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Nr.17 TELEFUNKEN – ZEITUNG Seite 91<br />
lem Schwung. An den Hauptmarkttagen bekamen<br />
die Knechte und Mägde den Lohn; an<br />
diesem Tage wurde das Gesinde gemietet, das<br />
vierteljährliche Mieten <strong>von</strong> Gesinde war nicht<br />
Sitte. Durch irgendwelche Verhältnisse muß<br />
sich ein Zusammenschluß der Ackerbürger<br />
nötig gemacht haben, denn 1773 entstand<br />
die Koppelkommune, die heute noch die entlegenen<br />
Landwege zu ihren Aeckern auf eigene<br />
Kosten in Ordnung hält. In früheren Tagen<br />
wurde die Zeit der Zusammenkünfte der<br />
Ackerbürger durch die Wröh-Glocke, die bis<br />
1874 im Kirchturm hing, bekanntgegeben. Dagegen<br />
war das Leben der Handwerker ein anderes.<br />
Die Gewerke wurden durch die Nachbarstädte<br />
und durch die Zunftrechte geistig<br />
mehr beeinflußt. Der Handwerker führte<br />
Kämpfe gegen die Obrigkeit und gegen die Patrizier,<br />
welche, wie noch heute, den Handwerker<br />
gegen die Wand drücken wollten. Am<br />
meisten waren den Patriziern die wandernden<br />
Gesellen im Wege; diese brachten Nachrichten<br />
<strong>von</strong> einer Stadt zur andern, zerstörten auch<br />
häufig die Pläne der Patrizier, wodurch die<br />
Innungen (welche später dennoch heimlich<br />
bestanden) 1530 aufgelöst wurden. Letztere<br />
erlangten ihre privilegierten Rechte erst 1648<br />
wieder. Der 30- und der 7jährige Krieg hielten<br />
die fortschrittlichen Bestrebungen im<br />
Handwerk ebenfalls auf; erst als sich Kur<strong>für</strong>st<br />
Friedrich III., der spätere König<br />
Friedrich I., der Innungen annahm, erhielt<br />
jede Innung ein erneuertes geschriebenes Privilegium,<br />
und damit kam wieder Ordnung in<br />
das Innungsleben. Der Bürger fühlte sich allmählich<br />
durch die geregelten Verhältnisse<br />
wohler; jedoch sollte dieses Wohlergehen<br />
nicht lange dauern. Als 1806 das Kriegsunglück<br />
über das Vaterland kam, wurde Nauen<br />
da<strong>von</strong> schwer betroffen. Die Bürger lehnten<br />
die schweren Lasten am 16. Januar 1806 ab,<br />
erhielten aber am 18. Januar vom Steuerrat<br />
<strong>von</strong> Lindemann in Lindow die Antwort, daß<br />
sich die Bürger in Lieferungs- und Einquartierungslasten<br />
zu finden hätten. Am 17. Oktober<br />
kam die Königin Luise auf der Flucht<br />
durch Nauen und erfuhr beim naheliegenden<br />
Sandkrug durch einen Kurier die Niederlage<br />
<strong>von</strong> Jena und Auerstädt. Zwei Tage später<br />
flüchtete der König durch Nauen und mit ihm<br />
die Kriegskasse. Zu derselben Zeit erschienen<br />
die Bernadotteschen Truppen, und da<br />
diese die Kriegskasse hier nicht fanden, bedrängten<br />
sie die Bürger in unflätiger Weise,<br />
wozu sich noch das Mißgeschick gesellte, daß<br />
niemand in der Stadt der französischen<br />
Sprache mächtig war. Der Retter in der Not<br />
war der Hallenser Student Wilhelm Salpius,<br />
der seine Eltern, — der Vater war hier Prediger<br />
— besuchte. Den Einflüssen des jungen<br />
Salpius war es zu verdanken, daß die<br />
Verhältnisse erträglicher wurden; aus Dankbarkeit<br />
wählten ihn die Bürger zum Bürgermeister.<br />
Er lehnte diese Ehre ab. Wie unendlich<br />
groß die obigen Lasten <strong>für</strong> die Stadt<br />
<strong>von</strong> 2400 Einwohnern waren, ersieht man daraus,<br />
daß vom 24. Aug. 1807 bis 15. Juni 1808<br />
3296 Offiziere, 6287 Unteroffiziere und 71869<br />
Gemeine viele Tage lang verpflegt werden<br />
mußten. Die immerwährenden Durchmärsche<br />
<strong>von</strong> Truppen schwächten das Vermögen der<br />
Bürger und ruinierten die Landwege derartig,<br />
daß z. B. ihre Benutzung <strong>von</strong> Friesack nach<br />
Nauen im Amtsblatt 1816 amtlich verboten<br />
wurde. Das Jahr 1813 verlangte, nachdem<br />
Nauen bereits erschöpft war, noch größere Opfer.<br />
Am 18. Mai verfügte der Landrat, Nauen<br />
solle 50000 Quart Branntwein <strong>für</strong> die<br />
durchziehenden Truppen liefern; dies war aber<br />
nicht möglich, da nur noch 500 Quart Branntwein<br />
vorhanden waren; dennoch wurden in<br />
3 Wochen 5400 Quart Branntwein in 26 Fässern<br />
nach Trebbin gefahren. Aehnlich erging<br />
es mit Lieferungen <strong>von</strong> Brot, Pferden, Bekleidungsstücken,<br />
wodurch die Kriegskasse, die<br />
im Januar 15 Taler besaß, vollständig versagte.<br />
Der Magistrat war genötigt, Geld <strong>von</strong> einer<br />
Ww. Dorothee Plesser in Berlin, 5000 Taler<br />
zu 6 Prozent Zinsen, zu leihen, und verpfändete<br />
<strong>für</strong> diese Schuld das Erbpachtvorwerk<br />
Neukammer, das seit 1315 zur Stadt Nauen<br />
gehörte. Ebenfalls wurden der Schneiderund<br />
Schuhmacher-Innung große Auflagen<br />
gestellt, die aber wegen der herrschenden<br />
Geldnot sich langsamer, als gefordert, abwickelten.<br />
Haftstrafen erließ der Magistrat<br />
in den Jahren 1813—16 wegen Vergehen nicht;<br />
die Sühne war nur bares Geld <strong>für</strong> die Stadtkriegskasse.<br />
In dieser traurigen Zeit nahm<br />
der Diebstahl, der auch <strong>von</strong> vielen Bürgern<br />
ausgeführt wurde, überhand. Später, noch am<br />
4. April 1845, erließ der Magistrat ein „Statut<br />
über die bürgerlichen Ehrenrechte solcher<br />
Personen in Nauen, welche sich des Holzdiebstahls<br />
schuldig machen.“ Durch dieses<br />
Statut ging ein Bürger, der dreimal beim<br />
Holzdiebstahl gefaßt wurde, zeitlebens der<br />
bürgerlichen Ehrenrechte verlustig.<br />
Nachdem der Krieg 1815 beendet war, trat<br />
in Nauen eine Zeit der Besitzlosigkeit ein,<br />
durch welche z. B. die Schützengilde 40 Morgen<br />
Land, an dem Wege nach Lietzow liegend,<br />
verlor.<br />
Die Stadt Nauen hat während dieser Zeit<br />
das Stadtbild beibehalten. Rings um die