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Kirche mitten drin« Sozialer, struktureller und ... - Kirche findet Stadt

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epd-Dokumentation 10/2013 13<br />

größeren Industrienationen soziale Ungleichheiten<br />

schärfer ausgebildet als in Deutschland. Ausnahmen<br />

stellen im Gr<strong>und</strong>e nur die skandinavischen<br />

Nationen dar. Vor allem in den postsozialistischen<br />

Ländern haben sich seit Ende eines Gleichheitszwanges<br />

in kürzester Zeit dramatische Ungleichheiten<br />

herausgebildet.<br />

3. Polarisierung von »Arm« <strong>und</strong> »Reich«<br />

Der wachsende Gegensatz von »arm« <strong>und</strong> »reich«<br />

drückt sich in der Regel unmittelbar im Raum<br />

aus. In einer als Segregation bezeichneten Trennung<br />

stehen sich in den Städten homogene <strong>Stadt</strong>viertel<br />

gegenüber, die entweder überwiegend von<br />

Wohlhabenden oder überwiegend von Benachteiligten<br />

bewohnt werden. Die <strong>Stadt</strong>viertel der letzteren<br />

zeichnen sich in der Regel durch schlechte<br />

Wohnbebauung, im Osten vor allem durch Plattenbauten<br />

oder sehr minderwertigen Altbaubestand,<br />

durch starke Umweltbelastungen vor allem<br />

des Verkehrs, unterdurchschnittliche Ausstattung<br />

mit privater Infrastruktur – Ärzte, Läden des täglichen<br />

Bedarfs usw. – <strong>und</strong> der öffentlichen Infrastruktur<br />

– schlechter Zustand <strong>und</strong> Überbelegungen<br />

der Schulen <strong>und</strong> Kindertageseinrichtungen<br />

etc. – aus. Bislang ging man davon aus, dass sich<br />

minderwertige Lebensbedingungen einer tendenziell<br />

benachteiligten Bevölkerung vor allem im<br />

Innenstadtrand finden, während die besseren<br />

Lebensbedingungen eher in der Peripherie, beim<br />

»Wohnen im Grünen« vorliegen. Das könnte sich<br />

zurzeit ändern, da neue Dienstleistungsberufe das<br />

Wohnen in der <strong>Stadt</strong>, nach Möglichkeit in der<br />

Innenstadt vorziehen <strong>und</strong> dabei eine weniger<br />

wohlhabende Bevölkerung verdrängen, ein Vorgang,<br />

der als »Gentrifizierung« bekannt ist <strong>und</strong><br />

vielfach kritisiert wird.<br />

Gegensätze von »arm« <strong>und</strong> »reich« bilden sich<br />

aber nicht nur kleinräumlich in den Segregationen<br />

innerhalb der Städte <strong>und</strong> Ortschaften, sondern<br />

auch großräumlich, im Gegensatz ganzer<br />

Regionen ab. So wird in allen neuen B<strong>und</strong>esländern<br />

die durchschnittliche Kaufkraft der deutschen<br />

Bevölkerung – ein brauchbarer Indikator<br />

für Einkommenshöhe <strong>und</strong> Lebenslage – nicht<br />

erreicht (Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2008, nach<br />

Paepke 2010:15). In allen westdeutschen Ballungsräumen<br />

dagegen wird er deutlich übertroffen,<br />

so dass z.B. dieser Indikator für die Region<br />

südlich von München mindestens das Doppelte<br />

von der neuen B<strong>und</strong>esländer erreicht, mit Ausnahme<br />

von Berlin <strong>und</strong> seinem Umland, das aber<br />

auch unter dem Durchschnitt Gesamtdeutschlands<br />

bleibt.<br />

Als besonders problematisch erscheinen in diesen<br />

gegenläufigen Entwicklungen zum einen ländliche,<br />

zum anderen altindustrielle Regionen. Beide<br />

zeichnen sich durch unterdurchschnittliche Einkommen<br />

ihrer Bevölkerung aus. Aber auch innerhalb<br />

solcher Großregionen setzen sich noch<br />

kleinräumliche Segregationen durch, so dass sich<br />

in den benachteiligten <strong>Stadt</strong>- oder Ortsteilen in<br />

schwachen Großregionen Lebenslagen ausbilden,<br />

die in extremem Gegensatz zu gehobenen Quartieren<br />

innerhalb überdurchschnittlich wohlhabender<br />

Regionen entstehen. Zwischen diesen<br />

beiden Extremen der Raumentwicklung bestehen<br />

kaum noch Beziehungen oder Gemeinsamkeiten,<br />

so dass tatsächlich von einer Polarisierung gesprochen<br />

werden kann. Diese bestehen jedoch<br />

auch innerhalb der jeweiligen Großregionen. So<br />

kennt auch die <strong>Stadt</strong> München ein Armutsproblem<br />

<strong>und</strong> auch in einigen Städten Ostdeutschlands,<br />

zumindest in den wenigen stabilen Zentren Dresden<br />

<strong>und</strong> Leipzig <strong>und</strong> eventuell auch noch in Jena,<br />

Weimar <strong>und</strong> Erfurt finden sich ausgesprochen<br />

gehobene Quartiere mit gut verdienender Bevölkerung<br />

gegenüber ausgesprochen schwachen<br />

<strong>Stadt</strong>teilen in den selben Städten.<br />

Während im Westen die benachteiligten <strong>Stadt</strong>quartiere<br />

zu großen Anteilen von Einwohnern mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> bewohnt werden, ist das<br />

in den neuen B<strong>und</strong>esländern wegen des durchweg<br />

niedrigen Ausländeranteils nur in Ausnahmen,<br />

z.B. in Leipzig, der Fall.<br />

Angesichts der sich öffnenden Schere zwischen<br />

»arm« <strong>und</strong> »reich«, angesichts der chronischen<br />

Schwäche vor allem der kommunalen Haushalte,<br />

eine direkte Folge der eingeschränkten Autonomie<br />

des Nationalstaates, ist nicht damit zu rechnen,<br />

dass sich Segregationen in den kommenden<br />

Jahren verringern, Lebenslagen einander annähern<br />

werden. Im Gegenteil muss von Vertiefungen<br />

der Spaltung, die zur Polarisierung tendiert,<br />

ausgegangen werden.<br />

Diese Spaltung ist vor allem problematisch, weil<br />

sich in der so genannten modernen<br />

Dienstleistungs- <strong>und</strong> Wissensökonomie eine neue<br />

Form von Benachteiligung durchzusetzen beginnt,<br />

die zwar aus der Frühindustrialisierung bekannt<br />

ist, im »sozialdemokratischen Jahrh<strong>und</strong>ert« aber<br />

verschw<strong>und</strong>en zu sein schien, die so genannten

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