Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-10-28 (Vorschau)
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Der Volkswirt<br />
KOMMENTAR | Der Höhenflug des<br />
Euro ist eine Folge der globalen<br />
Geldschwemme. Darunter leiden<br />
die Krisenländer. Von Malte Fischer<br />
Die Euro-Blase<br />
Moden wechseln bekanntlich<br />
schnell –<br />
auch an den Finanzmärkten.<br />
Gut<br />
ein Jahr ist es her, da gab kaum<br />
ein Finanzmanager noch einen<br />
Pfifferling auf den Euro. Europas<br />
Bürger schleusten aus<br />
Angst vor dem Kollaps der Gemeinschaftswährung<br />
ihre Ersparnisse<br />
ins Ausland. Anlagen<br />
in Schweizer Franken, norwegischen<br />
Kronen, australischen<br />
und kanadischen Dollar waren<br />
hip. Doch mittlerweile hat sich<br />
der Wind gedreht, Europas Gemeinschaftswährung<br />
ist wieder<br />
in. Anleger aus aller Welt strömen<br />
in den Euro und treiben<br />
dessen Wechselkurs in die Höhe.<br />
Mitte vergangener Woche<br />
knackte der Euro gegenüber<br />
dem US-Dollar die Marke von<br />
1,38. Zuletzt hatte er vor rund<br />
zwei Jahren so hoch gelegen.<br />
Auch gegenüber anderen Währungen<br />
hat der Euro Terrain<br />
gutgemacht. Binnen eines Jahres<br />
wertete er gegenüber dem<br />
britischen Pfund um knapp vier<br />
Prozent auf, gegenüber dem<br />
Schweizer Franken gewann er<br />
rund zwei Prozent an Wert.<br />
Auch gegenüber den Rohstoffwährungen<br />
australischer Dollar<br />
(plus zehn Prozent), norwegischer<br />
Krone (plus neun Prozent),<br />
kanadischem Dollar (plus<br />
acht Prozent) und brasilianischem<br />
Real (plus elf Prozent)<br />
stieg sein Wert. Gegenüber dem<br />
japanischen Yen legte er sogar<br />
um 22 Prozent zu.<br />
BLATT GEWENDET<br />
Euro-Fans, die die Krise der vergangenen<br />
Jahre schon immer<br />
für übertrieben hielten, jubilieren.<br />
„Das Schlimmste ist vorbei“,<br />
schreiben die Ökonomen<br />
der Berenberg-Bank in einem<br />
Marktkommentar. Die Bestandsgarantie,<br />
die der Chef der Europäischen<br />
Zentralbank (EZB),<br />
Mario Draghi, dem Euro im Spätsommer<br />
2012 gab, habe das<br />
Blatt gewendet. Das Verschwinden<br />
der Unsicherheit, die Lockerung<br />
des Sparkurses und das<br />
Greifen von Reformen in den Krisenländern<br />
hätten den Weg frei<br />
gemacht für einen neuen Aufschwung<br />
in Europa. Tatsächlich<br />
ist die Wirtschaft in Portugal<br />
(plus 1,1 Prozent), Spanien<br />
(plus 0,1 Prozent), Irland (plus<br />
0,4 Prozent) und Griechenland<br />
(plus 0,6 Prozent) zuletzt gewachsen.<br />
Doch das kann die Renaissance<br />
des Euro nicht erklären,<br />
solange die wirtschaftlichen<br />
Schwergewichte Italien und<br />
Frankreich mit ihrer chronischen<br />
Reformverweigerung die<br />
Wachstumsperspektiven der gesamten<br />
Euro-Zone belasten.<br />
SCHLEUSEN GEÖFFNET<br />
Der Höhenflug des Euro ist daher<br />
zum größten Teil auf die<br />
superexpansive Geldpolitik in<br />
den USA, Japan, Großbritannien<br />
und der Schweiz zurückzuführen.<br />
Die Notenbanken dort haben<br />
ihre Schleusen noch stärker<br />
geöffnet als die EZB. In den<br />
USA und Japan pumpen die<br />
Währungshüter weiterhin Monat<br />
für Monat 85 Milliarden Dollar<br />
beziehungsweise 7500 Milliarden<br />
Yen (umgerechnet 55 Milliarden<br />
Euro) in den Finanzsektor.<br />
Ein erheblicher Teil dieses Geldes<br />
fließt nach Europa, wo italienische<br />
und spanische Staatsanleihen<br />
mit Renditen von<br />
mehr als vier Prozent locken. Die<br />
Euro-Blase, die so entsteht,<br />
spiegelt die exportgetriebene<br />
Erholung der Krisenländer nicht<br />
wider – sie gefährdet sie vielmehr.<br />
NEW ECONOMICS<br />
Weite Spanne<br />
