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Kirche mitten drin« Sozialer, struktureller und ... - Kirche findet Stadt

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14 10/2013 epd-Dokumentation<br />

»Exklusion«. Mit diesem Begriff soll zum einen<br />

angedeutet werden, dass die Benachteiligten nicht<br />

nur relativ schlechter gestellt sind, als Wohlhabende,<br />

sondern dass sie aus relevanten sozialen Beziehungen<br />

<strong>und</strong> Aktivitäten, vor allem aus den in<br />

modernen Gesellschaften zentralen Marktvorgängen<br />

ausgeschlossen sind. Aber auch aus der Politik<br />

sind diese Gruppen zunehmend ausgegrenzt. Weder<br />

ökonomisch noch politisch sind diese Menschen<br />

erforderlich, sie werden tendenziell überflüssig.<br />

Da sie auch keine relevante Mehrheit bilden<br />

– ihr Anteil an der Bevölkerung pendelt sich<br />

auf Werte um acht bis zehn Prozent ein – sind sie<br />

auch für die Politik nicht entscheidend, werden<br />

daher immer weniger berücksichtigt. In einer<br />

Kommunalpolitik, die zunehmend auf Imageelemente<br />

als Standortfaktoren setzt, passen diese<br />

benachteiligten Gruppen nicht mehr »ins Bild«, so<br />

dass sie in der Erscheinung der <strong>Stadt</strong>, wie sie in<br />

den Medien oder der Städtewerbung präsentiert<br />

wird, nicht mehr vorkommen. In einer Mediengesellschaft<br />

aber verschwindet das, was nicht in den<br />

Medien erscheint, irgendwann tatsächlich aus dem<br />

öffentlichen Bewusstsein, auch wenn es noch existiert.<br />

In der Frühindustrialisierung scheint das ganz<br />

ähnlich gewesen zu sein. Auch im frühen <strong>und</strong><br />

mittleren 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wusste das »Bürgertum«<br />

nicht, dass es ein elendes Proletariat überhaupt<br />

gab. Das änderte sich gr<strong>und</strong>legend erst im<br />

20.Jarhh<strong>und</strong>ert, in dem die Arbeiterschaft als die<br />

traditionell benachteiligte Bevölkerungsgruppe<br />

durch sozialistische Parteien <strong>und</strong> Gewerkschaften<br />

ein hohes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit<br />

erreichte.<br />

Die neuen Ausgegrenzten scheinen sich wieder<br />

auf dem Weg zur Unsichtbarkeit, zur Nicht-<br />

Existenz in der öffentlichen Aufmerksamkeit zu<br />

befinden. Die Arbeiterschaft galt zumindest ab<br />

den 1960er- <strong>und</strong> 1970er-Jahren als integriert. Sie<br />

verlor damit ihren Klassencharakter, da der Begriff<br />

der »Klasse« immer die umfassende Entgegensetzung<br />

zu einer anderen, eben der »bürgerlichen<br />

Klasse«, signalisieren sollte. Die neuen Benachteiligten<br />

könnten zu einer neuen »städtischen<br />

Unterklasse«, zur »new urban <strong>und</strong>erclass« werden,<br />

ausgegrenzt aus allen relevanten sozialen<br />

Aktivitäten. Extrem hohe Arbeitslosigkeitszahlen,<br />

wie sie in manchen <strong>Stadt</strong>teilen <strong>und</strong> Regionen der<br />

neuen B<strong>und</strong>esländer anzutreffen sind, stellen<br />

einen sicheren Hinweis auf Entstehung einer solchen<br />

»Unterklasse« dar.<br />

4. Polarisierung von »Schrumpfung« <strong>und</strong> »Wachstum«<br />

Bereits in den 1980er-Jahren zeigte sich in der<br />

alten B<strong>und</strong>esrepublik eine neue Entwicklung von<br />

Gegensätzen im so genannten »Süd-Nordgefälle«.<br />

Die nördlichen B<strong>und</strong>esländer, vor allem diejenigen<br />

mit altindustriellen Regionen, zeigten<br />

Schrumpfungstendenzen durch Abwanderung<br />

von Arbeitsplätzen <strong>und</strong> Einwohnern, während die<br />

Dienstleistungszentren des Westens <strong>und</strong> Südens<br />

deutliche Wachstumsgewinne verbuchen konnten.<br />

Gleichzeitig sanken oder stagnierten die<br />

Durchschnittseinkommen in den Schrumpfungsgebieten,<br />

während sie im Süden stiegen. Vor allem<br />

die Arbeitslosigkeitszahlen waren in den<br />

nördlichen Regionen deutlich höher als im Westen<br />

<strong>und</strong> Süden, vermutlich der Hauptgr<strong>und</strong> für<br />

die Wanderungsbewegungen von Nord nach Süd.<br />

Seit der deutschen Vereinigung wird dieses Süd-<br />

Nord-Gefälle von einem West-Ost-Gefälle überlagert,<br />

das gleichfalls, nur in sehr viel stärkerem<br />

Maße Wanderungsbewegungen von Ost, den<br />

neuen B<strong>und</strong>esländern, nach West, den alten<br />

B<strong>und</strong>esländern auslöst. Diese Wanderungen haben<br />

dazu geführt, dass die Dienstleistungsmetropolen<br />

des Westens, vor allem Hamburg <strong>und</strong> Hannover<br />

im Norden, Frankfurt, die Rheinschiene<br />

Düsseldorf – Köln, der Stuttgarter Raum <strong>und</strong><br />

München ihre Einwohnerzahlen trotz b<strong>und</strong>esweit<br />

rückläufiger Einwohnerzahlen nicht nur stabilisieren<br />

sondern z. T. deutlich erhöhen konnten,<br />

während vor allem Regionen im Nordosten, also<br />

im Norden der neuen B<strong>und</strong>esländer, in dramatischer<br />

Weise Einwohner verlieren. Die größten<br />

Verluste weisen Mecklenburg-Vorpommern <strong>und</strong><br />

die östlichen Teile Sachsens auf, aber mit Ausnahme<br />

Berlins <strong>und</strong> seines Umlandes haben alle<br />

ostdeutschen Regionen Bevölkerungsverluste<br />

durch Abwanderung erheblichen Ausmaßes hinzunehmen<br />

(Hänsgen u. a. 2010:24). Anhaltende<br />

Abwanderung von ein bis zwei Prozent pro Jahr<br />

scheint keine Ausnahme mehr zu sein, <strong>und</strong> es<br />

wird davon ausgegangen, dass sie sich in den<br />

kommenden Jahren in den bisher schon betroffenen<br />

Teilräumen fortsetzt.<br />

Bedrohlich werden diese Abwanderungen aber<br />

vor allem, weil sie selektiv verlaufen. Es wandern<br />

vorwiegend die gut qualifizierten Jüngeren <strong>und</strong><br />

hier wiederum besonders die Frauen ab, so dass<br />

in den schwachen Räumen deutliche Männerüberschüsse<br />

vor allem bei den jüngeren Jahrgängen<br />

entstehen (Hänsgen u. a. 2010:23). Gute Berufsperspektiven<br />

liegen für gut qualifizierte junge<br />

Frauen vor allem in den modernen Dienstleistun-

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