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niellem Brimborium, wobei der Wein<br />
für kultische Rituale gedient haben<br />
mag, aber sicher stand für die Eingeweihten<br />
nicht das Rauscherlebnis im<br />
Vordergrund. Im Grunde genommen<br />
fand ein visionäres Tanzereignis statt,<br />
das die anwesende Menschenmenge<br />
mitriss, dem aber nichts Kirchenfeindliches<br />
anhaftete.<br />
Von den slowenischen Bauern, Dienstboten<br />
und Köhlern fand zwischen<br />
Pettau (Ptuj), St. Leonhard (Lenart) und<br />
Soboth bald ein bedeutender Zulauf<br />
statt. Vermutlich spielte rudimentär<br />
der Nationalismus eine Rolle, weil sich<br />
die Bauern von den deutschen Grundherren<br />
ausgenützt fühlten, denn so<br />
mancher slowenische Suppan (Bürgermeister)<br />
oder Gutsverwalter war unter<br />
den Springern zu finden. Nun ließen<br />
sich die Umtriebe dieser weinseligen<br />
Versammlung nicht mehr länger verbergen<br />
und die geheime Gesellschaft,<br />
die sich selbst als „katholische Leut`“<br />
bezeichnete, wurde den Behörden<br />
bekannt, die sie als Sekte einstuften,<br />
teilweise als anonyme Alkoholiker ansahen.<br />
Der Bischof von Seckau, Martin<br />
Brenner, bezeichnete die Springer als<br />
Säufer, Verbrecher, Gaukler, Schwärmer<br />
und Taugenichtse, die für die Galeere<br />
reif sind. Ihre Lehre diene nur<br />
der Volksausbeutung. Brenner war ein<br />
Hardliner, der den Beinamen „Ketzerhammer“<br />
zu Recht trug und bei dem<br />
die Slowenen wegen ihrer Trinkgewohnheiten<br />
wenig galten. Der menschenverachtendeUnterwerfungswahn<br />
brachte die Sektenführer dem<br />
Scheiterhaufen sehr nahe.<br />
Die Heilsversprechen der Springer<br />
Sie versprachen den armen, leichtgläubigen<br />
slowenischen Bauern allerlei<br />
Wunder und Schutz vor Unwettern,<br />
Seuchen und anderen Notlagen. In<br />
ihrem eigenen Interesse läge es, eine<br />
Kapelle zu bauen, damit sie darin das<br />
aus Jerusalem herbeigebetete Heilige<br />
Grab unterbringen könnten. Die Angesprochenen<br />
erwarteten eine Linderung<br />
materieller Not, wie Krankheit<br />
oder auch sozialer Not, wie die Unterdrückung<br />
durch die Grundherren, zu<br />
deren größten die katholische Kirche<br />
zählte.<br />
Eine besondere Rolle spielten jene Wissenden,<br />
die durch ekstatische Tänze<br />
einen tranceartigen Zustand erreichten,<br />
dann in Bewusstlosigkeit fielen<br />
und nach dem Aufwachen visionäre<br />
Botschaften übermittelten oder in der<br />
Lage waren, besondere körperliche<br />
Leistungen zu erbringen, welche die<br />
Zuschauer in Staunen versetzten. Die<br />
Botschaft der Sektenführer, jedermann<br />
könne durch geheime Rituale, besondere<br />
Fähigkeiten erlangen, kam beim<br />
Publikum an. Entgegen dem Zeitgeist<br />
des 16. Jahrhunderts, wo das weibliche<br />
Geschlecht nur eine dienende Funktion<br />
anstreben darf, sind innerhalb der<br />
Sekte Frauen den Männern gleichgestellt,<br />
war die Bewegung doch von einer<br />
Frau gegründet worden.<br />
Jeden Samstag vor Neumond, spät<br />
abends, versammelt sich die Gemeinde,<br />
singt zuerst dort slowenische Lieder<br />
als Vesper, sie löschen dann bald<br />
die Lichter aus und stellen morsches<br />
Holz, das in der Nacht leuchtet, auf,<br />
indem sie diese Illumination als Wunder<br />
preisen. Es sind einfache Leute,<br />
etliche betrunken, die im Schutze der<br />
Dunkelheit sich einfinden. Wenn die<br />
platzierten Lichter gelöscht sind, verschwindet<br />
die illustre Versammlung<br />
