Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-10-28 (Vorschau)
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Unternehmen&Märkte<br />
Paket von Tante Emma<br />
E-COMMERCE | Erst waren es nur Bücher, dann Elektronik, Haushaltsgeräte und Mode.<br />
Jetzt kommen in der nächsten Stufe Lebensmittel in den Online-Handel.<br />
Obst, Fleisch, Mehl und Nudeln aus dem Netz – wie es funktioniert, was es kostet und<br />
wer von diesem Wandel profitiert.<br />
Eigentlich müsste Norbert Fuchs<br />
an diesem Mittwochnachmittag<br />
wieder durch einen Supermarkt<br />
im Düsseldorfer Stadtteil Unterrath<br />
hetzen: Wasserflaschen,<br />
Brot und Nudeln, Popcorn, Obst und Gemüse,<br />
Zigaretten – alles in den Einkaufswagen<br />
legen, an der Kasse Schlange stehen,<br />
bezahlen, einpacken, zurück nach Hause<br />
hetzen. Eineinhalb Stunden gehen darüber<br />
schnell herum. Doch Fuchs hat Besseres<br />
zu tun: Der T-Shirt-Händler bedruckt<br />
oder bestickt Klamotten mit neuen Motiven<br />
in seinem Laden.<br />
Stattdessen schiebt nun Youssef Majteti<br />
für ihn den Einkaufswagen durch einen<br />
Rewe-Markt im Düsseldorfer Süden, wo<br />
alle Online-Bestellungen zusammengestellt<br />
werden. Früher hat der 23-jährige<br />
Majteti als Tankwart gearbeitet, seit zwei<br />
Monaten packt er Einkäufe bei Rewe.<br />
Majteti hält einen elektronischen<br />
Einkaufszettel in<br />
der Hand, der Fuchs’<br />
Einkaufswünsche anzeigt,<br />
scannt jede bestellte Ware<br />
ein und legt sie in den Einkaufswagen.<br />
Anschließend<br />
verstaut er Milch, Quark<br />
und Butter in einem Kühlschrank,<br />
die Kiste mit Nudeln und<br />
die Dosentomaten kommen in ein<br />
Regal. Am nächsten Morgen ergänzt<br />
Majteti frische Waren wie Obst und<br />
Gemüse, bevor ein Fahrer von Rewe<br />
die Waren abholt und sie bei Fuchs<br />
und anderen Bestellern vorbeibringt.<br />
Noch zählt der Düsseldorfer zu<br />
einer winzigen Avantgarde in<br />
Deutschland – Kunden, die ihre<br />
Lebensmittel übers Internet einkaufen.<br />
Lange wird ihm die Sonderrolle<br />
nicht mehr beschieden<br />
bleiben: Logistiker und Händler<br />
bereiten gerade mit Macht die<br />
nächste Revolution im Handel<br />
vor – den Verkauf auch von Lebensmitteln<br />
für den täglichen Bedarf<br />
im Internet.<br />
„Unser Ziel ist es, dem Online-Lebensmittelhandel<br />
in Deutschland zum Durchbruch<br />
zu verhelfen“, tönt Andrej Busch,<br />
der bei der Deutschen Post DHL das Paketgeschäft<br />
leitet. „Ich habe noch nie verstanden,<br />
dass man sich die leichten Sachen<br />
wie Bücher oder CDs bestellt und die<br />
schweren Lebensmittel selbst nach Hause<br />
schleppt“, ergänzt Briefvorstand Jürgen<br />
Gerdes, der die Post für den Lebensmittelhandel<br />
rüsten will.<br />
Können Workaholics, Freizeitfanatiker<br />
und gestresste Eltern<br />
bald gleichermaßen aufatmen?<br />
Nie wieder schleppen, weder an<br />
Fleischtheken noch an Kassen<br />
anstehen, keine trödelnden Kunden<br />
vor einem oder rabiate<br />
Drängler im Rücken – endlich<br />
120 Mal im<br />
Jahr suchen Verbraucher<br />
vor dem Einkaufen einen<br />
Parkplatz<br />
Video<br />
In unserer App-<br />
<strong>Ausgabe</strong> berichtet<br />
Redakteurin Nele<br />
Hansen von ihrem<br />
Online-Kauf<br />
gehören Feierabend und Samstag<br />
ausschließlich mir oder der<br />
Familie?<br />
Noch ist der Online-Anteil im<br />
Lebensmittelhandel verschwindend<br />
klein. Waren im Wert von<br />
etwa 500 Millionen Euro gelangen<br />
derzeit online zum Kunden.<br />
Das sind bei einem Gesamtumsatz<br />
von rund 200 Milliarden Euro<br />
gerade einmal zwischen 0,2 und 0,3 Prozent.<br />
Und das Gros der Waren im Internet-<br />
Handel besteht aus erlesenen Weinen oder<br />
anderen Delikatessen.<br />
Doch die Prognosen zeigen steil nach<br />
oben. „Jetzt kauft man noch italienische<br />
Trüffel übers Internet, am Ende aber wird<br />
sich Alltagsbedarf wie Nudeln und Toilettenpapier<br />
durchsetzen“, glaubt Thomas<br />
Netzer, Partner und Logistikexperte bei der<br />
Unternehmensberatung McKinsey in Köln.<br />
Netzer und seine Berater-Kollegen von<br />
Accenture oder A.T. Kearney erwarten,<br />
dass sich der Online-Lebensmittelhandel<br />
bis 2020 auf einen Anteil von drei bis fünf<br />
Prozent am Gesamtmarkt mehr als verzehnfacht.<br />
Das wären dann bis zu zehn<br />
Milliarden Euro.<br />
<strong>2013</strong> stieg der Anteil der Lebensmittel-<br />
Online-Shopper gegenüber 2011 um 50<br />
Prozent von 18 auf 27 Prozent der Befragten,<br />
belegt eine aktuelle A.T.-Kearney-<br />
Studie. „Insbesondere Familien mit zwei<br />
Kindern, bei denen die Eltern viel arbeiten<br />
und wenig Freizeit haben, kaufen immer<br />
mehr übers Internet“, sagt Jochen Hiemeyer,<br />
Handelsexperte bei Accenture. Als<br />
besonders netzaffin gelten 30- bis 50-Jährige<br />
und junge Singles – sie kaufen nun<br />
zunehmend auch Lebensmittel im Web.<br />
»<br />
ILLUSTRATION: TORSTEN WOLBER; FOTO:<br />
48 Nr. 44 <strong>28</strong>.<strong>10</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />
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