PDF file - Öko-Institut eV
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l»ko-<strong>Institut</strong> e.V.<br />
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Etikettierung von Lebensmitteln liest und sich daraufhin für oder gegen ein Produkt<br />
entscheidet. Gentechnisch veränderte Lebensmittel - wie Tomaten - sind in Großbritannien<br />
schon seit geraumer Zeit mit entsprechender Kennzeichnung auf dem Markt<br />
erhältlich. Problematisch ist dieses Verbraucherleitbild, weil es nur diejenigen vor<br />
falschen Erwartungen schützt, die beim Kauf eines Produkts das gesamte Etikett<br />
aufmerksam lesen.<br />
Dem deutschen Lebensmittelrecht liegt demgegenüber ein Verbraucherleitbild<br />
zugrunde, das die Schutzwürdigkeit des/der VerbraucherIn stärker betont. Hierzulande<br />
vertrauen VerbraucherInnen darauf, dass Lebensmittel in traditioneller Weise zusammengesetzt<br />
sind und den allgemeinen wissenschaftlichen Anschauungen entsprechen<br />
(REINECKE 1997). Man geht deshalb von sachunkundigen VerbraucherInnen<br />
aus, die eine Lebensmittelkennzeichnung bestenfalls flüchtig lesen und deshalb nicht<br />
allein durch Kennzeichnungsvorschriften geschützt werden können. In Deutschland<br />
hat sich deshalb ein starker staatlicher Verbraucherschutz, z.B. durch den Erlass<br />
konkreter Produktvorschriften und gegebenenfalls Verkehrsverbote durchgesetzt<br />
(RINGEL 1996).<br />
Dagegen geht der EuGH aufbauend auf dem Cassis-de-Dijon-Urteil von 1979 in<br />
ständiger Rechtsprechung von mündigen europäischen VerbraucherInnen aus<br />
(RINGEL 1996). Er vertritt das Leitbild von einem entwicklungsoffenen und kritischen<br />
Verbraucher, dem es zuzumuten sei, selbständig zu entscheiden und bisherige<br />
Konsumgewohnheiten zu ändern. Der europäische Verbraucher ist deshalb weniger<br />
schutzwürdig, sondern muss selbständig entscheiden, welche Produkte seinen Gesundheitsvorstellungen<br />
entsprechen. Der EuGH berücksichtigt bei seinem Leitbild<br />
jedoch nicht die aktuellen gesellschaftlichen Einflüsse: Die Schnelllebigkeit im Alltag<br />
lässt den VerbraucherInnen keine Zeit, sich über jedes einzelne Produkt eingehend<br />
zu informieren, ein übergroßes Warenangebot erschwert die Auswahl und nicht<br />
zuletzt schränkt ein nur begrenztes Ausgabenbudget die Produktauswahl für viele<br />
VerbraucherInnen erheblich ein.<br />
Es bleibt die Frage, ob die europäischen Kennzeichnungsregelungen ausreichend<br />
sind, um ein solches Leitbild für die VerbraucherInnen in zumutbarer Weise in die<br />
Praxis umzusetzen.<br />
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Die Lebensmittelkennzeichnung wird grundlegend durch die Kennzeichnungs-<br />
Richtlinie 56 geregelt.<br />
So muss auf einem in Europa gehandelten Produkt die Verkehrsbezeichnung, die<br />
Liste der Zutaten, die Füllmenge, das Haltbarkeitsdatum, Name und Anschrift des<br />
Herstellers und eine Chargennummer angegeben sein (Art. 1-10 RL 79/112/EWG).<br />
56 RL 79/112/EWG.