im Unterholz. Die Beleuchtung mit<br />
Kerzen oder feuchtem Holz, das nachts<br />
phosphoresziert, gibt dem Versammlungsort<br />
ein mystisches Flair. Das wunderliche<br />
Treiben, das dann abging, war<br />
für die Kirche und die Justiz sehr verdächtig.<br />
Neben christlichen Symbolen,<br />
heidnischen Zaubersprüchen und allerlei<br />
Hokuspokus fanden im engeren<br />
Kreis Rituale statt, deren Bedeutung<br />
nur die Eingeweihten kannten. Die<br />
Leute erzählen von Wunderheilungen<br />
und bringen Schwerkranke, Blinde und<br />
Taubstumme zu den Zeremonien.<br />
Es machte das Gerücht von orgiastischen<br />
Tänzen und hemmungslosen<br />
Ausschweifungen die Runde, wobei<br />
mit Wein als Partydroge nicht gespart<br />
worden sein soll. Die Winzer und Weinbauern<br />
brachten für die „katholischen<br />
Leut`“ ausreichend Weinspenden zu<br />
jeder Veranstaltung mit. Um den Verbrauch<br />
von vorneherein zu steuern,<br />
fanden bei den umliegenden Bauern<br />
vorsorglich Wein- und Lebensmittelsammlungen<br />
statt. Über den genauen<br />
Ablauf einer „Springerparty“ bewahrten<br />
die Teilnehmer Stillschweigen;<br />
aufgestellte Wachen schützten vor<br />
unerwünschter Neugier. Bischof Martin<br />
Brenner behauptete, „sie halten im<br />
Walde und in dem Gebüsche nächtliche<br />
Mahlzeiten und Trinkgelage, sie<br />
tanzen, zechen und berauschen sich,<br />
treiben in der Dunkelheit Unflätigkeiten<br />
und Unzucht; ja, insbesondere<br />
jene Springer haben Concubinen und<br />
schamlose Weiber bei sich, um nichts<br />
zu sagen von den zügellosen Ausschweifungen<br />
einer so großen, zusammengelaufenen,<br />
zechenden, rasenden<br />
und johlenden Volksmenge. Diese<br />
Schwärmer haben schon viele Weiber<br />
verführt und andere Verbrechen vollbracht,<br />
weshalb sie in Krain vor Gericht<br />
gestellt und verurteilt worden sind.<br />
Ebenso wurden in Steiermark einige<br />
auf das Schloss Radkersburg gebracht<br />
und eingekerkert, drei andere vom<br />
Landprofoßen [Gefängnisleiter] Bittner<br />
gefangen und der hohen Regierung in<br />
Graz eingeliefert.“ Diese Erkenntnisse<br />
dürften von einem bezahlten Spitzel<br />
stammen, der sich „Undercover“ unter<br />
die Teilnehmer mischte. Als einmal vorwitzige<br />
Bauernburschen eine Zusammenkunft<br />
der Springer ausspionieren<br />
wollten, verdroschen sie die Aufpasser<br />
windelweich.<br />
Lage der Springerkirchen<br />
Die Bauten der Sekte lagen an der<br />
deutsch-slowenischen Sprachgrenze.<br />
Während von Springerkirchen im alten<br />
Krain nichts bekannt ist, weiß man<br />
aus verschiedenen Quellen, wie zum<br />
Beispiel aus den kirchlichen Visitationsprotokollen,<br />
von sechs steirischen<br />
Springerkirchen, die zu Ende des 16.<br />
und anfangs des 17. Jahrhunderts in<br />
Betrieb standen. Zwei davon standen in<br />
der Umgebung von Leibnitz, und zwar<br />
jene am Heiligengeist-Berg und die andere<br />
am Platsch. Auf dem Gebiete der<br />
heute slowenisch verwalteten Untersteiermark<br />
befanden sich vier weitere<br />
Kapellen. Trotz aller Bemühungen gelang<br />
es der Sekte nicht, die katholische<br />
Kirche von ihrer Gottesfürchtigkeit zu<br />
überzeugen, neigten die Anhänger der<br />
Springer doch eher zum Genuss als zur<br />
Enthaltsamkeit. Biberln, tanzen und<br />
Frauen verführen, finden weder beim<br />
Landesfürsten offene Türen, schon gar<br />
nicht die Zustimmung des Bischofs,<br />
der dieses Problem aus den eigenen<br />
Reihen kannte. >>>><br />
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