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Universitätsblätter 2009 - Gießener Hochschulgesellschaft

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Irene Häderle<br />

<strong>Gießener</strong><br />

<strong>Universitätsblätter</strong><br />

42 | <strong>2009</strong><br />

Vom Ausschluss zur Förderung.<br />

Frauen an der Universität Gießen 1908 bis 2008<br />

2008 war ein bedeutendes Jahr für die Frauen<br />

der Justus-Liebig-Universität. Zum einen<br />

weckte das von der Universität gefeierte Jubiläum<br />

„100 Jahre Frauenstudium an der Universität<br />

Gießen 1908–2008“ öffentliche Aufmerksamkeit<br />

für das Thema „Frauen an der Universität“.<br />

Das zweite für die Frauen wichtige<br />

Ereignis vollzog sich sehr viel unauffälliger in<br />

den universitären Gremien, die im November<br />

2008 ein neues Gleichstellungskonzept verabschiedeten.<br />

Denn trotz 100 Jahre Frauenstudium<br />

und 20 Jahre Frauenförderpolitik sind<br />

Frauen immer noch nicht paritätisch auf allen<br />

Ebenen der Universität vertreten. Nun wurde<br />

ein Maßnahmenkatalog verabschiedet, der<br />

möglicherweise eine neue Ära der Gleichstellungspolitik<br />

an der JLU einläuten wird. Noch nie<br />

wurde ein so umfassendes Maßnahmenpaket<br />

beschlossen, noch nie so viel Geld dafür zur<br />

Verfügung gestellt und noch nie hat sich die<br />

Universität selbst in diesem Ausmaß als Initiatorin<br />

und als Objekt zukünftiger Gleichstellungsmaßnahmen<br />

eingebracht.<br />

Die Parallelität der beiden Ereignisse ist Zufall, sie<br />

fordert aber zu einer Betrachtungsweise auf, die<br />

beide Themenbereiche miteinander verbindet.<br />

Seit 100 Jahren sind Frauen Teil dieser Universität,<br />

und immer noch besteht das Problem ihrer<br />

unvollendeten Integration. Hier hilft die Beschäftigung<br />

mit der Vergangenheit, die heutige Situation<br />

in historischer Perspektive zu sehen und sie<br />

damit besser zu verstehen. Jahrhunderte lang<br />

war die Universität in Deutschland eine Institution<br />

von Männern für Männer, und auch der<br />

Beginn des Frauenstudiums in Deutschland ab<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts änderte daran wenig.<br />

Erst der massive und kontinuierliche Ansturm<br />

der Frauen auf die Studienplätze seit den<br />

sechziger und siebziger Jahren bewirkte einen<br />

Strukturwandel der Universitäten – vor und parallel<br />

zum Wandel der Hochschulen vom traditionsreichen<br />

„Elfenbeinturm“ für eine kleine<br />

(männliche) Elite zur modernen „Massenuniversität“<br />

–, der die Basis bildete für das Aufkommen<br />

frauenpolitischer Forderungen, die Ausformung<br />

der Frauen- und Geschlechterforschung<br />

und die Institutionalisierung einer Frauenförderpolitik.<br />

Trotzdem blieb die Universität bis heute<br />

eine Institution, die vornehmlich von Männern<br />

geführt wird und in der die festen, bestdotierten<br />

Stellen im wissenschaftlichen Bereich fast ausschließlich<br />

in Männerhand sind. Frauen haben<br />

nur 15 Prozent aller Professuren inne, und auch<br />

in den Leitungsfunktionen von Gremien der akademischen<br />

Selbstverwaltung und der wissenschaftlichen<br />

Einrichtungen der Justus-Liebig-<br />

Universität sind sie gar nicht bzw. relativ selten<br />

anzutreffen (Präsidium: 0 Prozent, Dekanate:<br />

21 Prozent, Senat und Fachbereichsräte: 30 Prozent,<br />

Wissenschaftliche Zentren und Forschungsverbünde:<br />

13 Prozent). 1 Chancenungleichheit<br />

hat sich für Frauen im Verlauf der letzten 100<br />

Jahre von der Ebene der höheren Schulbildung<br />

und des Studiums auf die Ebene der höheren<br />

Berufsqualifikationen und Berufsaussichten verlagert.<br />

In Gießen sind zwar 66 Prozent aller<br />

Studierenden und sogar 72 Prozent aller UniversitätsabsolventInnen<br />

Frauen, bei den Promotionen<br />

fällt der Frauenanteil aber schon auf<br />

51 Prozent und bei den Habilitationen auf<br />

24 Prozent. 2<br />

Auch wenn diese Zahlen weiteren Handlungsbedarf<br />

auf der Ebene der Gleichstellungspolitik<br />

der Universität signalisieren, stellen sie doch einen<br />

deutlichen Fortschritt gegenüber früheren<br />

Jahren dar. Sie sind das Ergebnis einer zwanzigjährigen<br />

aktiven Frauenförderungspolitik, die in<br />

Hessen in den späten 1980er Jahren, an der Justus-Liebig-Universität<br />

im Jahre 1989 implementiert<br />

wurde, um das krasse Ungleichgewicht<br />

zwischen Frauen und Männern vor allem im<br />

Wissenschaftsbereich aufzuheben.<br />

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