Kirche mitten drin« Sozialer, struktureller und ... - Kirche findet Stadt
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6 10/2013 epd-Dokumentation<br />
teressen vor Ort sieht er die Kirchgemeinden in der<br />
Interessenvertretung gerade der benachteiligten<br />
Bürger/innen, die sich aus eigener Kraft nur<br />
schwach artikulieren können. Mit der politischen<br />
Strategie des Community Organizing plädiert er für<br />
den »Aufbau einer für sich selbst sorgenden Gesellschaft<br />
bislang Alimentierter« <strong>und</strong> damit für die<br />
Entwicklung endogener Ressourcen <strong>und</strong> einer<br />
Kultur des gemeinschaftlichen Handelns für die<br />
Gemeinschaft.<br />
– Die wissenschaftliche Perspektive auf »<strong>Kirche</strong><br />
<strong>und</strong> Diakonie als Partner in zivilgesellschaftlichen<br />
Netzwerken« vervollständigte ein Beitrag aus der<br />
empirischen Sozialforschung. Dr. Thomas Gensicke<br />
verdeutlichte anhand von Ergebnissen einer<br />
Untersuchung des Münchner Instituts TNS Infratest<br />
Sozialforschung GmbH, mit welchem Potenzial<br />
an ehrenamtlicher Unterstützung die kirchlichen<br />
Akteure bei den Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern in<br />
Deutschland rechnen können. Im Mittelpunkt<br />
standen Zahlen des »Freiwilligensurvey« (FWS),<br />
einer repräsentativen Befragung zu Ehrenamt,<br />
Freiwilligenarbeit <strong>und</strong> bürgerschaftlichem Engagement<br />
in den Jahren 1999, 2004 <strong>und</strong> 2009, die<br />
im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums für Familie,<br />
Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend (BMFSFJ) durchgeführt<br />
wurde <strong>und</strong> deren Ergebnisse online zur<br />
Verfügung stehen (www.bmfsfj.de/BMFSFJ/<br />
Service/Publikationen/publikationen,<br />
did=165004.html). Konstant etwa jede/r Dritte in<br />
Deutschland betätigt sich ehrenamtlich, von diesen<br />
etwa jeder Fünfte in kirchlich-religiösem Kontext;<br />
eine wachsende Zahl an Bürger/innen erklärt<br />
aber eine gewisse Bereitschaft zu ehrenamtlicher<br />
Arbeit. Unterschiede zeigen sich zwischen<br />
den alten <strong>und</strong> neuen B<strong>und</strong>esländern, aber auch<br />
zwischen <strong>Stadt</strong> <strong>und</strong> Land. In der alten B<strong>und</strong>esrepublik<br />
gibt es eine längere Tradition freiwilliger<br />
Arbeit im Ehrenamt; auf dem Land ersetzen z.B.<br />
ehrenamtlich betriebene Freizeitangebote die<br />
fehlenden kommerziellen Angebote. Der Anteil<br />
von <strong>Kirche</strong>nmitgliedern in der Bevölkerung sinkt<br />
(auf derzeit ca. 28% im Westen <strong>und</strong> 73% im<br />
Osten Deutschlands), doch zeigt dieser Personenkreis<br />
einen zunehmenden Grad emotionaler Bindung<br />
an seine <strong>Kirche</strong>. Zu bedenken ist, dass<br />
kirchlich Geb<strong>und</strong>ene sich in hohem Maße (auch<br />
oder nur) außerhalb kirchlicher Strukturen ehrenamtlich<br />
engagieren (Gensicke). Insbesondere<br />
im Osten stellt sich die Frage, wie die <strong>Kirche</strong> angesichts<br />
ihrer geringen Verankerung in der Gesamtbevölkerung<br />
noch als gewichtiger zivilgesellschaftlicher<br />
Partner agieren kann. Ein zentraler<br />
Ansatzpunkt sollte, neben dem kirchlichen<br />
