Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Unser Weinsteirer Holger<br />
Moderne versus Tradition lässt herzlichst grüßen<br />
Holger Massner schwelgt wieder in<br />
Erinnerungen und öffnet Archivweine<br />
Wie in dieser <strong>Ausgabe</strong> von steiermarkwein<br />
so treffend dargestellt,<br />
ändert sich mit dem Produkt „Wein“<br />
auch die Architektur die zur Produktion<br />
dieses Genussmittels führt.<br />
Vor tausenden von Jahren haben<br />
die Römer einfach Amphoren in<br />
den Boden eingegraben. Später<br />
haben Erdlöcher zur Lagerung gedient<br />
und wieder später wurden<br />
Gewölbe gebaut, die hauptsächlich<br />
zur Klimatisierung gedient haben.<br />
Diese wurden dann zur allgemeinen<br />
Weinseligkeit und zum Innbegriff<br />
von Gemütlichkeit, Tradition<br />
und Ursprünglichkeit. Die Verhansmoserisierung<br />
hatte eingesetzt.<br />
Und wieder später – wir befinden<br />
uns in der Zeit kurz vor dem<br />
Weinskandal (jüngere Weinbeißer<br />
werden sich wohl nicht mehr daran<br />
erinnern, steirische wohl gar nicht)<br />
– wurde aus einer schimmligen,<br />
stinkingen Kellerkatze (Anm.: ist ein<br />
Schimmelpilz, der sich in Kellern<br />
mit mindestens 85 Prozent Luftfeuchtigkeit<br />
bildet. Das Mycel ist<br />
am Anfang weiß, später schwarz)<br />
plötzlich, wie aus dem Nichts, eine<br />
Architektur geboren, die uns sagen<br />
soll: Wein ist Kultur und nicht nur<br />
Alkohol.<br />
Es gibt dafür viele Beispiele und<br />
genausoviele Bewunderer, wie<br />
Ablehner dieser modernen Architektur.<br />
Im Wesentlichen spitzt sich<br />
die Frage darauf zu, ob der Tisch<br />
unter dem Nussbaum, das Fass<br />
98<br />
im Keller nicht viel „echter“ sei, als<br />
der Schauraum im klimatisierten<br />
Genussraum. Ob die Begegnung<br />
Kultur, Wein, Genuss, Tradition so<br />
überhaupt noch möglich sei. Meine<br />
Meinung dazu ist, dass die Überwindung<br />
des Skandals und die Positionierung<br />
des österreichischen<br />
Weins, so wie er heute ist und international<br />
wahrgenommen wird,<br />
Hand in Hand mit den modernen<br />
Kellern in Burgenland, Niederösterreich<br />
und natürlich der Steiermark<br />
geht. Aber worum geht es letztendlich?<br />
Natürlich um die Gesamtkonzeption<br />
„Wein“ und all sein Essentielles.<br />
Von der Rebe zum Produkt.<br />
Von der Kultur ihn zu geniessen.<br />
Von der Liebe zum Wein. All das Zusammen<br />
ist Wein Tradition. Dabei<br />
geht es nicht um Momente in der<br />
Zeit, um Zeitgeistigkeit oder Moden,<br />
sondern um Tradition im Sinne<br />
Gustav Mahlers, der zum Thema<br />
Tradition anmerkte: Tradition ist die<br />
Weitergabe des Feuers und nicht<br />
die Anbetung der Asche.<br />
Also sehen wir doch in der modernen<br />
Weinarchitektur bitte das Feuer<br />
und nicht das Brennmaterial. In<br />
diesem Sinne sind wir damit Teil<br />
der Tradition und nicht statt der<br />
Tradition.<br />
Joachim Schnedlitz<br />
Vorstand Boom Software AG<br />
ein steirisches Softwarehaus<br />
www.boomsoftware.com<br />
Sauvignon Blanc Ratscher Nussberg<br />
1994 Weingut Gross 12,5 vol % Alk.<br />
Blonde bis mittelgelbe Farbe, in der<br />
Nase überwiegend reife Noten, am<br />
Gaumen Mandarine und Dörrobst;<br />
Udo Jürgens kommt mir mit leichter<br />
Abwandlung in den Sinn: „17 Jahr‘,<br />
blondes Haar, so stand er vor mir, 17<br />
Jahr‘, blondes Haar, wie find‘ ich zu<br />
dir!?“ Blumig, frisch, leichtfüßig, von<br />
der Lage geprägte Kräuterkomponenten,<br />
weiterhin Potential besitzend, ein<br />
graziler und juveniler Sauvignon!<br />
Pinot Gris Gola 1992 Magnum<br />
Weingut Wohlmuth 12,0 vol % Alk.<br />
Mittleres Hellgelb, würzige Burgunder-Nase,<br />
jung und rund, füllig und<br />
cremig, die Weihnachtszeit einstimmend,<br />
trotz seines barocken Körpers<br />
recht beschwingt, eine salzige Mineralität<br />
bestimmt den Gaumen, enorme<br />
Substanz, finessen- und genussreich,<br />
ein Prachtstück aus einem heißen<br />
Jahr, das auch in der Zukunft seine<br />
vom Schiefer geprägte Nacktheit nicht<br />
verbergen wird können!<br />
Riesling Hochgraßnitzberg 1990<br />
Reinhold Polz & Söhne 12 vol. % Alk.<br />
Gelb mit starkem Grünschimmer;<br />
dezentes Petrol, dahinter kommt eine<br />
geballte Ladung Steinfrucht, mit Luft<br />
grüner Tee und Kletzenbrot, aber auch<br />
florale Noten; ein explosives Frischeerlebnis<br />
am Gaumen durch eine kernige<br />
sortentypische Säure; ein sehr geradliniger,<br />
knackiger steirischer Riesling<br />
ohne Botrytis, der nach 20 Jahren am<br />
Beginn seiner 2. Karriere steht. Eine<br />
Lektion in Sache Reife!