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Novalis Heinrich von Ofterdingen Erstausgabe 1802 ... - Germanistik

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Verständnis der Welt und seiner selbst entsteht der Trieb zur Verklärung: die wunderbarste<br />

Märchenwelt tritt nun ganz nahe, weil das Herz ihrem Verständnis völlig geöffnet ist.<br />

In der Manessischen Sammlung der Minnesinger finden wir einen ziemlich<br />

unverständlichen Wettgesang des <strong>Heinrich</strong> <strong>von</strong> <strong>Ofterdingen</strong> und Klingsohr mit andern<br />

Dichtern: statt dieses Kampfspieles wollte der Verfasser einen andern seltsamen poetischen<br />

Streit darstellen, den Kampf des guten und bösen Prinzips in Gesängen der Religion und<br />

Irreligion, die unsichtbare Welt der sichtbaren entgegengestellt. »In bacchischer Trunkenheit<br />

wetten die Dichter aus Enthusiasmus um den Tod.« Wissenschaften werden poetisiert, auch<br />

die Mathematik streitet mit. Indianische Pflanzen werden besungen: indische Mythologie in<br />

neuer Verklärung.<br />

Dieses ist der letzte Akt <strong>Heinrich</strong>s auf Erden, der Übergang zu seiner eignen Verklärung.<br />

Dieses ist die Auflösung des ganzen Werks, die Erfüllung des Märchens, welches den ersten<br />

Teil beschließt. Auf die übernatürlichste und zugleich natürlichste Weise wird alles erklärt<br />

und vollendet, die Scheidewand zwischen Fabel und Wahrheit, zwischen Vergangenheit und<br />

Gegenwart ist eingefallen: Glauben, Phantasie, Poesie schließen die innerste Welt auf.<br />

<strong>Heinrich</strong> kommt in Sophiens Land, in eine Natur, wie sie sein könnte, in eine allegorische,<br />

nachdem er mit Klingsohr über einige sonderbare Zeichen und Ahndungen gesprochen hat.<br />

Diese erwachen hauptsächlich bei einem alten Liede, welches er zufällig singen hört, in<br />

welchem ein tiefes Wasser an einer verborgenen Stelle beschrieben wird. Durch diesen<br />

Gesang erwachen längstvergessene Erinnerungen, er geht nach dem Wasser und findet<br />

einen kleinen goldenen Schlüssel, welchen ihm vor Zeiten ein Rabe geraubt hatte, und den<br />

er niemals hatte wiederfinden können. Diesen Schlüssel hatte ihm bald nach Mathildens<br />

Tode ein alter Mann gegeben, mit dem Bedeuten, er solle ihn zum Kaiser bringen, der würde<br />

ihm sagen, was damit zu tun sei. <strong>Heinrich</strong> geht zum Kaiser, welcher hocherfreut ist, und ihm<br />

eine alte Urkunde gibt, in welcher geschrieben steht, daß der Kaiser sie einem Manne zum<br />

Lesen geben sollte, welcher ihm einst einen goldenen Schlüssel zufällig bringen würde,<br />

dieser Mann würde an einem verborgenen Orte ein altes talismanisches Kleinod, einen<br />

Karfunkel zur Krone finden, zu welchem die Stelle noch leer gelassen sei. Der Ort selbst ist<br />

auch im Pergament beschrieben. Nach dieser Beschreibung macht sich <strong>Heinrich</strong> auf den Weg<br />

nach einem Berge, er trifft unterwegs den Fremden, der ihm und seinen Eltern zuerst <strong>von</strong><br />

der blauen Blume erzählt hatte, er spricht mit ihm über die Offenbarung. Er geht in den Berg<br />

hinein und Cyane folgt ihm treulich nach.<br />

Bald kommt er in jenes wunderbare Land, in welchem Luft und Wasser, Blumen und Tiere<br />

<strong>von</strong> ganz verschiedener Art sind, als in unsrer irdischen Natur. Zugleich verwandelt sich das<br />

Gedicht stellenweise in ein Schauspiel. »Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine und Gestirne,<br />

Elemente, Töne, Farben, kommen zusammen wie Eine Familie, handeln und sprechen wie<br />

Ein Geschlecht.« – »Blumen und Tiere sprechen über den Menschen.« – »Die Märchenwelt<br />

wird ganz sichtbar, die wirkliche Welt selbst wird wie ein Märchen angesehn.« Er findet die<br />

blaue Blume, es ist Mathilde, die schläft und den Karfunkel hat, ein kleines Mädchen, sein<br />

und Mathildens Kind, sitzt bei einem Sarge, und verjüngt ihn. – »Dieses Kind ist die Urwelt,<br />

die goldne Zeit am Ende.« – »Hier ist die christliche Religion mit der heidnischen ausgesöhnt,<br />

die Geschichte des Orpheus, der Psyche, und andere werden besungen.« –<br />

<strong>Heinrich</strong> pflückt die blaue Blume, und erlöst Mathilden <strong>von</strong> ihrem Zauber, aber sie geht<br />

ihm wieder verloren, er erstarrt im Schmerz und wird ein Stein. »Edda (die blaue Blume, die<br />

Morgenländerin, Mathilde) opfert sich an dem Steine, er verwandelt sich in einen klingenden<br />

Baum. Cyane haut den Baum um, und verbrennt sich mit ihm, er wird ein goldner Widder.

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