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Kirche mitten drin« Sozialer, struktureller und ... - Kirche findet Stadt

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epd-Dokumentation 10/2013 11<br />

Kommune <strong>und</strong> <strong>Kirche</strong>ngemeinde in polarisierter <strong>Stadt</strong><strong>und</strong><br />

Regionalentwicklung<br />

Von Prof. Dr. Albrecht Göschel<br />

»<strong>Kirche</strong> <strong>mitten</strong> drin« – <strong>Sozialer</strong>, <strong>struktureller</strong><br />

<strong>und</strong> demographischer Wandel in Städten <strong>und</strong><br />

Gemeinden – die Herausforderung für <strong>Kirche</strong>,<br />

ihre Diakonie <strong>und</strong> Zivilgesellschaft vor Ort,<br />

Evangelische Akademie Meißen, 1.– 2.11. 2012<br />

1. Sozialstrukturelle <strong>und</strong> territoriale<br />

Polarisierung<br />

Bereits zu Beginn der 1990er-Jahre, also unmittelbar<br />

nach der deutschen Vereinigung, sieht Ralf<br />

Dahrendorf das Ende des »sozialdemokratischen<br />

Konsenses« kommen (Dahrendorf.1995). Dieser<br />

Konsens, der mehr oder weniger alle relevanten<br />

politischen Parteien <strong>und</strong> Gruppierungen Deutschlands<br />

umfasst, basiert auf der Priorität von »sozialer<br />

Gleichheit«, <strong>und</strong> sei es in der Form von<br />

Chancengleichheit, als dem dominierenden innenpolitischen<br />

Ziel. Mit dem Sozialstaatspostulat<br />

des Gr<strong>und</strong>gesetzes ist die Basis dieses Konsenses<br />

gelegt, der jedoch das gesamte kurze »sozialdemokratische<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert« von etwa 1920 bis in<br />

die 1980er-Jahre bestimmt. Dieses Ziel einer materiellen<br />

Gleichheit durch Umverteilung <strong>und</strong> einer<br />

Chancengleichheit durch ausgeglichene Infrastrukturversorgung<br />

in allen Regionen des Nationalstaates<br />

verliert nach Dahrendorf seine Attraktivität<br />

<strong>und</strong> Aktualität zum einen durch eine historisch<br />

einmalige Annäherung an dieses Ziel. Realisierungen<br />

derartiger Ziel mindern ihre Anziehungskraft,<br />

da hinter dann auch die negativen<br />

Begleiterscheinungen deutlich werden <strong>und</strong> den<br />

utopischen Schwung bremsen. Zum anderen<br />

scheinen aber auch kaum überwindliche Hindernisse<br />

gegen eine weitere Annäherung an eine<br />

solche Zielsetzung zu entstehen. An die Stelle<br />

von »Gleichheit« als Norm <strong>und</strong> Faktum treten<br />

damit zum einen normative Aufwertungen <strong>und</strong><br />

Rechtfertigungen von Ungleichheiten, zum anderen<br />

vergrößert sich faktisch überw<strong>und</strong>en geglaubte<br />

Ungleichheit.<br />

Es entstehen neue Ungleichheiten, die bei einer<br />

Zuspitzung die Form von Polarisierungen annehmen<br />

können, in denen also die Extreme, z.B.<br />

der Einkommen gesteigert, Mittellagen eher reduziert<br />

werden. Die so genannte »Einkommensschere«<br />

öffnet sich <strong>und</strong> vergrößert sowohl die Gruppe<br />

der Gut- als auch die der Schlechtverdienenden,<br />

während die Gruppe der mittleren Einkommen<br />

reduziert wird. Das soll der Begriff der Polarisierung<br />

andeuten, eine Entwicklung von Extremlagen<br />

bei Ausdünnung einer verbindenden, Kontinuität<br />

sichernden Mitte. Die regelmäßig erscheinenden<br />

»Reichtums- <strong>und</strong> Armutsberichte« der<br />

B<strong>und</strong>esregierung belegen, dass in Bezug auf Einkommen<br />

diese Entwicklung, die inzwischen als<br />

Bedrohung des sozialen Friedens gewertet wird,<br />

in Deutschland in vollem Gange ist. Die Einkommen<br />

der oberen Gruppe von Einkommensbeziehern<br />

erhöhen sich <strong>und</strong> diese Gruppe wächst,<br />

während gleichzeitig die unteren Einkommen<br />

stagnieren oder gar sinken, auch diese Gruppe<br />

sich aber vergrößert.<br />

Derartige Polarisierungen bilden sich auch räumlich<br />

in wachsenden Ungleichheiten, in Disparitäten<br />

ab. <strong>Stadt</strong>teilen oder ganzen Regionen mit<br />

einer überwiegend einkommensschwachen Bevölkerung<br />

stehen solche mit durchschnittlich<br />

hohen Einkommen gegenüber. Die Differenzen in<br />

den durchschnittlichen Einkommen werden auf<br />

räumlicher, territorialer Ebene nicht nur ergänzt<br />

sondern verstärkt durch Wanderungsbewegungen<br />

von den eher schwächeren in die stärkeren Bereiche.<br />

Auf städtischer Ebene finden sich verständlicher<br />

Weise auch Gegenbewegungen von den eher<br />

starken, zumindest von mittleren Räumen in die<br />

schwächeren, wenn soziale Abstiege das erzwingen.<br />

Vertiefen sich die Unterschiede zwischen<br />

den entsprechenden Teilräumen, sei es einer<br />

<strong>Stadt</strong>, sei es einer Region oder eines Nationalstaates,<br />

wird auch hier von einer Polarisierung gesprochen,<br />

<strong>und</strong> verfügbare Daten legen nahe, dass<br />

in Deutschland entsprechende Prozesse ablaufen,<br />

<strong>und</strong> dies, obwohl mit in dem Postulat von der<br />

Gleichheit oder zumindest Gleichwertigkeit der<br />

Lebensbedingungen innerhalb des Nationalstaates<br />

als raumordnungspolitische Umsetzung des Sozialstaatsgebotes<br />

eine Verfassungsnorm formuliert<br />

ist, die derartigen Entwicklungen entgegen steht.

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