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Wenn die Brotzeit im<br />
Rucksack gefriert<br />
Eigentlich hatte diese Schitour in „Fachkreisen“<br />
das Prädikat „schöne Ganztagestour<br />
ohne Dramatik: zwei nette, skifreundliche<br />
Gipfel, 1761m und 1877 m im Bregenzer<br />
Wald“. Doch dann kam die Kältewelle. „...<br />
Bei solch einer Kälte sollte man tunlichst zu<br />
Hause bleiben…!“, so oder so ähnlich, konnte<br />
man diverse Kommentare hören. Also sollte<br />
dieses sonnige Wochenende wohl am Kachelofen<br />
zu Hause verbracht werden. Aber es gibt<br />
doch ein paar anpassungsfähige Zeitgenossen,<br />
die das nicht sonderlich berührt. Also<br />
doch auf Skitour gehen! Ein Anruf bei einem<br />
der Tourenführer, dem Andi, ergab, dass wir<br />
die Tour etwas umgestalten sollten und statt<br />
der längeren Fahrzeit eine längere Gehzeit<br />
einlegen sollten, sprich – eine Tour in der<br />
Nähe, aber dafür etwas anspruchsvoller.<br />
Und so war die Umfahrung der Köllespitze<br />
angesagt.<br />
Ein paar Vorbereitungen für außergewöhnliche<br />
Temperaturen waren schon empfehlenswert:<br />
Mindestens eine Schicht mehr<br />
nach dem „Zwiebelprinzip“ anziehen und<br />
ordentlich Fettcreme ins Gesicht auftragen,<br />
des Weiteren eine besondere Auswahl der<br />
Handschuhe und Ersatzhandschuhe (am besten<br />
direkt am Körper vorwärmen). Bei kalten<br />
Minus 19 Grad starteten wir - eine Dame,<br />
fünf Mannsbilder und ein Hund - in Memmingen,<br />
um uns am Parkplatz „Roßschläg“<br />
bei Minus 23 Grad auf diese Tour zu begeben.<br />
Die scheinbar klirrende Kälte empfanden<br />
wir nach ca. 20 Minuten Gehzeit gar nicht<br />
mehr so extrem, also konnte hier schon die<br />
erste Schicht, der Anorak, abgelegt werden.<br />
Eine traumhaft schöne, von der Kälte mit dicken<br />
Eiskristallen bestückte Winterlandschaft<br />
begleitete uns, bis wir das Reintal verließen,<br />
um zum Sabacher Joch aufzusteigen. Anfangs<br />
stark ansteigend durch den Waldgürtel<br />
wurde das Hochtal weiter und offener. Unser<br />
vierbeiniger Begleiter hatte längst schon<br />
seine eigene Route gewählt und war für uns<br />
Unerfahrene nicht mehr zu sehen. Lediglich<br />
sein entferntes Bellen sagte uns, dass er noch<br />
da war. Sein „Chef“ aber hatte wohl alles<br />
im Griff, denn mit dem richtigen Ton und<br />
der Laustärke meldete sich „Bilbo“ regelmäßig<br />
zurück. Wir stiegen später bei weiteren<br />
Kältesteigerungen (hier war der Windschatten<br />
zu Ende) hinauf zum Sabacher Joch, wo wir<br />
ganz schnell auch nur den kleinsten Windschatten<br />
suchen mussten. Denn hier hieß es<br />
abfellen, abfahren und dann wieder anfellen.<br />
Also wieder was direkt an den Körper: Die<br />
Felle, weil die sonst nicht wieder ankleben.<br />
Die Felle abzuziehen und zu verstauen mit<br />
den Handschuhen, denn sonst wären die<br />
Finger schell in negative Temperaturen<br />
abgekühlt, war nicht ganz einfach. Karin<br />
gönnte sich schnell einen Riegel, der ihr aber<br />
wenig mundete, weil er sich in der Rucksacktasche<br />
inzwischen der Umgebungstemperatur<br />
angepasst hatte. Nach der Zwischenabfahrt<br />
und dem anschließenden Anstieg zur Nesselwängler<br />
Scharte, bei dem doch der eine<br />
oder andere Fellkleber streikte, gönnten wir<br />
uns eine kleine Pause im Windschatten eines<br />
Felskopfes, der zudem eine große Schneekuhle<br />
bereit hielt. Hier konnten wir in Ruhe,<br />
auch mal ohne Handschuhe etwas trinken<br />
und die angefrorenen Brotzeiten auf ihre<br />
Genießbarkeit zu testen. Danach folgte noch<br />
ein kurzer Anstieg unterhalb des Köllespitz-<br />
Westgrates und wir standen vor dem großen<br />
Kälteloch, der Nesselwängler Scharte, von<br />
der es nun nordseitig und sehr steil abfallend<br />
ins Reintal zurückgehen sollte. Aber zuerst<br />
war die Beurteilung der Lawinensituation<br />
angesagt. Nach eingehender Prüfung durch<br />
unsere Tourenführer Andreas und Stefan<br />
gaben diese grünes Licht unter der Maßgabe<br />
„in der kritischen Felspassage nicht stürzen!“.<br />
Alle hatten gute Nerven und wir erreichten<br />
bald traumhafte, rassige Pulverhänge. Leider<br />
sind solche Abfahrtsgenüsse natürlich immer<br />
zu kurz – doch gegen einen Wiederaufstieg<br />
hatten wir diesmal ein Argument: „S´ isch<br />
halt scho saukalt!“<br />
Also entspanntes Abfahren auf der Forststraße<br />
hinunter zur „Bärenfalle“, wo wir<br />
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