Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-10-28 (Vorschau)
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Linde-Chef Wolfgang Reitzle etwa. Mit<br />
Leithners Hilfe zog er 2005 die Übernahme<br />
des britischen Industriegasherstellers<br />
BOC durch. Zusammen saßen sie oft bis<br />
spät in die Nacht an den Details des Deals,<br />
der aus dem Mischkonzern mit einem<br />
Schlag ein ganz anderes Unternehmen<br />
machte. Leithner hat Reitzle dabei schwer<br />
imponiert. Durch seinen Einsatz, seine intellektuelle<br />
Brillanz. Und sein klares Bewusstsein<br />
für die Grenzen des Zulässigen,<br />
sein penibles Einhalten aller Vorschriften.<br />
„Seine ethischen Grundsätze, seine persönliche<br />
Integrität sind beeindruckend“,<br />
lobt Reitzle.<br />
ERNSTE VERÄNDERUNGEN<br />
Auch Fresenius-Chef Ulf Schneider hörte<br />
bei Transaktionen bevorzugt auf Leithner.<br />
Mit ihm leitete er etwa die Milliardenübernahmen<br />
von Renal Care und APP ein. „Stephan<br />
Leithner ist stets verfügbar, stets bestens<br />
vorbereitet, stets sehr hilfreich“, sagt<br />
Schneider. „Er verkörpert Solidität und Bescheidenheit<br />
mit weltoffener Einstellung<br />
und internationaler Erfahrung. Er selbst<br />
braucht keinen Kulturwandel, weil er keine<br />
Exzesse zu verantworten hat.“<br />
So wie Leithner<br />
schon ist, soll die<br />
ganze Deutsche<br />
Bank werden<br />
Nicht alle Kunden sind so voll des Lobes.<br />
Bei den abgebrochenen Anläufen von Evonik<br />
an die Börse etwa war der Chemiekonzern<br />
mit der Rolle der Deutschen Bank unter<br />
Führung Leithners alles andere als zufrieden.<br />
Und doch loben selbst Konkurrenten<br />
seine Integrität, seine tiefe Verwurzelung<br />
im Kundengeschäft. Dass es ihm ernst<br />
ist mit den Veränderungen, bezweifelt keiner.<br />
Seine Herkunft aus dem Investmentbanking<br />
soll ihm Glaubwürdigkeit und Autorität<br />
geben, um den Wandel auch dort<br />
durchzusetzen. Wie Leithner schon ist, so<br />
die Vorstellung, soll das ganze Investmentbanking<br />
der Bank einmal werden.<br />
Wandel tut hier not. Längst ist bekannt,<br />
dass es in einigen Büros in Leithners Nachbarschaft<br />
in den Jahren vor 2008 hoch und<br />
nicht immer legal herging. „Da wurden<br />
Produkte entwickelt, bei denen man wusste,<br />
dass sie vermutlich implodieren würden,<br />
und für die man später den Aufräumdienst<br />
verkaufen wollte“, erzählt ein Insider.<br />
Es boomten die Verbriefungen amerikanischer<br />
Ramschhypotheken, und eine<br />
Spezial-Verkaufstruppe zog los, um Kommunen<br />
und Mittelständlern Produkte zu<br />
verkaufen, mit denen die ihre Zinsrisiken<br />
absichern sollten. Schon weil diese Kunden<br />
keine Ahnung von Marktpreisen hatten,<br />
gingen die Gewinne der Bank steil<br />
nach oben. Kurzfristig jedenfalls.<br />
Nun verlangen viele Geschädigte Genugtuung.<br />
Leithner hat den undankbaren<br />
Job, den von den Kollegen angerichteten<br />
Schlamassel aufzuarbeiten. Wie hoch der<br />
Schaden letztlich ist und für wie viel die<br />
Bank geradestehen muss, ist noch nicht<br />
absehbar. Drei Milliarden Euro hat sie für<br />
Rechtsstreitigkeiten zurückgestellt. Aber<br />
ob das reicht? „Da wird noch einiges hochkommen“,<br />
fürchtet ein Top-Manager der<br />
Bank. Schon bei der Vorlage der Quartalszahlen<br />
an diesem Dienstag muss wohl<br />
noch mal kräftig aufgestockt werden. »<br />
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