Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-10-28 (Vorschau)
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Unternehmen&Märkte<br />
Sortierer in Aufruhr<br />
DEUTSCHE POST | Der Logistikkonzern hat Anteile eines<br />
Unternehmens gekauft, das rüde gegen Wettbewerber vorgehen soll.<br />
Mit dem Einstieg der Bonner begann eine<br />
Serie fragwürdiger Methoden. Postcon<br />
etwa war einer der Hauptkunden von<br />
Compador. Mit deren Maschinen sortierte<br />
die TNT-Tochter die bei Großkunden eingesammelten<br />
Briefe. Die meisten Sendungen<br />
wurden über Zusteller der Muttergesellschaft<br />
TNT und regionale Kooperationspartner<br />
ausgeliefert. Einen Teil speiste<br />
Postcon in das Zustellnetz der Deutschen<br />
Post ein. Der Briefkonzern gewährt für das<br />
Vorsortieren der Briefe nach Postleitzahlen<br />
gesetzlich festgelegte Rabatte. Das sogenannte<br />
Konsolidierungsgeschäft ist für<br />
TNT lukrativer als die Briefzustellung in<br />
Eigenregie. 2012 erwirtschaftete Postcon<br />
einen Gewinn von 14 Millionen Euro.<br />
Das Treffen im Tulip Inn, einem Hotel<br />
in der Düsseldorfer Fußballarena,<br />
endete für Max Toller mit einer speziellen<br />
Offerte. Der Mitarbeiter der Postcon,<br />
einer Tochtergesellschaft der holländischen<br />
Post TNT, sollte über seinen Arbeitgeber<br />
Bericht erstatten, wenn es etwa<br />
mit Kunden „Probleme oder andere<br />
Schwierigkeiten geben“ würde, habe ihn<br />
sein Gegenüber gebeten. Es lockte die Aussicht<br />
auf Geld. Der angebliche Auftraggeber:<br />
ein Manager des Berliner Unternehmens<br />
Compador.<br />
Toller heißt in Wahrheit anders. Doch<br />
der Versuch der Einflussnahme ist in einem<br />
Gesprächsprotokoll festgehalten, das<br />
ein Vertrauensmann der Postcon mit dem<br />
angesprochenen Kollegen im Anschluss an<br />
das ominöse Treffen anfertigte. Compador<br />
bestreitet die Vorwürfe. Das Papier, das der<br />
WirtschaftsWoche vorliegt, bringt jedenfalls<br />
auch die Deutsche Post in Erklärungsnot:<br />
Der Logistikkonzern ist an Compador<br />
beteiligt. Das Berliner Unternehmen hat in<br />
jüngster Zeit mit zweifelhaften Methoden<br />
auf sich aufmerksam gemacht. Post-Konkurrenten<br />
schlagen nun Alarm. Die Deutsche<br />
Post, so ihr Vorwurf, nutze Compador<br />
als Trojanisches Pferd, um Wettbewerb im<br />
Briefmarkt auszuhebeln.<br />
Bescheid zugestellt Netzagentur prüft den<br />
Verdacht auf Missbrauch in Briefzentren<br />
Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Beteiligung<br />
der Deutschen Post in Verruf gerät.<br />
Vor zwei Jahren beanstandete das<br />
nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht<br />
das Vorgehen von First Mail. Die<br />
<strong>10</strong>0-prozentige Billigtochter der Post hatte<br />
versucht, den Konkurrenten der Mutter<br />
über Kampfpreise Kunden abzujagen. Die<br />
Post hält im Briefgeschäft immer noch einen<br />
Marktanteil von 90 Prozent, doch das<br />
Sendungsaufkommen sinkt seit Jahren stetig.<br />
Der im Juni 20<strong>10</strong> gestartete E-Postbrief<br />
hat die Planzahlen bislang nicht erreicht.<br />
Nun sieht es so aus, als nutze die Post die<br />
Beteiligung Compador als neue Speerspitze<br />
gegen Wettbewerber. Im Dezember vergangenen<br />
Jahres kaufte sich die Post in das<br />
Unternehmen ein: mit 49 Prozent bei der<br />
Sparte Compador Technologies GmbH, die<br />
Maschinen für das Vorsortieren von Briefen<br />
produziert und wartet. Zusätzlich hält<br />
der Konzern 26 Prozent an der Schwestergesellschaft<br />
Compador Dienstleistungs<br />
GmbH, die Briefsendungen bei Großkunden<br />
einsammelt und bei der Deutschen<br />
Post oder privaten Briefdiensten zur Zustellung<br />
abgibt.<br />
ZWEIFEL AN GEWINNERZIELUNG<br />
Doch dann kündigte Compador den Wartungsvertrag<br />
mit Postcon. Zudem warb es<br />
mehr als 30 Vertriebsmitarbeiter ab. Die finanziellen<br />
Mittel dafür stammten zum Teil<br />
aus dem Einstieg der Deutschen Post. Danach<br />
folgte eine Angebotsoffensive, die an<br />
First-Mail-Zeiten erinnert. Vor allem bei<br />
Kunden aus dem Postcon-Portfolio wurde<br />
Compador mit teils extrem niedrigen Preisen<br />
vorstellig. Ein Kunde etwa, der pro Tag<br />
rund 300 Briefe verschickt, bekam einen<br />
Rabatt von 15 Prozent aufs Standardporto<br />
von 58 Cent – üblich sind etwa zehn Prozent.<br />
Vertriebsmitarbeiter der TNT-Tochter<br />
zweifeln intern an der „Gewinnerzielungsabsicht“.<br />
Compador-Chef Jens Gunter Greve<br />
hält dagegen, er „kalkuliert kaufmännisch<br />
fair und korrekt“.<br />
Inzwischen hat sich auch die Bundesnetzagentur<br />
eingemischt. Die Behörde eröffnete<br />
im Juli „ein Verfahren der besonderen<br />
Missbrauchsaufsicht“. Sie geht dem<br />
Verdacht nach, dass die Post-Tochter In-<br />
Haus Services der Schwester Compador im<br />
Vergleich zu deren Wettbewerbern „unterschiedliche<br />
Konditionen anbietet“: Briefzentren<br />
in Frankfurt und Essen würden<br />
Compador günstigere Einlieferungszeiten<br />
anbieten als Postcon. Laut Deutsche Post<br />
trifft der Vorwurf der Diskriminierung<br />
„nicht zu“. Es seien unterschiedliche Briefmengen<br />
angefragt worden, die unterschiedliche<br />
Zeitfenster rechtfertigten.<br />
Überhaupt will die Deutsche Post <strong>vom</strong><br />
Geschäftsgebaren der neuen Beteiligung<br />
wenig mitbekommen. Compador gehe mit<br />
„kompetitiven, aber marktüblichen Preisen<br />
in den Markt“, versichert Achim Dünnwald,<br />
Chef der Sparte Briefkommunikation.<br />
„Extrem niedrige Preise würden der<br />
Positionierung von Compador nicht<br />
»<br />
FOTOS: DDP IMAGES/UWE MEINHOLD, WESTEND61/TOM HOENIG<br />
62 Nr. 44 <strong>28</strong>.<strong>10</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />
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