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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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- 106 -<br />

»Nach den Feststellungen des Gerichts hat es der Angeklagte unternommen, durch zweimalige<br />

Verabreichung von Schilddrüsenpräparaten den Gefr. Bernhard R. der Erfüllung des Wehr<strong>die</strong>nstes<br />

zeitweise zu entziehen. Es liegt demnach das Verbrechen der Wehrkraftzersetzung nach § 5<br />

Abs. 1 Ziff. 3 KSSVO vor.«<br />

Es wurde dabei strafmildernd berücksichtigt, dass Sator »unter der Verleitung der drängenden Bitten<br />

des R. stand«, dass er nur e<strong>in</strong>e kurzzeitige Erkrankung hervorrufen wollte, e<strong>in</strong> Geständnis ablegte<br />

und zuvor weder strafrechtlich noch diszipl<strong>in</strong>arisch bestraft worden war. Die »zweimalige Verabreichung<br />

der Tabletten, <strong>die</strong> zur Täuschung besonders geeignet waren«, wurde dagegen strafverschärfend<br />

berücksichtigt. Es wurde jedoch nach § 5 Abs. 2 KSSVO e<strong>in</strong> m<strong>in</strong>der schwerer Fall angenommen, so<br />

dass Sator zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. 212<br />

Nachdem etwa sechs Wochen später das Urteil von SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS<br />

Jüttner – <strong>in</strong> Vertretung Himmlers als Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres<br />

– bestätigt worden war, wurde Sator am 03.10.1944 von Wien aus auf Transport <strong>in</strong>s Emsland geschickt;<br />

am 24.11.1944 wurde er unter der Gefangenen-Nr. 1269/44 im SGL II Aschendorfermoor als<br />

Zugang verzeichnet. 213 Bei der ersten mediz<strong>in</strong>ischen Untersuchung lautete <strong>die</strong> Diagnose des Arztes »z.<br />

Zt. starker Durchfall«, ohne Sator deshalb als ärztlicher Behandlung bedürftig noch als arbeits- bzw.<br />

moorarbeitsunfähig zu bezeichnen. 214 Mitte Februar 1945 wurde ihm <strong>die</strong> Funktion des Arrestkalfaktors<br />

übertragen; <strong>die</strong> Begründung <strong>für</strong> <strong>die</strong>sen E<strong>in</strong>satz lautete: »Sator leidet an chronischen Ödemen und kann<br />

daher nur im Innen<strong>die</strong>nst beschäftigt werden.« 215 Bei e<strong>in</strong>em alliierten Luftangriff auf das Lager<br />

Aschendorfermoor wurde Sator an der Brust verletzt. Ende März wurde er über Esterwegen mit ca.<br />

160 Mitgefangenen auf e<strong>in</strong>en „Todesmarsch“ Richtung Osten geschickt, der jedoch bereits <strong>in</strong> Werlte<br />

endete; von dort wurden <strong>die</strong> überlebenden Häftl<strong>in</strong>ge, zu denen auch Sator zählte, zurück nach Esterwegen<br />

und kurze Zeit darauf über Börgermoor nach Aschendorfermoor gebracht, wo er auch <strong>die</strong> „Herold-Erschießungen“<br />

überstand. 216<br />

212 Ebd.<br />

213 AV v. 08.09.1944 auf Urteil gegen Sator, 27.07.1944 (wie Anm. 209); Ewald Sator, Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, an<br />

KdSGL, 15.02.1946, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> I Nr. 264 Bearb.-Nr. 17; Aufnahmebogen d. SGL II zu Ewald Sator<br />

(Gef.-Nr. 1249/44), 24.11.1944, StA OS, ebd. L<strong>in</strong> II Nr. 10118. – Warum auf Sator <strong>die</strong> neue Bestimmung<br />

Himmlers, derzufolge von Heeresgerichten <strong>Verurteilte</strong> nicht mehr <strong>in</strong> <strong>die</strong> ELL, sondern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e FGA oder e<strong>in</strong><br />

KZ überstellt werden sollten (siehe Kap. 3.3), ist nicht klar. Auch wenn <strong>die</strong> Urteilsbestätigung erst drei Tage<br />

nach der Ausgabe des Erlasses erfolgte, so geschah sie doch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und im direkten E<strong>in</strong>flussbereich<br />

Himmlers. H<strong>in</strong>zu kommt, dass Sator erst fast e<strong>in</strong>en Monat danach auf Transport geschickt wurde; auch <strong>in</strong><br />

Wien wäre also vermutlich genug Zeit gewesen, <strong>die</strong> neuen Richtl<strong>in</strong>ien zu beachten. Stattdessen wurde er wie<br />

gehabt <strong>in</strong>s Emsland geschickt. – Auch bei WÜLLNER (1997, S. 717f.) wird e<strong>in</strong> Fall erwähnt, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> Wiener<br />

Oberstaatsanwalt noch am 08.11.1944 anordnete, dass e<strong>in</strong> vom Gericht der Ersatzbrigade 999 zu Zh. <strong>Verurteilte</strong>r<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> ELL geschickt werden sollte.<br />

214 Aufnahmeuntersuchung Ewald Sators durch RegMedRat Dr. E., SGL II, 27.11.1944, StA OS, ebd.<br />

215 SGL II, Lagerrevier, an Vh. SGL VII, 16.02.1945, StA OS, ebd.<br />

216 Ewald Sator an KdSGL, 15.02.1946 (wie Anm. 213). – Werlte liegt ca. 17 km südlich von Esterwegen und<br />

gehört heute zum Landkreis Emsland. – Zum „Todesmarsch“ nach Werlte vgl. BUCK 1999, S. 239f., „Bestandsaufnahme<br />

der britischen Militärbehörden …“, 1946, zit. n. KW 1983, Dok. C III a/1.10, S. 1943 - 1981,<br />

hier S. 1976f., sowie Abgangsliste d. SGL VII, 24.03.1945, StA OS, ebd. L<strong>in</strong> I Nr. 720.<br />

Was mit e<strong>in</strong>em zur Wehr<strong>die</strong>nstentziehung lediglich Verführten geschehen konnte, zeigt der Fall Anton Wi.<br />

Der 1920 <strong>in</strong> Wien geborene Unteroffizier war bereits seit Oktober 1940 bei der <strong>Wehrmacht</strong> und hatte – nach<br />

zahlreichen Auszeichnungen zuvor – im September 1944 sogar das Ritterkreuz verliehen bekommen; zusätzlich<br />

erhielt er Sonderurlaub, den er <strong>in</strong> Wien verbrachte. Der Freund se<strong>in</strong>er Schwester, der Transportarbeiter<br />

V., sagte zu ihm, er solle doch nicht so dumm se<strong>in</strong> und nochmals an <strong>die</strong> Front zurückkehren; er, V., wisse etwas,<br />

wodurch er <strong>in</strong>s Lazarett kommen könne. Zunächst lehnte Wi. ab; wenig später lud V. ihn abends zu sich

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