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Universitätsblätter 2009 - Gießener Hochschulgesellschaft

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Abb. 3: Anne-Eva Brauneck, eine der ersten Ordinaria an<br />

der Universität Gießen. Sie wurde 1965 als bundesweit<br />

erste Frau auf den Lehrstuhl für Kriminologie und Kriminalpolitik<br />

an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät der JLU berufen. (Bildersammlung von<br />

Universitätsbibliothek und Universitätsarchiv Gießen)<br />

Zum Zeitpunkt der Wiedererlangung des<br />

Ranges einer Universität im Wintersemester<br />

1957/58 hatten es gerade einmal zwei Frauen<br />

zu einer Stelle als Lehrbeauftragte geschafft.<br />

Erst in den sechziger Jahren wurden Frauen<br />

auch auf Lehrstühle berufen und vermehrt als<br />

habilitierte Lehrkräfte eingestellt. Die Zahl aller<br />

weiblichen Lehrenden in Gießen stieg in den<br />

zwölfeinhalb Jahren 1957/58 bis 1970 von<br />

zwei auf insgesamt 40. Von diesen waren acht<br />

Professorinnen, weit mehr Frauen hatten Positionen<br />

als Lehrbeauftragte, Lektorinnen und<br />

(Ober-)Studienrätinnen inne.<br />

Der doch recht beachtliche Anstieg weiblicher<br />

Lehrender im Verlauf nur eines guten Jahrzehnts<br />

war einer Entwicklungsphase in der Geschichte<br />

der <strong>Gießener</strong> Universität zu verdanken, die<br />

durch enormes Wachstum und eine beispiellose<br />

Bautätigkeit gekennzeichnet war. Allerdings<br />

muss wohl eher von einem trickle down-Effekt<br />

der Wirtschaftswunder- und Bildungsreformjahre<br />

gesprochen werden als von einer Richtungsänderung<br />

in der Einstellungspolitik der<br />

Universität. „Weibliche Ordinarien werden erst<br />

dann berufen, wenn der Markt es erfordert“,<br />

hatte Prof. Dr. Helge Pross in einem Interview<br />

1968 betont, und tatsächlich profitierten in Gießen<br />

Frauen von den Personalengpässen, die<br />

durch den raschen Ausbau der Philosophischen<br />

und der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultäten Mitte der sechziger Jahre entstanden.<br />

Dieser Effekt zeigte auch noch in den<br />

folgenden Jahren Wirkung, als Anfang der siebziger<br />

Jahre weitere weibliche Lehrkräfte eingestellt<br />

wurden. Bis zum Wintersemester 1976/77<br />

hatten insgesamt 17 Frauen ordentliche Professuren<br />

an der <strong>Gießener</strong> Universität inne, immerhin<br />

dreieinhalbmal mehr Frauen als noch sechs<br />

Jahre zuvor. Auch prozentual stieg ihr Anteil damit<br />

auf 5,1 Prozent. Heute wissen wir, dass sich<br />

dieser Trend nicht fortsetzen sollte. Das Anwachsen<br />

des Frauenanteils an den Professuren<br />

der JLU verlangsamte sich gewaltig. Ganze 20<br />

Jahre später erreichten Frauen nur einen Anteil<br />

von 8,6 Prozent unter den Professuren. Dieser<br />

konnte in den zehn Folgejahren bis 2008 auf einen<br />

Anteil von 15 Prozent gesteigert werden. 7<br />

Frauen begehren auf:<br />

Frauenbewegung und die Anfänge<br />

einer Frauenförderpolitik an der JLU<br />

Die wachsende Präsenz von Studentinnen an<br />

der Universität ab den 1960er Jahren machte<br />

ihre widersprüchliche Situation in dieser Bildungsinstitution<br />

umso deutlicher. Um Erfolg zu<br />

haben, mussten sich Frauen an durch männliche<br />

Normen geprägte Strukturen und Anforderungen<br />

der Hochschule anpassen, in der<br />

Wissenschaft wie in der Lehre hatten sie kaum<br />

weibliche Vorbilder, und sie trafen, wie schon<br />

die Jahrzehnte zuvor, auf negative Vorurteile<br />

und Diskriminierung. Frauen hatten weder eine<br />

Öffentlichkeit noch eigene Netzwerke an der<br />

Universität. Auch frauenspezifische Maßnahmen<br />

und Einrichtungen wie Frauenforschung,<br />

Frauenbeauftragte oder das Lesben- und Frauenreferat<br />

des AStA waren in Deutschland bis in<br />

die siebziger Jahre hinein völlig unbekannt.<br />

Die „besonders kritische Lage der Studentinnen“<br />

an der Justus-Liebig-Universität be-<br />

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