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Seite 90 TELEFUNKEN – ZEITUNG Nr.17<br />
Bild 80<br />
Die Stadt Nauen<br />
Von G. Eckler, Nauen<br />
„Ob Nord, Süd, Ost, West,<br />
in Nauen ist's am allerbest!"<br />
hieß das Verslein, welches mein Kollege Pohl<br />
am 20. Oktober 1892 in seinem Schaufenster<br />
als erleuchtetes Transparent zeigte; er wollte<br />
seinem Wohlergehen in Nauen einen bürgerlich<br />
zufriedenen Ausdruck verleihen und ersann<br />
es daher.<br />
Wir feierten an diesem Tage das 600jährige<br />
Stadtjubiläum. Die alten Römer würden sagen:<br />
„ubi bene ibi patria“; da nun aber am<br />
10. Juni 1156 Albrecht der Bär Nauen eroberte<br />
und die deutsche Sprache einführte, ist<br />
es schon besser, wir halten die deutsche<br />
Sprache in Ehren, trotzdem der Nauener noch<br />
seine alte Sprache, mit wendischen Sprachresten<br />
durchwebt, bis heute beibehalten hat.<br />
Die Stadt hatte <strong>von</strong> jeher schwere Schicksalsleiden<br />
zu durchleben; weil sie an der Heerstraße<br />
lag, wurde sie <strong>von</strong> den Quitzows, später<br />
<strong>von</strong> Ernst <strong>von</strong> Mansfeld und <strong>von</strong> Tilly zerstört;<br />
einige große Brände hemmten ebenfalls<br />
ihr Aufblühen. Sehr bedauerlich empfindet<br />
man es noch heute, daß am 14. Mai 1695 durch<br />
einen großen Brand das Rathaus vernichtet<br />
wurde und dadurch sämtliche Urkunden verloren<br />
gingen. Die eiserne Zähigkeit, welche<br />
dem Märker eigen ist, ließ ihn nicht ruhen,<br />
immer wieder das Verlorene neu erstehen zu<br />
lassen, und so sehen wir Nauen anno 1813<br />
als ein Städtchen <strong>von</strong> 2400 Einwohnern, worunter<br />
auch Juden waren, die ein eigenes Gotteshaus<br />
besaßen.<br />
Im Mittelalter mag es wohl in Nauen still<br />
gewesen sein; die Ackerbürger gingen emsig<br />
an ihre Arbeit und verlebten ohne geistige Einflüsse<br />
durch die Naturarbeit ein Jahr so wie<br />
das andere. Dagegen war das Handwerksleben<br />
reger. Es waren alle Gewerbe in Nauen<br />
vertreten, sogar Zinngießer, die ihre eigene<br />
Marke führten. Durch die Jahrmärkte kam<br />
eine Abwechselung in das alltägliche Leben.<br />
1317 gab Markgraf Waldemar der Stadt das<br />
Recht, Jahrmärkte abhalten zu dürfen, welche<br />
aber 1892 aufhörten. Der Jahrmarkt war <strong>für</strong><br />
die Einwohner der Stadt und der umliegenden<br />
Dörfer <strong>von</strong> großer Bedeutung. Die Handwerker,<br />
welche alle nebenbei eine kleinere Landwirtschaft<br />
betrieben, verkauften die selbstgefertigten<br />
Gegenstände und erfreuten sich des<br />
Erlöses; ebenso kaufte oder verkaufte der<br />
Ackerbürger seine Produkte, hauptsächlich<br />
Wolle; auch befand sich der Viehmarkt in vol-