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Architekt Jaime Gaztelu gestaltete den<br />
Barrique-Keller der Bodega Señorío de<br />
Otazu in Navarra bei Pamplona<br />
Weinbau-Architektur<br />
30<br />
Seit mehr als zwei Jahrzehnten bedient die Architektur mit vielen spannenden<br />
Entwürfen die Weinwelt und vereint damit Funktionalität und Eleganz.<br />
Wie das köstlichste aller Genussmittel<br />
die Architektur im Weinbau<br />
beflügelt, lässt sich anhand vieler<br />
Beispiele spektakulärer Weingüter ablesen.<br />
In allen Weinbau-Ländern der<br />
Welt hat sich vor rund 25 Jahren ein<br />
vinologischer Bauboom entwickelt,<br />
dessen Ende noch längst nicht absehbar<br />
ist. Auch kleinere Weingüter in<br />
Österreich verpflichten heute renommierte<br />
Architekten, die mit großen<br />
Gesten und in mannigfaltigen Formen<br />
moderne Entwürfe realisieren. Dass all<br />
diese außergewöhnlichen Bauten trotz<br />
einer gewissen Inflationierung über<br />
die Jahre hinweg nie banal oder langweilig<br />
wirken, verdankt man vor allem<br />
der Ambivalenz von geforderter Funktionalität<br />
und gewünschter Ästhetik,<br />
welche die zeitgemäße Weinbau-Architektur<br />
bestimmt. Zwingend scheint<br />
dabei die Symbiose zwischen Architekt<br />
und Winzer. Das verhindert zum einen,<br />
Von Henry Sams | Fotos: Henry Sams, Peter Philipp, DI Igor Skacel, Bülent Kalpaklioglu, KK<br />
dass die Planer keine selbstbezogenen<br />
Monumente für sich bauen, die für die<br />
Weinbereitung nichts taugen, zum<br />
anderen fördert dieses Zusammenwirken<br />
die formschöne Umsetzung<br />
von Zweckbauten, die für sich selbst<br />
und für die darin entstehenden Weine<br />
Werbung machen. Noch vor drei<br />
Jahrzehnten hätte diese gestalterische<br />
Metamorphose Kopfschütteln hervorgerufen<br />
und kaum ein Winzer wäre damals<br />
auf die Idee gekommen, seinen<br />
Geldbeutel mit prestigeträchtigen Produktionsstätten<br />
zu belasten. Seitdem<br />
der Wein zum Lifestyle-Element avancierte<br />
und Kultstatus erlangte, zählt<br />
auch eine attraktive Präsentation zur<br />
Selbstverständlichkeit eines jeden modernen<br />
Weinbauers.<br />
Ausgang in Kalifornien<br />
Die wertkonservative Kellerei-Architektur<br />
als neues Schaffensgebiet der<br />
Avantgarde nahm seinen Ausgang<br />
in den USA. Der renommierte Kunstsammler<br />
Jan. I. Shrem schrieb 1984<br />
einen internationalen Architektur-<br />
Wettbewerb für die Neugestaltung<br />
seines Weingutes Clos Pegase im Napa<br />
Valley aus. Den Zuschlag bekam der<br />
amerikanische Disneyland-Architekt<br />
Michael Graves. Das Ergebnis sprengte<br />
bis dahin alle herkömmlichen Wahrnehmungsmuster,<br />
der poppig-bunte<br />
neue Weintempel sorgte mit einem<br />
weltweiten Medienecho für den kulturellen<br />
Aufbruch der modernen Weinarchitektur.<br />
Der französische Baron Eric<br />
de Rothschild engagierte dann 1987<br />
den katalanischen Architekten Ricardo<br />
Bofil, der dem Bordelaiser Weingut<br />
Château Lafite-Rothschild in Pauillac<br />
mit dem Bau eines achteckigen<br />
Barrique-Fasskellers mit einer an die<br />
Antike angelehnte Säulen-Rotunde<br />
ein neues Design verabreichte. Für<br />
das ebenfals in Pauillac beheimatete