Kirche mitten drin« Sozialer, struktureller und ... - Kirche findet Stadt
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36 10/2013 epd-Dokumentation<br />
»Wir schaffen Lebensmittelpunkte« – Hof-Bahnhofsviertel<br />
Von Pfarrer Johannes Neugebauer<br />
»<strong>Kirche</strong> <strong>mitten</strong> drin« – <strong>Sozialer</strong>, <strong>struktureller</strong><br />
<strong>und</strong> demographischer Wandel in Städten <strong>und</strong><br />
Gemeinden – die Herausforderung für <strong>Kirche</strong>,<br />
ihre Diakonie <strong>und</strong> Zivilgesellschaft vor Ort,<br />
Evangelische Akademie Meißen, 1.– 2.11. 2012<br />
Die Sozialethik erkennt Gerechtigkeitslücken,<br />
bedingt durch das leistungsorientierte Werteverständnis<br />
der Gesellschaft. Prekäre Lebenslagen<br />
für Leistungsschwache nehmen durch Rigorismus,<br />
Konkurrenzprinzip, Ressourcenmangel <strong>und</strong><br />
der Zerrüttung von Selbstrespekt zu. Sozialarbeiterische<br />
Ansätze um »gelingendes Leben« zu<br />
fördern, stoßen auf personalen Handlungsebenen<br />
an Grenzen. Armut als Beschreibung materiellen<br />
Mangels greift zu kurz, oft fehlt mehr als Geld<br />
(Teilhabe, Beschäftigung, ein Gegenüber, Mitmenschen,<br />
Hilfe). Ein Lösungsansatz birgt die<br />
Zusammenführung von Sozialem <strong>und</strong> Ökonomie.<br />
Angelehnt an die integrative Wirtschaftsethik<br />
(Peter Ulrich 1998) gilt es, ökonomisches <strong>und</strong><br />
ethisches Denken zu verbinden <strong>und</strong> unter der<br />
Perspektive der Lebensdienlichkeit auf Basis<br />
eines arbeitsteiligen Wirtschaftens zur Befriedigung<br />
menschlicher Bedürfnisse der Lebenserhaltung<br />
<strong>und</strong> Lebensqualität zu entwickeln. Markt,<br />
Staat <strong>und</strong> der Non-Profitsektor müssen dabei<br />
gemeinsam, ausbalanciert agieren. J. Rifkin skizziert<br />
ein dreibeiniges Bild der Gesellschaft, unterteilt<br />
in marktwirtschaftliche, staatliche <strong>und</strong> sozialgemeinnützige<br />
Bereiche. Die Systemsteuerung<br />
geschieht durch das Gemeinwohlinteresse, förderlich<br />
für das zugr<strong>und</strong>liegende Kapital. Rifkin<br />
sieht neben dem sozialen Kapital noch das wirtschaftliche<br />
<strong>und</strong> das öffentliche Kapital, Pierre<br />
Bourdieu beschreibt neben dem sozialen das<br />
ökonomische <strong>und</strong> das kulturelle Kapital.<br />
Wertschöpfung in diesem Kontext fördert Humankapital,<br />
Lebensqualität <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />
Teilhabe. Eine Chance für ein zukunftsfähiges<br />
Konzept, die einen Ausweg aus den ökonomischen<br />
Problemen der Marktrelationen (Verdrängung<br />
ethischer Dimensionen wie Gemeinwohl<br />
<strong>und</strong> Vertrauen), Geldrelationen (Geringschätzung<br />
immaterieller Ressourcen wie Nachbarschaft<br />
<strong>und</strong> Bürgergesellschaft) <strong>und</strong> Managementrelationen<br />
(Fremdverfügung anstelle von Emanzipation,<br />
Selbstbefähigung, Empowerment <strong>und</strong><br />
Beteiligung) zeigt.<br />
Lebensmittelpunkte verbinden die Ethik des<br />
Wirtschaftens mit der Ökonomie des Sozialen<br />
<strong>und</strong> sieht Teilhabegerechtigkeit <strong>und</strong> Menschenwürde<br />
nicht als virtuelle Güter sondern als Aufgabe<br />
<strong>und</strong> als Ausdruck einer christlichdiakonischen<br />
Weltverantwortung (»Suchet der<br />
<strong>Stadt</strong> Bestes« – Jer. 29) – Sozialkapitalisierung<br />
als Antwort auf Armut. (vergl.: Albert Mühlum.<br />
Sozialmagazin 34, Jahrgang 2009)<br />
Der Gr<strong>und</strong>gedanke des Projektes »Lebensmittelpunkte«<br />
ist, im doppelten Sinne des Wortes einen<br />
(Lebens)Mittelpunkt in den vom demografischen<br />
Wandel bereits besonders stark betroffenen<br />
oder zukünftig bedrohten Dörfern <strong>und</strong><br />
Ortsteilen des Landkreises Hof zu bringen. Zum<br />
einem soll dabei durch das individuell auf die<br />
Bedürfnisse der dortigen Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger<br />
zugeschnittene Angebot verschiedenster Dienstleistungen<br />
(Bildung, Soziales, Kultur, Freizeit,<br />
Mobilität) wieder ein echter sozialer (Lebens)Mittelpunkt<br />
geschaffen werden, der zum<br />
anderen auch eine Gr<strong>und</strong>versorgung des täglichen<br />
Bedarfs ermöglicht.<br />
Dem gemeindediakonischen Ansatz kommt dabei<br />
eine zentrale Bedeutung zu. Gemeinwesendiakonie<br />
will Verantwortung in <strong>und</strong> für die Region<br />
übernehmen. Kirchliche <strong>und</strong> diakonische Arbeit<br />
werden dabei im Sozialraum vernetzt <strong>und</strong> gebündelt;<br />
gemeinsame sozialräumliche Partnerschaften<br />
initiiert <strong>und</strong> gestaltet <strong>und</strong> Kooperationen<br />
mit weiteren Partnern <strong>und</strong> Akteuren im<br />
Sozialraum gesucht (Sozialraummanagement).<br />
Dabei ist die Zusammenarbeit von ehrenamtlichen<br />
<strong>und</strong> hauptamtlichen Akteuren unverzichtbar.<br />
Auf dem Hintergr<strong>und</strong> dieser klaren Standortpositionierungen<br />
wird deutlich, dass es der Diakonie<br />
Hochfranken um mehr geht als das reine Anbieten<br />
<strong>und</strong> Schaffen von im Folgenden näher beschriebenen<br />
Dienstleistungen; vielmehr wollen<br />
wir – <strong>Kirche</strong> <strong>und</strong> Diakonie gemeinsam- darüber<br />
hinaus neue Zugänge eröffnen, Ressourcen entdecken<br />
<strong>und</strong> Menschen ermutigen. Ganz bewusst<br />
wurde für das Projekt eine theologische Gr<strong>und</strong>legung<br />
erarbeitet.<br />
Die Diakonie Hochfranken begegnet mit dem<br />
Projekt »Lebensmittelpunkte« seit 2008 den<br />
strukturellen Herausforderungen der Region mit<br />
einem ganzheitlichen Ansatz. Das Vorhaben