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Steiermarkwein Ausgabe 11 - Winter 2011

Winter 2011 Rotwein

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76<br />

Voodoo im steirischen Weinland<br />

In der Steiermark nannte sich einst eine geheime Gesellschaft „katholische Leut`“, um<br />

sich nicht leichtfertig dem Verdacht der Ketzerei auszusetzen. Von den kirchlichen und<br />

weltlichen Behörden erhielten sie das Etikett „Springersekte“ umgehängt<br />

Von Friedrich Klementschitz<br />

Der Begriff „Voodoo“ stammt aus Westafrika<br />

und bedeutet Schutzgeist, Gott<br />

oder das Unbekannte (Wesen). Es ist<br />

ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von<br />

Kulten, die über mehrere Kontinente<br />

verteilt sind, die ihre Propheten durch<br />

ekstatische Tänze in Trance versetzen,<br />

wobei sie auch „Beschleuniger“, wie<br />

das Mescalin der Agave im Peyote-Kult,<br />

verwenden. In Trance vereinigt sich die<br />

Seele der Priesterin oder des Priesters<br />

mit Gott, der sich so mitteilt.<br />

Dieses Ritual hat eine katholische Parallele:<br />

Wir sehen im Wein das Blut Christi<br />

und in der Hostie dessen Leib, den wir<br />

aufessen, um uns so mit dem allerhöchsten<br />

Wesen zu vereinen. Manche<br />

Schamanen bemerken in dieser Praxis<br />

eine seltsame Form des Kannibalismus.<br />

Wie auch immer, der Wein spielt<br />

in der Religion seit jeher eine wichtige<br />

Rolle: er wirkt zwar nicht unmittelbar<br />

therapeutisch, aber beeinflusst unseren<br />

Gesamtzustand euphorisch und<br />

verschafft so seelische Erleichterung.<br />

Im 21. Jahrhundert steht beim Weingenuss<br />

das Geschmackserlebnis im<br />

Vordergrund, während für Rauscherlebnisse<br />

der jugendliche Konsument<br />

zum billigen Branntwein greift.<br />

Schon bei den alten Etruskern war<br />

Wein das Transportmittel für die Flucht<br />

aus dem Alltäglichen. Auf einer etruskischen<br />

Opferschale steht die unwiderlegbare<br />

Wahrheit „vinimia leniace“: Im<br />

Wein ist „Sichgehenlassen“... und auf<br />

einer anderen Schale die Folgen: „klen-<br />

ase citia“, vermutlich ein Ausruf, „wie ist<br />

diese Welt doch schief (verdreht)“.<br />

Das ausgehende Mittelalter war eine<br />

nicht weniger verdrehte Zeit, geprägt<br />

von Aufständen, Seuchen und Katastrophen,<br />

welche Menschen an die gottgegebene<br />

Ordnung zweifeln ließen.<br />

Die Kirche stellte sich selbst in Frage,<br />

war aber zu keiner Reform fähig. Das<br />

einfache Volk hatte keinen Kopf für<br />

theologische Spitzfindigkeiten, ebenso<br />

wenig die niedere Geistlichkeit.<br />

Besonders für die Weinzerl (Weinzierl)<br />

und Dienstboten erfüllten sich die<br />

Heilserwartungen durch einen ausreichenden<br />

Mittagstisch und mit etwas<br />

Wein. Die Religionsbekenntnisse<br />

überließen die Landbevölkerung ihrem<br />

Schicksal, während sie sich dem<br />

Glaubenskonflikt widmeten, was dazu<br />

führte, dass Sekten diese Lücke füllen<br />

konnten.<br />

So gespalten die Bevölkerung im Mittelalter<br />

auch war, beim Wein saßen sie<br />

wieder zusammen. Aus der liebevollen<br />

Namensgebung, wie Salve Regindl,<br />

Honigsnabl oder Lekchencaphen<br />

(Leck` am Schankzapfen) lassen auf zufriedene<br />

„Weinbeißer“ schließen.<br />

Über die Qualitätsmerkmale eines guten<br />

Weines sagt ein alter Weinspruch:<br />

„Der echte Wein, die edelste aller Gaben,<br />

muss, wie die Erfahrung lehrt, vier<br />

Religionen haben:<br />

Lutherisch muss er sein, rein und lauter<br />

von dem Fass, kalvinisch aufgeklärt in<br />

einem reinen Glas; katholisch, dass er<br />

lehrt in Wunden seine Stärke, an unserem<br />

Leib übt recht gute, warme Werke.<br />

Doch auch dem Juden gleich, muss<br />

ungetauft er sein. So schließt ein gutes<br />

Glas vier Religionen ein.“<br />

Im späten Mittelalter träumten die unteren<br />

Volksschichten von einem paradiesischen<br />

Leben, doch das „Regnum<br />

Schlaraffia“ bestand nur auf dem Pa-<br />

pier. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts<br />

scheinen sich die Prophezeiungen auf<br />

ein vergnüglicheres Leben zu mehren.<br />

Im Jahre 1586 taucht im österreichischen<br />

Küstenland eine slowenische<br />

Frau auf, sie nennt sich Maruscha (slow.<br />

Maria) und versucht, für ihre geheime<br />

Gesellschaft Anhänger zu finden. Im<br />

Dunkel der Nacht, in einer einsamen<br />

Waldschlucht, rodet sie eine Fläche<br />

von Gestrüpp, um einen zukünftigen<br />

Versammlungsplatz einzurichten. So<br />

entsteht in Görz vorerst ein Geselligkeitsverein,<br />

in dem Enthaltsamkeit<br />

oder Kasteiungen kein Thema sind, ja<br />

mit Gottes Hilfe eine Besserung der Lebensumstände<br />

vorausgesagt wird.<br />

Die Prophetin erregt bald die Aufmerksamkeit<br />

der Behörden, die sie als Hexe<br />

in den Kerker werfen. Doch hatte sie<br />

mittlerweile schon einige Anhänger<br />

in ihren schwärmerischen Kult eingeweiht,<br />

die mit geheimen Glaubensvorstellungen<br />

bis in die Steiermark<br />

flüchten und vor Ort unter der slowenischen<br />

Bevölkerung des Weinlandes<br />

Filialen gründen.<br />

Sie nannten sich katholische Leut`<br />

In der Steiermark nannte sich die geheime<br />

Gesellschaft „katholische Leut`“,<br />

um sich nicht leichtfertig dem Verdacht<br />

der Ketzerei auszusetzen. Von<br />

den kirchlichen und weltlichen Behörden<br />

erhielten sie das Etikett „Springersekte“<br />

umgehängt, dass auf ihre<br />

Gewohnheit, sich in Ekstase zu tanzen,<br />

zurückzuführen ist. Ihre „Gottesdienste“,<br />

welche der Klerus eher dem Bacchus<br />

zuordnet als dem Christengott,<br />

hielten die Springer an verborgenen<br />

Orten, wie auf hohen Bergen, in Wäldern<br />

oder auch in Talschluchten ab, wo<br />

sie vor unerwünschten Beobachtern<br />

sicher sein konnten. Die nächtlichen<br />

Kultfeiern gestalteten sie mit zeremo-

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