Universitätsblätter 2009 - Gießener Hochschulgesellschaft
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Dr. Mark Swai, Moshi/Tanzania, erläuterte die<br />
AIDS-Problematik seines Landes und machte<br />
sich für eine familienzentrierte Sichtweise und<br />
Therapie stark. Da in Afrika die heterosexuelle<br />
Transmission die Regel ist, sind Kinder am<br />
häufigsten über die Mütter infiziert, diese wiederum<br />
über den Vater, so dass man von einer<br />
Familienerkrankung sprechen muss. In einem<br />
familienzentrierten Ansatz können die Betroffenen<br />
gemeinsam behandelt werden. Anhand<br />
der „child centered family care clinic“ zeigte er,<br />
wie dies den Zielen und Mitteln von Primary<br />
Health Care entspricht.<br />
In einer Sitzung über „exotische“ Infektionen<br />
gab Prof. Usa Thisyakorn, Bangkok/Thailand, einen<br />
Überblick über die Vogelgrippe: Man rechnet<br />
mit 100.000.000 Toten für den Fall einer<br />
Pandemie durch das H5N1-Virus. In Thailand<br />
gibt es in allen Regionen einen „Mr. Avian Flu“<br />
zur Koordination der Maßnahmen. Nationale<br />
und globale Kooperation in der Impfstoffentwicklung,<br />
der Bevorratung von antiviralen Medikamenten,<br />
der Grundlagenforschung und der<br />
Epidemiologie sind notwendig. Prof. Rayeshwar<br />
Dayal, Agra/Indien, gab einen Überblick über<br />
Lepra, welche die weltweit höchste Inzidenz in<br />
Indien hat. Die Tröpfchen-Übertragung scheint<br />
der Hauptübertragungsweg zu sein. Die Krankheit<br />
entwickelt sich langsam, meist verhindert<br />
die Immunabwehr eine Manifestation. Im Gegensatz<br />
zur Tuberkulose hat eine HIV-Infektion<br />
keinen Einfluss auf die Lepra. Heute konzentriert<br />
sich die Forschung auf die Diagnostik mittels<br />
molekularbiologischer Verfahren. Prof. Mortada<br />
El-Shabrawi, Kairo/Ägypten, führte in die<br />
spezifische Problematik der Hepatitis-C-Infektionen<br />
in Ägypten ein. Das Hepatitis-C-Virus ist<br />
erst seit 20 Jahren identifiziert. Nordägypten hat<br />
weltweit die höchste Prävalenz der Infektion.<br />
Ein Zusammenhang wird mit der früheren Verbreitung<br />
der parenteralen Bilharziose-Behandlung<br />
in den 60er Jahren gesehen. Damals wurden<br />
mit einer großen Spritze nach Abwischen<br />
der Nadel jeweils zehn Patienten behandelt. Damit<br />
stellt diese Hepatitis-C-Epidemie möglicherweise<br />
die bedeutendste iatrogene Krankheitsverbreitung<br />
überhaupt dar!<br />
Tropenmedizin in Deutschland: Fast ein Viertel<br />
der deutschen Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund.<br />
Dr. Michael Knipper, Gießen,<br />
beleuchtete als Medizinethnologe die soziokulturellen<br />
Aspekte von Krankheit und Gesundheit<br />
bei Migranten und sprach über die Bedeutung<br />
von Kultur und kulturellen Unterschieden<br />
für die Medizin. Die Indikation, Risiken und Nebenwirkungen<br />
des Begriffs „Migrant“ müssen<br />
betrachtet werden; so sprach man bis etwa<br />
2005 von Ausländern (ca. 9%), aber seit 2005<br />
von Menschen mit Migrationshintergrund. Die<br />
Verbreitung von Tradition, Anpassung und<br />
Neuidentifikation ist heterogen und bietet spezifische<br />
Krankheitsrisiken. Für die Versorgung<br />
sind kulturelle Stereotypien und die Fokussierung<br />
auf das Auffällige ein Grund für Missverständnisse;<br />
dabei wird die Respektierung von<br />
Anders-Sein häufig vergessen. Partizipative Ansätze<br />
ermöglichen eine adäquate Gesundheitsbetreuung.<br />
Dr. Yasar Bilgin, Gießen, bemängelte, dass nur<br />
ein Prozent der Kinderärzte in Deutschland<br />
Türken sind und eine angemessene Betreuung<br />
der zahlreichen Familien nicht möglich ist. Bei<br />
sprachlichen Unzulänglichkeiten der Familie<br />
kann es dazu kommen, dass türkischen Kindern<br />
Therapien verweigert werden. Ein Modellversuch<br />
„Frühstart – Deutsch und interkulturelle<br />
Bildung im Kindergarten“ mit Sprachförderung<br />
und Elternarbeit wird von dem Verein bereits in<br />
zehn deutschen Städten angeboten. Aus dem<br />
„Flüchtlingslager vor der Stadt“ berichtete<br />
Matti Köhler, Würzburg, über die ambulante<br />
medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen<br />
in der Gemeinschaftsunterkunft für<br />
Asylbewerber Würzburg. Nach dem Asylbewerbergesetz<br />
dürfen nur Behandlungen für<br />
akute Erkrankungen und Schmerzzustände,<br />
Hilfe für Schwangere und Wöchnerinnen sowie<br />
Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen<br />
angeboten werden; dieser eng gesteckte<br />
Rahmen muss durch sozialpädiatrische<br />
Leistungen und allgemeine Hilfestellungen unter<br />
Berücksichtigung psychischer Belastungen<br />
und Traumafolgen erweitert werden. Mangel<br />
an Arbeit und Einkommen, Angst und Hoffnungslosigkeit<br />
prägen das Heimleben.<br />
Weitere praktische Vorträge zur Tropenpädiatrie<br />
wurden von Angela Forero, Würzburg,<br />
mit einer Studie zum Erfolg einer antiviralen<br />
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