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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-10-28 (Vorschau)

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Politik&Weltwirtschaft<br />

Großmut ist nicht angebracht<br />

FORUM | Grüne und Linke verlangen eine Stärkung ihrer Oppositionsrechte, notfalls auch durch eine<br />

Änderung des Grundgesetzes. Doch wird die Verfassung auch zugunsten von FDP und AfD geändert?<br />

Und steht den Grünen und der Linken überhaupt ein Minoritätenbonus zu? Von Bettina Röhl<br />

Da alle Zeichen auf Bildung einer Koalition aus Union und SPD<br />

stehen, reklamieren Linkspartei und Grüne lautstark erweiterte<br />

Rechte für die von ihnen repräsentierte Kleinst-Opposition.<br />

Die vielen parlamentarischen Rechte, die der Linkspartei und<br />

den Grünen (zusammen 17 Prozent Stimmanteil und etwa 20 Prozent<br />

Anteil an Parlamentssitzen) verwehrt sind, wollen diese jetzt<br />

mit einer Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags<br />

und sogar mit einer Änderung des Grundgesetzes durchsetzen.<br />

Es geht um mehr Redezeit. Es geht um die Möglichkeit zur Einsetzung<br />

eines Untersuchungsausschusses oder einer Enquete-<br />

Kommission. Es geht um erweiterte Expertenanhörungen<br />

und insbesondere<br />

auch um die Möglichkeit, ein Normkontrollverfahren<br />

vor dem Bundesverfassungsgericht<br />

anstrengen zu können. Hierfür<br />

hat die Verfassung mit Bedacht eine<br />

25-Prozent-Hürde vorgesehen. Die zukünftige<br />

kleine Opposition hat aber nur 20<br />

Prozent. Union, SPD und auch Bundestagspräsident<br />

Norbert Lammert haben<br />

bereits Großzügigkeit signalisiert. Einzig<br />

die Union sperrt sich dagegen, jetzt gleich<br />

das Grundgesetz zu ändern.<br />

Und in der Tat: Bevor man auf die Verhältnisse<br />

in einer bestimmten Legislaturperiode<br />

hin, Gesetze oder gar eine Verfassung<br />

ändert, weil angeblich ohne diese Änderung<br />

die Demokratie in Gefahr wäre, müsste<br />

es doch schon etwas dicker kommen. Die Wähler haben entschieden,<br />

wie stark sie die Opposition haben wollen. Quoren zu senken,<br />

um deren Macht nachträglich zu erhöhen, hat – bei allem Verständnis<br />

dafür, dass Demokratie auch von der Opposition lebt – in Wahrheit<br />

etwas Gespenstisches.<br />

WIE BEI DER EUROPAWAHL<br />

Sollten jetzt tatsächlich verfassungsrangige Hürden nachträglich<br />

herabgesetzt werden, dann könnten FDP und AfD mit Fug und<br />

Recht nachträglich die Herabsetzung der Fünf-Prozent Hürde verlangen;<br />

etwa auf drei Prozent, wie bei der Europawahl. Dies wäre<br />

demokratisch weitaus sauberer als dunkelrot-grüne Privilegien zu<br />

verteilen. Immerhin sind auch FDP und AfD zwei veritable Oppositionsparteien.<br />

Säßen die beiden Parteien, die immerhin knapp<br />

zehn Prozent der Wähler repräsentieren, mit im Bundestag, wären<br />

auch alle Quoren für die Opposition erfüllt, die Linkspartei und<br />

Grüne jetzt per Geschäftsordnung und per Gesetz für sich erzwingen<br />

wollen. Aber das wollen die Grünen und die Linkspartei bei ihrem<br />

hehren Geschrei für die Demokratie natürlich nicht.<br />

Die Geberlaune der großen Parteien gegenüber den Grünen<br />

und der Linken ist daher alles andere als angebracht. Seit ihrer<br />

Gründung vor mehr als 30 Jahren verfügen die Grünen über eine<br />

wahrhaft überproportionale Medienmacht. Sie sind seit Jahrzehnten<br />

die Themensetzungspartei schlechthin, sie beherrschen den<br />

öffentlichen Diskurs über weite Strecken. Grüne Politik und grüne<br />

Politiker sind in den Medien omnipräsent. Ihr Programm wird,<br />

häufig in seiner vollen Widersprüchlichkeit, mehr als das anderer<br />

Parteien rauf und runter kommuniziert. Zudem ist die mediale Bewertung<br />

grüner Politik auffallend und notorisch positiv. Unter diesem<br />

Gesichtspunkt benötigen die Grünen als kleine zukünftige<br />

Oppositionspartei keinen besonderen Minoritätenschutz.<br />

Auch die noch nicht als solche erkannte<br />

fünfte und kontinuierlich mächtiger<br />

werdende Gewalt im Staate, in Form einer<br />

unübersichtlichen Industrie wissenschaftlicher<br />

Forschungsinstitute mit ihren<br />

sogenannten Experten, ist grün und zu<br />

einem geringeren Teil rot beherrscht.<br />

Diese Institute, von Universitäten über<br />

öffentlich geförderte Vereine und Stiftungen<br />

bis hin zu privat finanzierten und<br />

meist öffentlich begünstigten Einrichtungen,<br />

beeinflussen entscheidend, was<br />

veröffentlicht wird, wie es veröffentlicht<br />

Bettina Röhl lebt als Publizistin in wird und über welche Themen Studien<br />

Hamburg. 2001 wurde sie mit Enthüllungen mit welcher Zielrichtung verfasst werden.<br />

zur Gewaltvergangenheit des damaligen So gestaltet auch dieser Industriezweig<br />

Außenministers Joschka Fischer bekannt. nicht unwesentlich grüne Politik.<br />

Auch die Linkspartei kommt medial<br />

umfangreicher und intensiver rüber, als es ihrem Stimmanteil bei<br />

Wahlen entspricht. Fakt ist, dass sich Grüne (8,4 Prozent) und Linke<br />

(8,6 Prozent) auch in Zukunft keine Sorgen über ihre Darstellung in<br />

den Medien machen müssen. Im Gegenteil. Eine Mischung aus<br />

Mitleid und falsch empfundener Fairness seitens der Medien dürfte<br />

dazu führen, dass die Präsenz der linken Opposition im öffentlichen<br />

Raum weiter zunehmen wird – und dies eben in steigendem<br />

Maße überproportional zu deren Bedeutung. Last, but not least<br />

sind die Grünen die einzige deutsche Partei, die über eine wirkliche<br />

außerparlamentarische Kampagnenfähigkeit verfügt und sich dieser<br />

Fähigkeit auch bewusst ist. Die Grünen waren immer auch parallel<br />

als Apo auf der Straße vertreten – eine wesentliche Basis ihrer<br />

Macht. Auch deshalb kommt ein besonderer Minoritätenschutz<br />

nicht in Betracht.<br />

n<br />

FORUM DER FREIHEIT<br />

Die WirtschaftsWoche lädt Ihre Leser ein, sich in einem neuen<br />

Online-Forum mit der Idee der Freiheit auseinanderzusetzen.<br />

Was bedeutet heute Freiheit? Wo ist sie durch den Staat gefährdet?<br />

Schreiben Sie uns unter www.wiwo.de/forumderfreiheit<br />

FOTO: PR/PAUL SCHIRNHOFER<br />

34 Nr. 44 <strong>28</strong>.<strong>10</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />

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