der Ausgabe 7-8/2004 - Berliner Behindertenzeitung
der Ausgabe 7-8/2004 - Berliner Behindertenzeitung
der Ausgabe 7-8/2004 - Berliner Behindertenzeitung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
offensiver, was vielleicht damit zusammenhängt, dass es für Frauen<br />
leichter ist, mit Männern zu schlafen.<br />
Muss ein querschnittgelähmter Mensch auf Sexualität und<br />
einen Orgasmus verzichten?<br />
Nein, auf keinen Fall! Schwierigkeiten sind bei jedem vorhanden,<br />
weil, je nach Grad des Querschnitts, <strong>der</strong> Rumpf des Körpers mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger gelähmt ist. Das geht meistens damit einher, dass die<br />
Blasen- und Sexualfunktionen des Körpers gestört sind. Das<br />
bedeutet aber nicht, dass querschnittsgelähmte Männer und Frauen<br />
auf eine sinnliche Sexualität verzichten müssen. Man muss einen<br />
neuen Zugang zu seiner Sexualität finden. Ich weiß von vielen<br />
meiner Klienten, dass es weiterhin schön ist für sie, mit jemanden zu<br />
schlafen. Viele erzählen von einem verän<strong>der</strong>ten<br />
Orgasmusempfinden, weil sich die Sensibilität verschiebt. Die<br />
Bereiche des Körpers, die voll empfinden, sind oftmals sehr viel<br />
empfänglicher für erotische und sinnliche Berührungen als früher.<br />
Viele meiner Klienten erzählen auch von einem so genanntem<br />
Orgasmus im Kopf. Der sei zwar nicht mehr körperlich so<br />
entspannend wie früher, hinterlässt aber mindestens ein genau so<br />
großes Glücksgefühl. Ein wichtiger Punkt für einen<br />
querschnittgelähmten Menschen ist es, zu erkennen, dass Sexualität<br />
nicht ausschließlich genital statt finden muss.<br />
Was wiegt für einen querschnittgelähmten Menschen nach<br />
Ihrer Erfahrung schwerer: Der Verlust <strong>der</strong> Mobilität o<strong>der</strong> an<br />
Sexualität?<br />
Grundsätzlich empfindet das je<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>te natürlich individuell.<br />
Ich habe aber in meiner Beratung in den vergangenen zwei Jahren<br />
fest gestellt, dass viele „Querschnitte" – und vor allen Dingen die<br />
sehr aktiven – einen großen Teil <strong>der</strong> Mobilität wie<strong>der</strong> ausgleichen<br />
können. Das ist durch heutige Hilfsmittel und die immer größer<br />
werdende Barrierefreiheit im öffentlichen Leben möglich. Aber <strong>der</strong><br />
Verlust an Sensibilität kann durch nichts ersetzt werden. Das geht ja<br />
schon los, wenn man in <strong>der</strong> Badewanne das warme Wasser einlaufen<br />
lässt und einfach nichts empfindet. Und dieser Verlust im<br />
Zusammenhang mit dem Gefühl, möglicherweise nicht mehr<br />
attraktiv, nicht mehr erotisch zu sein, wiegt für viele<br />
Querschnittgelähmte schwer.