Kirche mitten drin« Sozialer, struktureller und ... - Kirche findet Stadt
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epd-Dokumentation 10/2013 5<br />
Problemlagen vor großen Herausforderungen, die<br />
sich nur noch gemeinsam erfolgreich angehen<br />
lassen. Wachsende Aufgaben <strong>und</strong> rückläufige<br />
Ressourcen lassen auch die beiden großen <strong>Kirche</strong>n<br />
<strong>und</strong> ihre diakonischen Einrichtungen – Diakonisches<br />
Werk <strong>und</strong> Caritasverband – nach Wegen<br />
verstärkter Kooperation miteinander, mit<br />
anderen Akteuren der Zivilgesellschaft <strong>und</strong> mit<br />
der öffentlichen Hand suchen. Diese weitere Öffnung<br />
in die säkulare Gesellschaft entspricht dem<br />
Verständnis von <strong>Kirche</strong>(n) <strong>und</strong> Diakonie, »<strong>mitten</strong><br />
drin« <strong>und</strong> damit vor Ort für alle Bürger/innen<br />
präsent zu sein – <strong>und</strong> dies gleichermaßen in städtischen<br />
<strong>und</strong> ländlichen Lebenswelten. Die Evangelische<br />
Akademie Meißen hat dieses Thema am<br />
1. <strong>und</strong> 2. November 2012 auf ihrer Tagung »<strong>Kirche</strong><br />
<strong>mitten</strong> drin« zur Diskussion gestellt. Akademiedirektor<br />
Johannes Bilz konnte 70 Teilnehmer/innen<br />
begrüßen, darunter Repräsentanten<br />
aus <strong>Kirche</strong>, Diakonie, Politik <strong>und</strong> öffentlicher<br />
Verwaltung.<br />
Die Tagung war die neunte von zwölf Veranstaltungen,<br />
mit denen sich die Evangelischen <strong>und</strong><br />
Katholischen Akademien in Deutschland am b<strong>und</strong>esweiten<br />
ökumenischen Kooperationsprojekt<br />
»<strong>Kirche</strong> <strong>findet</strong> <strong>Stadt</strong>« (KfS) beteiligen, das vom<br />
B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr, Bau <strong>und</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
im Rahmen der Nationalen <strong>Stadt</strong>entwicklungspolitik<br />
gefördert wird. Es thematisiert<br />
– so Reinhard Thies vom KfS-Projektträger,<br />
der Netzwerkstelle Gemeinwesen der Diakonie<br />
Deutschland im Evangelischen Werk für Diakonie<br />
<strong>und</strong> Entwicklung, in seiner Begrüßung – die Rolle<br />
der <strong>Kirche</strong> als zivilgesellschaftlicher Akteur in<br />
sozialen Netzwerken der <strong>Stadt</strong>entwicklung <strong>und</strong><br />
kommuniziert Praxiserfahrungen lokaler Entwicklungspartnerschaften<br />
von <strong>Kirche</strong>, Zivilgesellschaft<br />
<strong>und</strong> Kommune an ca. 150 Standorten in Deutschland.<br />
Mit drei Beiträgen aus der Wissenschaft wurden<br />
auf der Tagung zunächst die gesellschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen praktischer kirchlicher <strong>und</strong><br />
diakonischer Arbeit in <strong>und</strong> mit der Bürgerschaft<br />
beleuchtet:<br />
– Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive erläuterte<br />
Dr. Albrecht Göschel in seinem Referat<br />
»Kommune <strong>und</strong> Kirchgemeinde in polarisierter<br />
<strong>Stadt</strong>- <strong>und</strong> Regionalentwicklung«, welche Herausforderungen<br />
angesichts des sozialen, ökonomischen<br />
<strong>und</strong> demografischen Wandels von<br />
Staat/Gemeinde, Wirtschaft <strong>und</strong> Zivilgesellschaft<br />
zu bewältigen sind: Mit der fortschreitenden Globalisierung<br />
haben sich die Kräfteverhältnisse<br />
