Universitätsblätter 2009 - Gießener Hochschulgesellschaft
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Thomas Groß<br />
<strong>Gießener</strong><br />
<strong>Universitätsblätter</strong><br />
42 | <strong>2009</strong><br />
Chancen und Grenzen von sozialen Netzwerken im Web 2.0<br />
Herbsttagung 2008 des Zentrums für Medien und Interaktivität zum Thema<br />
„Das Internet zwischen egalitärer Teilhabe und ökonomischer Vermachtung“<br />
Das „Web 2.0“ ist das Internet, bei dem jeder,<br />
der will, zum Sender von Inhalten werden<br />
kann. Blogs, Wikis oder Videoplattformen<br />
ermöglichen eine egalitäre Teilhabe an diesem<br />
Medium – oder doch nicht? Erobern die Nutzer<br />
das Netz? Oder sind sie selbst und das,<br />
was sie beitragen, eher Objekte eines großen<br />
Fischzugs, der sich nach neuen Marktregeln<br />
abspielt?<br />
Mit dem Schlagwort „Web 2.0“ wird der Beginn<br />
der Phase beschrieben, in der der eigene<br />
inhaltliche Beitrag einfacher Internetnutzer – der<br />
so genannte „user generated content“ – deutlich<br />
an Bedeutung gewonnen hat.<br />
Seit einer Konferenz im Herbst 2004 wird<br />
der Begriff „Web 2.0“ verwendet, um neue<br />
Nutzungsmöglichkeiten des Internets zu beschreiben,<br />
die sich weniger durch grundlegend<br />
andere Techniken als vielmehr durch dezentrale<br />
Anwendungen auszeichnen, die den<br />
„user generated content“ in den Mittelpunkt<br />
stellen. Jeder Nutzer des Netzes wird gleichzeitig<br />
als potenzieller Produzent von Inhalten<br />
angesehen, der mit einfachsten Mitteln von<br />
ihm verfasste Texte, selbst hergestellte Filme,<br />
Fotos, Musik etc. in das Netz einstellen kann.<br />
Damit entfernt sich das weltweite Netz noch<br />
weiter von den klassischen Massenmedien, als<br />
es ohnehin in seiner interaktiven technischen<br />
Struktur angelegt ist. Der Begriff „Web 2.0“<br />
ist aber unscharf und verdeckt, dass auch diese<br />
neuen Formen der Generierung und Verbreitung<br />
von Inhalten in soziale, ökonomische und<br />
juristische Strukturen eingebunden sind, die<br />
dem Ideal der egalitären Teilhabe aller Nutzer<br />
Grenzen setzen. Darüber diskutierte das Zentrum<br />
für Medien und Interaktivität (ZMI) der<br />
Justus-Liebig-Universität Gießen auf seiner<br />
Herbsttagung am 24./25. Oktober 2008 gemeinsam<br />
mit deutschen und internationalen<br />
Gästen.<br />
Die Tagung wurde im Margarete-Bieber-Saal<br />
durch den Geschäftsführenden Direktor des<br />
ZMI, Prof. Dr. Henning Lobin, und den Veranstaltungsleiter,<br />
Prof. Dr. Thomas Groß (FB<br />
Rechtswissenschaft),eröffnet.DenEinführungsvortrag<br />
hielt Prof. Dr. Karl-Heinz Ladeur, Universität<br />
Hamburg/Bremen, der sich für mehr<br />
Selbstregulierung im Netz einsetzte. An verschiedenen<br />
Praxisbeispielen zeigte er, wie von<br />
den Nutzern selbst geschaffene Regeln staatliche<br />
Vorschriften überflüssig machen könnten.<br />
Seiner Auffassung nach sollten insbesondere<br />
die Gerichte solche Prozesse der autonomen<br />
Regelfindung anregen und unterstützen.<br />
Die weiteren Vorträge und Diskussionen zum<br />
Tagungsthema fanden in vier Podiumsrunden<br />
statt. Panel eins stellte in einer politikwissenschaftlichen<br />
Perspektive den Netzverein gegen<br />
den traditionellen Ortsverein und hinterfragte<br />
damit die Zukunft politischer Partizipation. Die<br />
Runde, die von dem <strong>Gießener</strong> Politikwissenschaftler<br />
Dr. Christoph Bieber moderiert wurde,<br />
diskutierte kontrovers über die Potenziale des<br />
Bürgerjournalismus. Dr. Axel Bruns (Queensland<br />
University of Technology) sah hierin ein<br />
wichtiges Instrument zur Ergänzung der klassischen<br />
Printmedien. Andere Teilnehmer sahen<br />
eher die Gefahr, dass sie als neue Propagandainstrumente<br />
von Politikern dienen.<br />
Die zweite Gesprächsrunde beschäftigte sich<br />
thematisch mit der soziologischen Frage nach<br />
Marketing und Verbrauchervernetzung und den<br />
damit eventuell einhergehenden kulturellen<br />
Spannungslinien. Dr. Jörn Lamla, Soziologe an<br />
der Universität Gießen, organisierte dieses Panel.<br />
Adam Arvidsson (Universität Mailand) gab<br />
durch seinen Beitrag über eine „ethische Ökonomie“<br />
Anreize zu einer intensiven Diskussion,<br />
ob die Aktivierung der Verbraucher Ausdruck<br />
einer neuen egalitären Netzwerkökonomie ist<br />
oder eine geschickte Ausnutzung freiwilliger<br />
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