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Universitätsblätter 2009 - Gießener Hochschulgesellschaft

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Kirsten Dickhaut<br />

<strong>Gießener</strong><br />

<strong>Universitätsblätter</strong><br />

42 | <strong>2009</strong><br />

Liebeszauber –<br />

Faszination und Darstellungsproblematik<br />

frühneuzeitlicher Liebessemantik<br />

Liebe fasziniert Dichter und Maler zugleich.<br />

Von der Faszination des Liebeszaubers zu sprechen,<br />

bedeutet, eine Form der Zuneigung zu<br />

benennen, die eine unerklärliche Wirkung besitzt,<br />

der so mancher Liebender anheim gefallen<br />

ist, oder von der er oder sie zumindest<br />

glaubt, gebannt zu sein. Diese Sicht lässt dabei<br />

leicht den Pleonasmus übersehen, der dem Zugriff<br />

inhärent ist, denn fascinatio bedeutet<br />

„Verzauberung“. Gleichwohl erscheint die Formel<br />

von der „Faszination des Liebeszaubers“<br />

aus drei Gründen als besonders aussagekräftig,<br />

um mit ihr ein Forschungsprojekt der Justus-<br />

Liebig-Universität vorzustellen. Erstens lässt<br />

bereits der „Liebeszauber“ die Macht dieser<br />

Emotion anschaulich werden, und zweitens<br />

wird die Wirkung dieser Potenz anhand der<br />

Formel erkennbar, die den Willen hervorbringt,<br />

jene zu kontrollieren oder zumindest zu regulieren.<br />

Drittens zeigt das spezifische Modell des<br />

„Liebeszaubers“, das hier zugrunde liegt, dass<br />

Liebe in der Frühen Neuzeit eben gerade nicht<br />

eindimensional, sondern mehrschichtig und<br />

also die Liebessemantik plural zu begreifen ist.<br />

Diese Pluralität der Liebessemantik entsteht dabei<br />

auf unterschiedlichen Ebenen: Sie kennzeichnet<br />

die ästhetischen Darstellungsmittel,<br />

die heterogenen Auseinandersetzungen mit<br />

den diskursiven Regulierungen (z. B. christliches<br />

Dogma, Medizin, Rechtspraxis, Oikos-<br />

Modell bzw. gendering) und die daraus resultierenden<br />

Liebeskonzepte.<br />

Das von 2005–<strong>2009</strong> von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) großzügig geförderte<br />

Netzwerk, das sich der Analyse der<br />

Liebessemantik in der Frühen Neuzeit aus<br />

kunsthistorischer und literaturwissenschaftlicher<br />

Perspektive widmet, fokussiert dabei sowohl<br />

die gattungsbedingte Vielfalt der Darstellungsweisen<br />

und -medien von Liebe als auch<br />

ihre konzeptuelle Pluralität. Mit dieser kulturanthropologischen<br />

Perspektive hat sich das<br />

Projekt als eines der insgesamt 17 bisher genehmigten<br />

geisteswissenschaftlichen Netzwerke<br />

der DFG unter Leitung von Dr. Kirsten<br />

Dickhaut (Romanistik) seit nunmehr vier Jahren<br />

mit der Analyse der verschiedenen liebessemantischen<br />

Vorstellungen auseinandergesetzt.<br />

Unter dem Titel Liebessemantik – Repräsentation<br />

menschlicher Affekte in Texten und Bildern<br />

von 1500 bis 1800 in Italien und Frankreich<br />

wurden vierzehn Mitglieder aus den Disziplinen<br />

der Philosophie, Kunstgeschichte und literaturwissenschaftlichen<br />

Romanistik zusammengeführt,<br />

die kulturanthropologische Grundlagenforschungen<br />

in diesem Feld erfolgreich<br />

erarbeitet haben, deren Ergebnisse in drei umfangreichen<br />

Konzeptbänden vorgelegt werden:<br />

I.: Liebe und Emergenz. Neue Modelle des<br />

Affektbegreifens im französischen Kulturgedächtnis<br />

um 1700, hrsg. von Kirsten Dickhaut,<br />

Dietmar Rieger, Tübingen: Niemeyer 2006.<br />

II.: Les discours artistiques de l’amour à l’âge<br />

classique. Sondernummer der Zeitschrift Littératures<br />

classiques, hrsg. von Kirsten Dickhaut,<br />

Alain Viala. Herbst <strong>2009</strong>.<br />

III.: Frühneuzeitliche Darstellungen der Liebe in<br />

Italien und Frankreich, hrsg. von Kirsten Dickhaut.<br />

2010.<br />

Einige wichtige Fragestellungen, die bezüglich<br />

der Liebessemantik die frühneuzeitliche Kulturgeschichte<br />

mit kunsthistorischen und literaturwissenschaftlichen<br />

Perspektiven verbindet,<br />

werden im Folgenden anhand zentraler Forschungsergebnisse<br />

des Netzwerks vorgestellt<br />

und bezüglich der Bedeutung des „Liebeszaubers“<br />

für die Frühe Neuzeit kurz exemplifiziert.<br />

Dabei wird es zunächst mittels der drei semantischen<br />

Dimensionen der Idee des „Liebeszaubers“<br />

darum gehen, das Forschungsprogramm<br />

des Projekts zu erläutern, bevor ich im An-<br />

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