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Jahresbericht 2011 (PDF) - Zentrum für Zeithistorische Forschung ...

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Agenda-Setter zur Frage, was Pop ist oder zu sein hat, wie auch die damit verbundenen<br />

Diskursrituale selbst zum historischen Quellenmaterial werden. Der Satz von Benjamin<br />

von Stuckrad-Barre, Pop sei <strong>für</strong> ihn, »dass es wahnsinnig darauf ankommt, wann hört<br />

man das, von wem hört man das und wie sieht denn der Typ aus, der das sagt«, wäre<br />

im Sinne einer intellectual history des Pop zu historisieren. Das ist <strong>für</strong> diejenigen, die<br />

plötzlich zum <strong>Forschung</strong>sgegenstand werden, gewöhnungsbedürftig – das wissen wir<br />

schon aus der Begegnung einer gegenwartsnäheren Zeitgeschichte mit den Diagnosen<br />

der Politik-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Für die Pophistorikerinnen und Pophistoriker<br />

auf der anderen Seite bedeutet dies, nicht den Fehler zu machen, jene feinen<br />

Unterschiede, die der Pop als intellektuelle Strömung mit seiner »sophistication« (Nadja<br />

Geer) postuliert hat, unreflektiert bei der Wahl der eigenen <strong>Forschung</strong>sgegenstände zu<br />

übernehmen. Berührungsängste gegenüber dem Mainstream, dem allzu Kommerziellen<br />

oder dem Banalen im Pop sind aus einer historiographischen Perspektive unangebracht.<br />

Darüber, wie der Pop zeitlich zu verorten ist und welche Phänomene darunter zu<br />

fassen sind, gib es unterschiedliche Positionen. Da wird dann auch schon mal Mozart<br />

zum Pop erklärt und das Phänomen weit in die Geschichte zurückprojiziert. Eine zweifache<br />

Eingrenzung erscheint jedoch sinnvoll. Erstens sollte zwischen Pop und populärer<br />

Kultur unterschieden werden. Letztere wäre das aus historiographischer Perspektive<br />

breiter zu fassende Gebiet. Pop als <strong>Forschung</strong>sfeld hingegen sollte zunächst enger gefasst<br />

werden. Hier kann man sich an einem Verständnis orientieren, das Diedrich Diederichsen<br />

und andere entwickelt haben. Es zielt im Kern auf eine spezifische Form der elektroakustischen<br />

Musikproduktion, ihre Performanz und Verbreitung über die modernen<br />

Massenmedien und ist nicht normativ angelegt. Pop wäre demnach über spezifische<br />

Bedingungen seiner Produktion und Reproduktion sowie über seine performativen und<br />

habituellen Dimensionen zu fassen. Hinzu käme die Verschmelzung des Pop als Praxis<br />

mit den Diskursen über das Phänomen. Daraus ergibt sich, zweitens, eine zeitliche Verortung<br />

des Pop, die seine Anfänge in den 1950er Jahren und seine Blütezeit im Kontext<br />

der Entwicklung der westlichen und zeitversetzt auch der östlichen Gesellschaften zu<br />

modernen Konsum- und Freizeitgesellschaften und einer fortschreitenden Medialisierung<br />

sieht. Pop könnte so als ein Phänomen untersucht werden, das die gesellschaftlichen<br />

Krisen- und Transformationsprozesse der Zeit »nach dem Boom« begleitet. Auch dies<br />

ließe sich angesichts der kulturellen Transferprozesse in einer Ost und West verklammernden<br />

Perspektive untersuchen. Dabei wäre auch zu fragen, welche Rolle der Pop <strong>für</strong><br />

die Erosion der inneren Bindungskräfte der staatssozialistischen Gesellschaften und <strong>für</strong><br />

den Umbruch von 1989 gespielt hat.<br />

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