»Kerngeschäft«, die Öffnung der <strong>Kirche</strong> nach außen<br />
sein (Thies). Die Herausarbeitung gemeinsamer<br />
Interessen mit Menschen, die der <strong>Kirche</strong><br />
nahe stehen, sowie die Erörterung tiefergehender<br />
Sinnfragen ließe z.B. auch nach Orientierung<br />
suchende junge Menschen Interesse am Akteur<br />
<strong>Kirche</strong> finden (Gensicke).<br />
Was »<strong>Kirche</strong> <strong>mitten</strong> drin« in der Praxis bedeutet,<br />
wurde mit Berichten aus der Projektarbeit in den<br />
KfS-Regionalknoten Strals<strong>und</strong> <strong>und</strong> Hof veranschaulicht.<br />
Es handelt sich um zwei von zwölf<br />
Projekten in Deutschland, die im Rahmen des<br />
Netzwerkes von »<strong>Kirche</strong> <strong>findet</strong> <strong>Stadt</strong>« den regionalen<br />
Austausch über Einzelvorhaben <strong>und</strong> Fragestellungen<br />
der kirchlich-zivilgesellschaftlichen<br />
Kooperation befördern sollen.<br />
– In Strals<strong>und</strong> wurde ein erst in der Wendezeit<br />
entstandenes evangelisches Gemeindezentrum im<br />
damaligen Strals<strong>und</strong>er Neubaugebiet Grünhufe<br />
von Anwohnern, <strong>Kirche</strong> <strong>und</strong> Diakonie zu einem<br />
hochfrequentierten Nachbarschaftszentrum entwickelt.<br />
Thomas Nitz, der Leiter des Zentrums, berichtete<br />
aus der Arbeit vor Ort, bei der insbesondere<br />
die orientierungslose Jugend mit dem Aufbau<br />
einer »Jugendkirche« sozial eingeb<strong>und</strong>en werden<br />
konnte. Dieser Prozess einer sozialen Befriedung<br />
vollzieht sich über Aufgaben einer klassischen<br />
<strong>Stadt</strong>teilarbeit, ohne den Kontext »Wir sind <strong>Kirche</strong>«<br />
dabei aufzugeben. In Kooperation mit einer benachbarten<br />
Kirchgemeinde, dem Kreisdiakonischen<br />
Werk <strong>und</strong> der kommunalen <strong>Stadt</strong>erneuerungsgesellschaft<br />
gelang es, in einem schwierigen<br />
sozialen Umfeld einen intensiv genutzten Raum<br />
für Unterstützungsangebote, Selbsthilfe, Freizeit<br />
<strong>und</strong> Kommunikation zu etablieren.<br />
– In Hof wurde, ausgehend von der Diakonie<br />
Hochfranken, in Kooperation von Diakonie,<br />
Kirchgemeinde, Vereinen <strong>und</strong> Kommune die<br />
Schaffung neuer »Lebensmittelpunkte« in Angriff<br />
genommen. Pfarrer Johannes Neugebauer erläuterte<br />
den Ansatz, in mehreren strukturell schwachen<br />
Ortsteilen der <strong>Stadt</strong> eine gemeinsame Quartiersarbeit<br />
zu betreiben <strong>und</strong> den Menschen Anlaufstellen<br />
für soziale Beratung <strong>und</strong> Begegnung,<br />
ehrenamtliche Betätigung <strong>und</strong> konkrete Hilfe zu<br />
geben. Die diakonische Begleitung beinhaltet<br />
auch die Unterstützung kleiner Kirchgemeinden<br />
auf ihrem Weg einer weiteren Öffnung ins Quartier,<br />
mithin ihrer inneren <strong>und</strong> äußeren »Entgrenzung«.<br />
Unerlässlich ist die Bereitschaft, über den<br />
»Tellerrand« der eigenen Arbeit zu schauen, auch<br />
unkonventionelle Wege zu beschreiten <strong>und</strong><br />
Netzwerke zu schaffen <strong>und</strong> zu pflegen.<br />
Die Leitsätze der auf europäischer Ebene im Jahr<br />
2007 verabschiedeten »Leipzig-Charta« zur nach-