zwischen Staat <strong>und</strong> Wirtschaft zugunsten Letzterer<br />
verschoben; individuelle Interessenverfolgung<br />
steht gegen Gemeinwohlorientierung; der demografische<br />
Wandel gefährdet die Stabilität der sozialen<br />
Sicherungssysteme; die soziale Polarisierung<br />
zwischen Arm <strong>und</strong> Reich wächst, wie auch die<br />
räumliche Polarisierung zwischen wirtschaftlich<br />
starken <strong>und</strong> schwachen Regionen; strukturschwache<br />
Gebiete verlieren durch Abwanderung<br />
gerade ihre leistungsfähigsten <strong>und</strong> aktivsten Einwohner<br />
an boomende Regionen.<br />
Jedes zivilgesellschaftliche Engagement lebt von<br />
seiner zentralen »Ressource« – dem solidarischen<br />
Denken <strong>und</strong> Handeln aus Empathie für die soziale<br />
Gemeinschaft. Eigeninitiative <strong>und</strong> Kooperation,<br />
die dieses Engagement auszeichnen, sind jedoch<br />
genau dort schwach ausgeprägt, wo die Zivilgesellschaft<br />
am meisten gefordert ist: in ländlichen<br />
Räumen, deren soziale Infrastruktur nicht mehr<br />
trägt, <strong>und</strong> in <strong>Stadt</strong>quartieren, die durch eine Konzentration<br />
sozialer Probleme gekennzeichnet sind<br />
<strong>und</strong> deren Bewohner/innen in hohem Maße zu<br />
den Benachteiligten der modernen Gesellschaft<br />
zählen. Für die kirchliche Gemeinwesenarbeit in<br />
solchen Strukturen ergibt sich daraus die Herausforderung,<br />
vor Ort praktische Ansätze für kooperatives<br />
Handeln zu identifizieren <strong>und</strong> ein Verständnis<br />
von »Kooperation zur Produktion von<br />
Gemeinwohl« zu vermitteln.<br />
– Eine theologische Betrachtung kirchlichen <strong>und</strong><br />
diakonischen Engagements im Gemeinwesen<br />
nahm Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl vor, der<br />
an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen<br />
Berlin lehrt. Er begründete in seinem Referat »<strong>Kirche</strong><br />
werden – theologisch-ethische Anmerkungen«,<br />
warum die Zukunft der <strong>Kirche</strong>(n) in ihrer Rückkehr<br />
zur Diakonie liegt, in der Arbeit mit benachteiligten<br />
Menschen, <strong>und</strong> nicht nur für sie. Er sieht<br />
die <strong>Kirche</strong> »<strong>mitten</strong> drin« im Gemeinwesen, im<br />
»Sozialraum als ‚leibliche Mitte‘ zivilgesellschaftlicher<br />
Lebenswelt«, zugleich aber auf einem Weg<br />
der äußeren <strong>und</strong> inneren Entgrenzung, des aktiven<br />
Hinaustretens diakonisch tätiger <strong>Kirche</strong> in den<br />
<strong>Stadt</strong>teil (»Ver-Ortung«) <strong>und</strong> der damit einhergehenden<br />
Wahrnehmung eigener Vielfalt <strong>und</strong> Potenziale.<br />
Theologisch gesehen verbindet sich, so<br />
Prof. Lob-Hüdepohl, mit einer Gemeinwesenarbeit<br />
zur Stärkung individueller Lebensführungskompetenz<br />
die »Menschwerdung des Menschen unter<br />
den Augen Gottes«. Er sieht den Sozialraum ausdrücklich<br />
als einen Ort diakonischen <strong>und</strong> seelsorgenden<br />
Wirkens, d.h. als »Ort aufblitzender Gottesfragen<br />
an den ‚Hecken‘ <strong>und</strong> ‚Zäunen‘ menschlicher<br />
Alltagswelt«. Der Referent plädiert in der diakonischen<br />
Arbeit für eine wechselseitige Verschränkung<br />
gemeindlich-ehrenamtlichen <strong>und</strong> verbandlich-professionellen<br />
Engagements. In Aushandlungsprozessen<br />
zivilgesellschaftlicher Partikularin-