</strong> Gestaltungsfragen aufgeschlossenen<br />
Fabrikanten, die in der Vergangenheit öffentlich bereits ähnliche Positionen vertreten<br />
hatten, war die Zustimmung zu seinen <strong>Forschung</strong>sergebnissen groß.<br />
Der Möbelunternehmer Gordon Russell, der 1947 der zweite Leiter des »Council<br />
of Industrial Design« werden sollte, stellte Pevsner als Einkäufer und Berater in Gestaltungsfragen<br />
ein. Hieraus entwickelte sich eine über Jahre fruchtbare Zusammenarbeit,<br />
die allerdings finanziell <strong>für</strong> Pevsner an Bedeutung verlor, als er 1945 eine Professur <strong>für</strong><br />
Kunstgeschichte am Birkbeck College in London und später an den Universitäten Cambridge<br />
und Oxford erhielt. Seine Studie von 1937 und ein weiteres Buch Pevsners von<br />
1936, das unter dem Titel »Pioneers of the Modern Movement. From William Morris to<br />
Walter Gropius« in einer Art Genealogie die Gestaltungsprinzipien des deutschen Bauhauses<br />
auf die britische »Arts and Crafts«-Bewegung zurückführte, wurden zu bis heute<br />
einflussreichen Klassikern der Design-Geschichtsschreibung.<br />
Der Quellenfund der geheimen BIOS-Studie über die Gestaltungspraxis in Deutschland<br />
von 1946 muss also zu diesen beiden bereits bekannten Arbeiten Pevsners in Beziehung<br />
gesetzt werden. Auf Basis seiner Studie über die britische Industrie entschieden<br />
sich wohl der »Council of Industrial Design« und der Geheimdienst BIOS, Pevsner im<br />
Juli 1946 nach Deutschland zu schicken, um mit den gleichen Methoden von 1937 und<br />
einer größeren Gruppe von Forschern nun dort den Standard der Produkte und die Praxis<br />
der industriellen Formgebung zu untersuchen – und um seine Thesen von 1937 empirisch<br />
zu überprüfen. Die Studie basierte auch hier auf ausführlichen Befragungen von Unternehmern,<br />
Managern, Technikern, Designern in den Firmen und unter den Gewerbelehrern<br />
an den Ausbildungsstätten <strong>für</strong> Produktgestalter in den Westzonen, vor allem im<br />
Raum Frankfurt, Stuttgart, München, Berlin, Krefeld und Bielefeld. Diese waren den<br />
Repräsentanten der Siegermacht voll auskunftspflichtig und lieferten hier<strong>für</strong> Details<br />
über ihre Tätigkeit, die sie unter anderen Umständen als Betriebsgeheimnisse unter<br />
Verschluss gehalten hätten.<br />
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