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Seite 94 TELEFUNKEN – ZEITUNG Nr.17<br />
terer führte die Bürger aus allen Ständen zum<br />
geistigen Leben durch Vorträge, Liebhabertheater<br />
und Anderes zusammen.<br />
Es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß<br />
sich nach Kriegen eine neue geistige Richtung<br />
im Volke bemerkbar macht. Nach dem<br />
Kriege 1870 schuf der Oberprediger Dr.<br />
Stürzebein aus der Volksschule die Anfänge<br />
einer höheren Bürgerschule; im Jahre 1875<br />
konnten die ersten 6 Abiturienten entlassen<br />
werden. Mit dieser Zeit hörte das alte Spießbürgerleben<br />
auf. Es kamen Bauernsöhne vom<br />
Lande zum Besuch dieser Schule in die Stadt,<br />
man fing immer mehr zu reisen an, die Kultur<br />
wuchs, so daß die Behörden ebenfalls an<br />
größere Einrichtungen der Geschäftsbetriebe<br />
denken mußten. Die Entwicklung der Stadt<br />
ging nun schneller vor sich; so war bereits<br />
1864 eine Gasanstalt erbaut worden. Das gesellschaftliche<br />
Vereinsleben wuchs und Nauen<br />
vergrößerte sich an Einwohnerzahl. Während<br />
Nauen 1813 2400 Einwohner hatte, stieg diese<br />
Zahl 1848 auf 4800 und beträgt jetzt 10000<br />
Einwohner. Im Jahre 1886—87 wurde die<br />
Zuckerfabrik erbaut, welche nach allen Richtungen<br />
den Handelsverkehr und das Vermögen<br />
der Havelländer hob und heute noch fördert.<br />
Ganz besonders verdanken wir ihr den<br />
Einfluß, der zum Bau der Kleinbahnen wesentlich<br />
beigetragen hat.<br />
So zeigt sich nun Nauen heute als eine<br />
freundliche märkische Stadt. Vor dem Rathause<br />
befindet sich der Königsplatz, auf dem<br />
das Denkmal Friedrichs I. steht, der sich um<br />
die Urbarmachung des havelländischen Luchs<br />
verdient gemacht hat. Gegenüber ist das<br />
Landratsamt mit den verschiedenen Verwaltungshäusern<br />
und in nächster Nähe der wohlgepflegte<br />
Stadtpark, in welchem das Kriegerdenkmal<br />
steht und an besonderen Tagen die<br />
Wasserkunst lustig plätschert. Im Innern der<br />
Stadt, welche gut gepflasterte Straßen hat,<br />
befindet sich die Jakobikirche, die Mädchenschule<br />
mit dem Stadtmuseum, die höhere<br />
Mädchenschule, das Amtsgericht. Die Mittelstraße<br />
ist die Hauptverkehrsader; in ihr befinden<br />
sich die meisten Geschäfte und diese<br />
erzeugen ein recht reges Leben. Von hier<br />
entwickelt sich der Hauptverkehr zum Staatsbahnhof.<br />
Verlassen wir auf diesem Wege den<br />
alten Stadtteil, so sehen wir in der Dammstraße<br />
rechts die Peter-Paulskirche, links das<br />
Postamt und das neu erbaute Realgymnasium.<br />
Diese Straße heißt deshalb Dammstraße,<br />
weil sie ursprünglich ein Knüppeldamm gewesen<br />
ist. Die Alten bauten diese Holzwege<br />
aus Baumstämmen in einer Länge <strong>von</strong> 2 bis<br />
4 m und sägten sie dreikantig; ihnen war<br />
bekannt, daß dreieckige Balken sicher ruhen;<br />
ein Original befindet sich im Stadtmuseum.<br />
Dieser Damm war <strong>von</strong> altersher der einzige<br />
Verkehrsweg durch das Luch. Er muß sehr<br />
alt sein, denn am 21. Juli 981 schenkte Kaiser<br />
Otto II. seiner Gemahlin Theophana Novenis<br />
castrum, die Burg Nauen.<br />
Am 18. Juni 1675 verkündeten die Turmglocken<br />
<strong>von</strong> der St. Jakobikirche dem<br />
großen Kur<strong>für</strong>sten den glorreichen Tag <strong>von</strong><br />
Fehrbellin; auf demselben Damm zogen seine<br />
Truppen durch Börnicke, Linum und Hakenberg,<br />
wo die Schlacht stattfand. Wir verlassen<br />
die Stadt und gehen durch die sechs<br />
Bahnüberfahrten weiter; links breitet sich das<br />
havelländische Luch aus und rechts liegt die<br />
Gasanstalt und das neu erbaute Schützenhaus.<br />
Nachdem man die große Grabenbrücke überschritten,<br />
gelangt man bald zum Walde, über<br />
welchem <strong>von</strong> weitem her schlank die Telefunkentürme,<br />
die heute der Stolz Nauens sind,<br />
emporragen. Mit einer gewissen Anmaßung<br />
sagen die Nauener zu den Fremden: Haben<br />
Sie schon unsere Funkentürme gesehen? Als<br />
am 30. März der zuerst erbaute Turm umgefallen<br />
war, war ein allgemeines Bedauern in<br />
der Bürgerschaft vorhanden. Was wird nun?<br />
Ein jeder fühlte, daß die Weltbedeutung Nauens<br />
in Frage gestellt war. (Dagegen herrschte<br />
allgemeine Freude, als am 11. Februar 1911<br />
der Turm vom Rathaus vom Wirbelwind abgedreht<br />
wurde).<br />
Die Funkenstation bildet nicht nur <strong>für</strong><br />
wissenschaftliche Vereine und Interessenten<br />
aus aller Herren Ländern eine große Anziehungskraft,<br />
sondern ganz besonders auch<br />
<strong>für</strong> uns. Wir Nauener sind und bleiben stolz<br />
auf unsere Funkentürme. Wenn diese auch<br />
Niemandem <strong>von</strong> uns gehören, so werden sie<br />
doch immer unser bleiben. Wir wissen, daß<br />
der Name unserer guten Stadt durch sie in der<br />
ganzen Welt bekannt geworden ist.