Der neue Glücksatlas zeigt: Die Ungleichgewichte<br />
in Europa nehmen weiter zu, auch die Lebenszufriedenheit<br />
der Bürger unterscheidet sich immer stärker.<br />
Bernd Raffelhüschen, Renate Köcher:<br />
Deutsche Post Glücksatlas, Knaus <strong>2013</strong>.<br />
Die Lebenszufriedenheit in Europa<br />
driftet weiter auseinander.<br />
Das ist die zentrale Botschaft<br />
des Glücksatlas <strong>2013</strong>, den die<br />
Forscher Bernd Raffelhüschen<br />
(Universität Freiburg) und Renate<br />
Köcher (Institut Allensbach)<br />
im Auftrag der Deutschen<br />
Post erstellt haben. Dafür wurde<br />
die Zufriedenheit der Bürger in<br />
allen EU-Mitgliedstaaten, Russland<br />
und der Türkei ausgewertet.<br />
Die Daten stammen von der<br />
Europäischen Kommission.<br />
„Der negative Trend hat<br />
sich leider verstärkt“, so Raffelhüschen,<br />
die Einschätzungen<br />
der EU-Bürger fallen immer<br />
weiter auseinander. Auf der Skala<br />
von null (sehr unzufrieden)<br />
bis zehn (sehr zufrieden) erreichen<br />
die Bürger im glücklichsten<br />
Land Dänemark einen Mittelwert<br />
von 8,9. In Griechenland<br />
sind es 3,4. Damit liegen der<br />
höchste und der niedrigste Wert<br />
5,5 Punkte auseinander – mehr<br />
als die Hälfte der gesamten Skala.<br />
Vor zehn Jahren betrug der<br />
Abstand 3,5 Punkte. Selbst im<br />
unzufriedensten Land lag der<br />
Durchschnitt damals über der<br />
Schwelle von fünf, die Menschen<br />
waren also in ganz Europa<br />
eher zufrieden.<br />
Das ist jetzt deutlich anders.<br />
2012 lag der durchschnittliche<br />
Zufriedenheitswert in sechs<br />
Ländern unter dem Mittelwert<br />
fünf. Selbst die EU – Durchschnitt<br />
6,3 – nähert sich dieser<br />
Schwelle immer mehr an, noch<br />
im Vorjahr lag der Wert mit 6,6<br />
ein gutes Stück höher.<br />
Dabei folgt die Zufriedenheit<br />
erstaunlich eindeutig der Entwicklung<br />
der Arbeitslosigkeit in<br />
einem Land. So wuchs die Wirtschaft<br />
zuletzt sowohl in Großbritannien<br />
als auch in den<br />
Niederlanden kaum. In Großbritannien,<br />
wo die Arbeitslosigkeit<br />
stagnierte, hatte das jedoch<br />
kaum einen Einfluss auf die<br />
Lebenszufriedenheit (plus 0,1<br />
Punkte), in den Niederlanden<br />
sank die Zufriedenheit hingegen<br />
deutlich ab (minus 0,3).<br />
Hier war die Arbeitslosigkeit<br />
zuletzt gestiegen.<br />
GROSSES UNGLÜCK<br />
Ähnliches zeigt sich auch in den<br />
Krisenländern Irland (Platz 9/<br />
minus 0,3), Portugal (Platz 29/<br />
minus 0,7) und Griechenland<br />
(Platz 30/minus 0,7). „Hier muss<br />
von einem wirklich großen Unglück<br />
gesprochen werden“, so<br />
Raffelhüschen. Am deutlichsten<br />
verbessern konnten sich unterdessen<br />
etwas überraschend<br />
Frankreich (plus 0,3) und Lettland<br />
(plus 0,4), in Deutschland<br />
blieb die Zufriedenheit trotz des<br />
Booms mit 7,1 stabil.<br />
konrad.fischer@wiwo.de<br />
Glücklich im Norden<br />
Lebenszufriedenheit in Europa<br />
(Vorjahreswert)<br />
0 =sehr unzufrieden<br />
<strong>10</strong> =sehr zufrieden<br />
1(1) Dänemark<br />
8,9 (8,9)<br />
2(3) Schweden<br />
8,2 (8,1)<br />
3(2) Niederlande<br />
8,0 (8,3)<br />
4(4) Luxemburg<br />
7,7 (7,8)<br />
5(6) Großbritannien<br />
7,6 (7,5)<br />
6(5) Finnland<br />
7,5 (7,6)<br />
7(7) Belgien<br />
7,2 (7,2)<br />
8(9) Deutschland<br />
7,1 (7,1)<br />
9(8) Irland<br />
<strong>10</strong> (<strong>10</strong>) Österreich<br />
Quelle: Eurobarometer/<br />
Glücksatlas<br />
6,9 (7,2)<br />
6,8 (6,8)<br />
FOTO: FRANK SCHEMMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />
42 Nr. 44 <strong>28</strong>.<strong>10</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />
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