Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-10-28 (Vorschau)
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Politik&Weltwirtschaft<br />
INTERVIEW Johannes Remmel<br />
»Völlig falsch«<br />
Der grüne NRW-Umweltminister greift die Reformideen seines<br />
Kollegen, Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) scharf an.<br />
Herr Remmel, Ihr Regierungskollege<br />
Garrelt Duin hat mit Reformideen für<br />
das Erneuerbare-Energien-Gesetz für<br />
viel Ärger gesorgt. Was ist falsch daran,<br />
endlich in die Detailplanung zu gehen?<br />
Tief gehende Reformvorschläge oder Detailplanungen<br />
kann ich noch nicht erkennen.<br />
Ich sehe eher, dass gerade ein<br />
Erneuerbare-Energien-Bashing stattfindet.<br />
Das ist der falsche Weg. Das Festhalten<br />
an fossilen Rohstoffen in der Vergangenheit<br />
hat vor allem die Kassen weniger<br />
Großkonzerne gefüllt.<br />
Aber muss man die Förderung nicht<br />
kappen? Die Investitionen laufen doch<br />
derzeit völlig aus dem Ruder.<br />
Es muss eine Reform geben, aber nicht,<br />
um zu bremsen. Um es klar zu sagen: Für<br />
NRW brauchen wir nicht weniger, sondern<br />
mehr Tempo. Sonst findet die Wertschöpfung<br />
in anderen Regionen statt, und<br />
wir zahlen die Zeche. Für eine Reform ist<br />
es wichtig, dass wir den Ausbau da fördern,<br />
wo die Energie verbraucht wird.<br />
Und das genügt?<br />
Sicher nicht. Aber das zentrale Problem<br />
liegt auf dem Strommarkt, nicht beim<br />
EEG. Und zwar deshalb, weil keine<br />
Neuinvestitionen refinanziert werden<br />
können, solange der Preis so niedrig ist.<br />
Solche Investitionen will Herr Duin mit<br />
einem Kapazitätsmarkt erreichen,<br />
wo Betreiber Geld bekommen, wenn sie<br />
Kraftwerke am Netz halten.<br />
Das ist ein ziemlich staatsgläubiger Ansatz,<br />
finden Sie nicht? Fakt ist: Im Moment<br />
gibt es zu viele Kapazitäten am Markt. Deshalb<br />
müssen wir, wenn wir über Reserven<br />
sprechen, doch bitte über Investitionen für<br />
die Zukunft reden und nicht über Subventionen<br />
für abgeschriebene Kraftwerke.<br />
Aber geht es ganz ohne Kapazitätsmarkt?<br />
Nein, so etwas Ähnliches brauchen wir, aber<br />
das müssen wir in Richtung 2022 regeln,<br />
wenn die letzten Atomkraftwerke<br />
schließen. Die Frage muss jetzt lauten,<br />
wie wir die Energiewende am<br />
kostengünstigsten hinbekommen.<br />
Da lässt sich über den europäischen<br />
Verbund viel erreichen.<br />
Dauert das nicht viel zu lange?<br />
Jedem, der einen deutschen Kapazitätsmarkt<br />
forciert, muss klar sein, dass er an<br />
der EU-Kommission nicht vorbeikommt.<br />
Die Verärgerung über einen Alleingang<br />
Deutschlands ist riesengroß. Wir bitten die<br />
EU, das Vertragsverletzungsverfahren ruhen<br />
zu lassen, um Vorschläge zu machen,<br />
die an der nationalen Grenze enden? Das<br />
wird Brüssel nicht akzeptieren.<br />
Wie wollen Sie die EU überzeugen?<br />
Der ganze Strommarkt muss europäisch<br />
orientiert sein, auch bei den Kapazitäten.<br />
Bei den Ausnahmen muss man andere Kri-<br />
GRÜNES URGESTEIN<br />
Remmel, 51, ist seit 20<strong>10</strong> Umweltminister<br />
in Nordrhein-Westfalen. In der Landespolitik<br />
ist der Grüne seit 1995 aktiv.<br />
terien finden, vor allem die Fragen, ob in<br />
einer Branche internationaler Wettbewerb<br />
herrscht, ob das Unternehmen international<br />
operiert. Da bin ich mit Kollege<br />
Duin einer Meinung: Wir müssen die<br />
Ausnahmen flexibler gestalten.<br />
Der sagt auch: Dann werden eher mehr<br />
Unternehmen profitieren.<br />
Den Reformvorschlag mit dieser Botschaft<br />
zu verbinden halte ich für völlig<br />
falsch – sowohl Richtung Brüssel als auch<br />
gegenüber den Verbrauchern.<br />
Es sind nicht wenige Unternehmen, die<br />
über hohe Strompreise klagen.<br />
Zur Wahrheit gehört: Wer tagesaktuell<br />
einkauft und von allen Ausnahmen von<br />
Ökosteuer bis Emissionshandel profitiert,<br />
der hat zurzeit einen sehr<br />
günstigen Strompreis .<br />
Wie groß müsste ein Kapazitätsmarkt<br />
sein?<br />
Weitaus weniger als die kolportierten<br />
sechs Milliarden Euro.<br />
Bevor wir neue Subventionen<br />
schaffen, müssen andere Optionen ausgereizt<br />
werden: mehr Kraft-Wärme-Kopplung,<br />
mehr Speicher, mehr Flexibilität. Wir<br />
haben derzeit kein Kapazitätsproblem.<br />
Aber ein Rentabilitätsproblem. Die Konzerne<br />
brauchen Investitionssicherheit.<br />
Jetzt mal ernsthaft: Ist die Politik dafür<br />
da, falsche Geschäftspolitik der Konzerne<br />
zu korrigieren?<br />
Zumindest hat sie in NRW das Problem,<br />
dass die Kommunen finanziell am Tropf<br />
der Energiekonzerne hängen.<br />
Gab es irgendeine Anweisung der Landesregierung,<br />
RWE-Aktien zu halten<br />
oder bei der Steag einzusteigen? Nicht<br />
dass ich wüsste.<br />
Die Städte müssen alleine klarkommen?<br />
Ja, in Bezug auf ihre Geschäftstätigkeit<br />
und Beteiligungen. Das ist hausgemacht.<br />
Vor allem müssen sich die Konzerne ändern.<br />
Wenn wir die Energiewende wollen,<br />
dann darf das nicht neuer Wein in alten<br />
Schläuchen sein, sondern neuer<br />
Wein in neuen Schläuchen.<br />
Die alten Schläuche sind RWE und E.On.<br />
Nein, die Geschäftsmodelle, die sie in der<br />
Vergangenheit geprägt haben. Die Konzerne<br />
wissen seit 2002, dass die Energiewende<br />
kommt. Aber sie haben nicht investiert,<br />
sondern darauf gesetzt, dass sie<br />
es drehen können. Diese Fehler kann die<br />
öffentliche Hand im Nachhinein nicht finanziell<br />
goutieren.<br />
Energiewende<br />
konrad.fischer@wiwo.de<br />
FOTO: WAZ FOTOPOOL/JOACHIM KLEINE-BÜNING<br />
32 Nr. 44 <strong>28</strong>.<strong>10</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />
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