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Kirche mitten drin« Sozialer, struktureller und ... - Kirche findet Stadt

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epd-Dokumentation 10/2013 21<br />

<strong>Kirche</strong> werden im Gemeinwesen –<br />

Theologisch-ethische Perspektiven des Community Organizing<br />

als Beteiligungsform einer ‚gesellschaftsoffenen <strong>Kirche</strong>‘ 1<br />

Von Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl, Katholische Hochschule für Sozialwesen (Berlin)<br />

»<strong>Kirche</strong> <strong>mitten</strong> drin« – <strong>Sozialer</strong>, <strong>struktureller</strong><br />

<strong>und</strong> demographischer Wandel in Städten <strong>und</strong><br />

Gemeinden – die Herausforderung für <strong>Kirche</strong>,<br />

ihre Diakonie <strong>und</strong> Zivilgesellschaft vor Ort,<br />

Evangelische Akademie Meißen, 1.– 2.11. 2012.<br />

Hinweis: Eine Powerpoint-Präsentation des<br />

Beitrags ist im Internet zu finden unter:<br />

http://www.ev-akademie-meissen.de/<br />

akademie/religion/downloads/<br />

kirche-<strong>mitten</strong>-drin.html<br />

I.<br />

»Yes we can!« – Selten hat ein Slogan in so kurzer<br />

Zeit eine solch steile Karriere gemacht wie der<br />

mittlerweile legendäre Wahl(kampf)spruch des<br />

jüngst wiedergewählten US-Präsidenten Barak<br />

Obama – vielleicht gerade deshalb, weil er sich so<br />

wohltuend von den markigen Parolen der bisherigen<br />

US-Administration unterscheidet; vielleicht<br />

aber auch, weil etwas an diesem Wahlspruch so<br />

gar nicht in das oftmals sorgfältig gepflegte Stereotyp<br />

über die us-amerikanische Lebens- <strong>und</strong><br />

Politikkultur hineinpasst. Zwei der drei Wahlspruchworte<br />

erstaunen nicht: Dass die usamerikanische<br />

Lebenskultur persönliche Krisen<br />

<strong>und</strong> gesellschaftliche Probleme vor allem als Herausforderungen<br />

identifiziert, denen man mit einem<br />

entschiedenen Ja begegnet <strong>und</strong> sich nicht<br />

hinter einem verzagten Nein versteckt; <strong>und</strong> dass<br />

man solches Ja auf ein selbstbewusstes Können<br />

aufbaut, anstatt sich in einer Ohnmachtsromantik<br />

selbst zu verlieren, all dies überrascht nicht. Eher<br />

irritiert das »we«: Baut nicht der us-amerikanische<br />

Mythos von einem gelingenden <strong>und</strong> prosperierenden<br />

Leben auf die liberalistische Fiktion eines<br />

freien, unabhängig starken Individuums auf, das<br />

sich seiner eigenen Kräfte vergewissert, wenn<br />

nötig mit rücksichtslosem Ellenbogen gegen andere<br />

seinen Lebenserfolg erkämpft <strong>und</strong> darin –<br />

nach populär-calvinistischer Überzeugung – seine<br />

höchst individuelle göttliche Vorsehung als Starker<br />

oder – bei Misslingen – als Scheiternder persönlich<br />

in die Weltgeschichte einschreibt? Wie ist<br />

das Wir zu verstehen: Schwach oder stark? Wir<br />

als alle Einzelne oder als Wir gemeinsam?<br />

Wenn der Wahl(kampf)spruch Barak Obamas<br />

2008 nicht nur das Ergebnis knallhart kalkulierender<br />

Werbestrategen <strong>und</strong> Wahlkampfstrategien<br />

war, sondern wenigstens noch Spuren seines<br />

persönlichen wie beruflichen Werdeganges in<br />

sich aufgenommen hat, so wird man das Yes we<br />

can durchaus als ein Wir verstehen dürfen, das<br />

sich gemeinsam den Krisen <strong>und</strong> Problemen des<br />

Alltags selbstbewusst entgegenstellt. Der Sozialarbeiter<br />

(<strong>und</strong> Politiker) steht in der Tradition des<br />

Community Organizing, das in den USA <strong>und</strong> besonders<br />

in der Heimatstadt des Präsidenten spätestens<br />

seit der Gründung der Industrial Areas<br />

Fo<strong>und</strong>ation eine lange Tradition besitzt <strong>und</strong> eng<br />

mit dem Namen Saul Alinsky (1909-1972) verb<strong>und</strong>en<br />

ist. Seit Mitte der dreißiger Jahre arbeitete<br />

der gelernte Kriminologe Alinsky, über dessen<br />

Wirken die derzeitige US-Vizepräsidentin Hillery<br />

Clinton promovierte, als Community Organizer<br />

zunächst in den Slums von Chicago, später in<br />

depravierten <strong>Stadt</strong>vierteln vieler usamerikanischer<br />

Großstädte. Sein Einsatz galt<br />

nicht einfach nur dem Kampf gegen die Verwahrlosung<br />

ganzer <strong>Stadt</strong>eile, sondern in erster Linie<br />

für die Transformation eines oftmals zersplitterten<br />

<strong>und</strong> vielfach stumm resignierenden Unmuts<br />

der lokalen Bevölkerung in die politische Macht<br />

eines vereinten Protestes <strong>und</strong> gemeinsamen Gestaltungswillens<br />

der Betroffenen selbst.<br />

Ziel des Community Organizing war <strong>und</strong> ist eine<br />

Verbesserung der Lebensbedingungen insbesondere<br />

dort, wo ein würdiges Leben durch soziale<br />

Problemlagen <strong>und</strong> Konflikte schwer bedroht oder<br />

sogar schon beschädigt ist; eine Verbesserung<br />

aber, die sich konsequent über die Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Bündelung aller Ressourcen <strong>und</strong> Utopien der<br />

betroffenen Bevölkerung erreicht. Ziel ist also<br />

weniger die Verbesserung der Lebensbedingungen<br />

durch rein äußerliche Hilfe als die Entwicklung<br />

einer menschenwürdigen Lebenslage sozusagen<br />

von einem gemeinsam gestalteten Innen.<br />

Das macht professionalisierte Unterstützung nicht<br />

überflüssig, im Gegenteil: Schon die Industrial<br />

Areas Fo<strong>und</strong>ation investierte viel in die Ausbildung<br />

von (ehrenamtlichen) Netzwerkern <strong>und</strong><br />

»Schlüsselpersonen« oder in die Anstellung<br />

(hauptamtlicher) Organizer. Dennoch fördert<br />

Community Organizing nicht ein außengewirktes<br />

Wohlergehen der Bevölkerung, sondern im ei-

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