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Novalis Heinrich von Ofterdingen Erstausgabe 1802 ... - Germanistik

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Ernste Mauern werden stehen<br />

Auf den Höhen.<br />

In den Tälern wird man rufen<br />

Wenn die schwersten Zeiten kommen,<br />

Keinem sei das Herz beklommen,<br />

Nur hinan zu jenen Stufen.<br />

6<br />

Gottes Mutter und Geliebte<br />

Der Betrübte<br />

Wandelt nun verklärt <strong>von</strong> hinnen.<br />

Ewge Güte, ewge Milde,<br />

O! ich weiß du bist Mathilde<br />

Und das Ziel <strong>von</strong> meinem Sinnen.<br />

7<br />

Ohne mein verwegnes Fragen<br />

Wirst mir sagen,<br />

Wenn ich zu dir soll gelangen.<br />

Gern will ich in tausend Weisen<br />

Noch der Erde Wunder preisen,<br />

Bis du kommst mich zu umfangen.<br />

8<br />

Alte Wunder, künftge Zeiten<br />

Seltsamkeiten,<br />

Weichet nie aus meinem Herzen.<br />

Unvergeßlich sei die Stelle,<br />

Wo des Lichtes heilge Quelle<br />

Weggespült den Traum der Schmerzen.<br />

Unter seinem Gesang war er nichts gewahr worden. Wie er aber aufsah, stand ein junges<br />

Mädchen nah bei ihm am Felsen, die ihn freundlich, wie einen alten Bekannten, grüßte und<br />

ihn einlud mit zu ihrer Wohnung zu gehn, wo sie ihm schon ein Abendessen zubereitet habe.<br />

Er schloß sie zärtlich in seinen Arm. Ihr ganzes Wesen und Tun war ihm befreundet. Sie bat<br />

ihn noch einige Augenblicke zu verziehn, trat unter den Baum, sah mit einem<br />

unaussprechlichen Lächeln hinauf und schüttete aus ihrer Schürze viele Rosen auf das Gras.<br />

Sie kniete still daneben, stand aber bald wieder auf und führte den Pilger fort. »Wer hat dir<br />

<strong>von</strong> mir gesagt«, frug der Pilgrim. »Unsre Mutter.« »Wer ist deine Mutter?« »Die Mutter<br />

Gottes.« »Seit wann bist du hier?« »Seitdem ich aus dem Grabe gekommen bin?« »Warst du<br />

schon einmal gestorben?« »Wie könnt' ich denn leben?« »Lebst du hier ganz allein?« »Ein<br />

alter Mann ist zu Hause, doch kenn ich noch viele, die gelebt haben.« »Hast du Lust, bei mir<br />

zu bleiben?« »Ich habe dich ja lieb.« »Woher kennst du mich?« »O! <strong>von</strong> alten Zeiten; auch<br />

erzählte mir meine ehemalige Mutter zeither immer <strong>von</strong> dir?« »Hast du noch eine Mutter?«<br />

»Ja, aber es ist eigentlich dieselbe.« »Wie hieß sie?« »Maria.« »Wer war dein Vater?« »Der<br />

Graf <strong>von</strong> Hohenzollern.« »Den kenn' ich auch.« »Wohl mußt du ihn kennen, denn er ist auch<br />

dein Vater.« »Ich habe ja meinen Vater in Eisenach?« »Du hast mehr Eltern.« »Wo gehn wir<br />

denn hin?« »Immer nach Hause.«<br />

Sie waren jetzt auf einen geräumigen Platz im Holze gekommen, auf welchem einige<br />

verfallne Türme hinter tiefen Gräben standen. Junges Gebüsch schlang sich um die alten

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