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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-10-28 (Vorschau)

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wirtschaft<br />

schwein, frisch<br />

von Der weiDe<br />

schweinefleisch als billigproDukt – Das war<br />

gestern. Findige österreichische Bauern haben uralte<br />

Rassen neu gezüchtet, halten ihr Borstenvieh auf der Weide.<br />

Der Speck der edlen Tiere landet in der Topgastronomie<br />

und in noblen Feinkostläden.<br />

von e. michael brauner<br />

Heinrich ist der Liebling aller Gäste,<br />

auch wenn er sich manchmal<br />

daneben benimmt. Er will eben<br />

gern mit altem Brot gefüttert werden,<br />

also reibt er seinen haarigen Rüssel schon<br />

mal am Bademantel der Wellnessurlauber,<br />

die im Garten hinter dem Weingut<br />

Krispel am Pool entspannen, den Blick<br />

in die Weinberge der südöstlichen Steiermark<br />

gerichtet. Wirklich kuschelig wirkt<br />

das ungewöhnliche Haustier nicht gerade,<br />

trotz seiner treuherzig dunklen Augen,<br />

die wohl der Grund waren, weshalb<br />

Heinrich seine Herde verlassen und im<br />

Hof herumlaufen darf. Er ist ein Mangalitzaschwein,<br />

Abkömmling einer urwüchsigen<br />

Rasse, die fast schon ausgestorben<br />

war, schwarz, ruppig, mit dichtem, kräuseligem<br />

Fell bewachsen und so robust, dass<br />

sie fast das ganze Jahr im Freien gehalten<br />

werden kann. Das Gehege dafür beginnt<br />

gleich hinter dem Garten, dort suhlen sich<br />

ein paar Dutzend der dunklen Gestalten,<br />

wühlen mit den Hufen Wurzeln aus<br />

der Erde oder suchen unter den Bäumen<br />

nach Eicheln und Pilzen.<br />

glückliche schweine<br />

Das Schweineparadies in den grünen<br />

Hügeln ist kein Einzelfall. Immer öfter<br />

reißen österreichische Bauern ihre alten<br />

Ställe nieder, verkaufen die hochgezüchteten<br />

Turbo-Fleischlieferanten und<br />

starten mit Jungtieren aus alten, halb<br />

vergessenen Rassen neu durch: Das Mangalitza-Wollschwein<br />

ist heute das häufigste<br />

unter den wiederentdeckten Weideschweinen,<br />

gefolgt von der meist grau<br />

gefleckten Turopolje-Rasse und dem tiefschwarzen<br />

Porc Noir de Bigorre. Auch<br />

Neuzüchtungen wie das Labonca fühlen<br />

sich an der frischen Luft wohl. Die glücklichen<br />

Tiere liefern später Fleisch, Würste,<br />

Schinken und Speck, die ein Vielfaches<br />

von dem kosten, was Konsumenten üblicherweise<br />

im Supermarkt für Schweinernes<br />

ausgeben würden. Trotzdem können<br />

die Edelschweinzüchter mit der Nachfrage<br />

kaum Schritt halten.<br />

ruppig, robust und mit kräuselhaar:<br />

das mangalitzaschwein wird heute wieder<br />

geschätzt.<br />

Foto: robert Kneschke/fotolia.com<br />

mehr fett, bitte<br />

Kein Wunder: Das Fleisch dieser Tiere<br />

hat mit Fünf-Euro-das-Kilo-Aktions-Koteletts<br />

aus dem Supermarkt wenig gemein.<br />

Mit Eicheln gefütterte Mangalitzaschweine<br />

schmecken fast wie Wild.<br />

Dagegen liefert ein Spanferkel der Turopolje-Rasse<br />

fast weißes Fleisch, das noch<br />

dazu ungewöhnlich saftig ausfällt. Und<br />

fein durchzogen sind die Schnitzel, denn<br />

die Naturschweine dürfen auch wieder<br />

Fett am Leib haben, das bei den Konsumenten<br />

so lange verpönt war. Manchmal<br />

ist das sogar das Beste: Mangalitzaschweine<br />

tragen eine dicke Fettschicht am<br />

Rücken, daraus entsteht durch Lagern in<br />

Basalttrögen ein blütenweißer Speck, der<br />

bei der Reifung einen zartnussigen Geschmack<br />

entwickelt, am Gaumen schmilzt<br />

und sofort jeden Gedanken daran vertreibt,<br />

dass es sich um reines Schweinefett<br />

handelt. Findige Köche legen hauchdünne<br />

Scheiben davon über frisch geröstete<br />

Steinpilze oder kombinieren sie mit gebratener<br />

Seezunge.<br />

gourmets lieben die neue schweinekultur,<br />

weshalb heute auch in den Fünf-<br />

Sterne-Hotels von Kitzbühel Tiroler<br />

Schinkenspeck als Amuse-Bouche zum<br />

Dinner gereicht wird. Oder in einem der<br />

höchstdekorierten Restaurants Österreichs,<br />

beim „Obauer“ in Werfen (Salzburg),<br />

„Schweinsschopf mit Garnelen und<br />

Avocadocreme“ auf der Karte steht.<br />

wobei sich trefflich streiten lässt,<br />

ob die Gourmets und Spitzenköche<br />

den Boom ausgelöst haben, indem sie<br />

nach Hummer und Jakobsmuscheln das<br />

Schwein als „in“ ausriefen und damit einen<br />

Markt schufen – oder umgekehrt engagierte<br />

Landwirte die längst vergessenen<br />

Qualitäten von Schweinefleisch wieder<br />

entdeckten und die verwöhnten Esser<br />

überzeugten.<br />

strenge Qualitätskriterien<br />

Den Kunden der Vulcano Schinkenmanufaktur<br />

in Auersbach, Oststeiermark, sind<br />

solche Fragen egal. Sie wollen einfach das<br />

frische Aroma des zartrosa Schinkens genießen,<br />

der im Vulkangestein reift, zusammen<br />

mit pfeffrigen Salamis und würzig<br />

geräuchertem Wangenspeck. Das Rohmaterial<br />

liefern ein paar Dutzend Bauern<br />

der Umgebung, die sich verpflichtet haben,<br />

ihre Schweine nach strengen Qualitätskriterien<br />

zu halten.<br />

auch fleischer roman thum in wien<br />

verlässt sich nur auf ausgesuchte Lieferanten.<br />

Sein preisgekrönter gekochter<br />

Mangalitza-Beinschinken wird in mehrere<br />

Länder Europas exportiert, zum Beispiel<br />

auch zu Schumann‘s TagesBar in<br />

München. Der Prosciutto-ähnliche Rohschinken<br />

<strong>vom</strong> Porc Noir dagegen bleibt<br />

meist Stammkunden vorbehalten – es<br />

gibt einfach noch nicht genug davon.<br />

18 österreich starkes land 2/<strong>2013</strong><br />

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